An Halftern führt Stefan Heinrichs Bruno und Karl-Gustav an das Hühnermobil heran und macht sie los. Um die mobile Behausung herum gackern und picken Hühner. Als sie die beiden jungen Alpakas entdecken, bewegen sich einige auf die felligen Tiere zu, als wollten sie sagen: „Herzlich willkommen.“ Bruno und Karl-Gustav, beide zehn Monate alt, bilden seit Kurzem die Verstärkung für Olli, Hans-Werner und Okidoki, die seit 2019 auf der Farm leben.
Heinrichs Hühner halten sich nicht eingepfercht in einer Halle auf, sondern genießen das fast freie Leben auf den Wiesen Bruchhausens. 2017 baute der Bruchhausener einen ausrangierten Kühltransporter in eine Villa fürs Federvieh um. Schon kurze Zeit später folgte auf das damals noch selbst gebaute Hühnermobil ein zweites und ein drittes. Das vierte wird im kommenden Sommer angeschafft. Die Hühnereier sind zwar nicht biozertifiziert, aber „was das Futter und den Platz angeht, wird die Bionorm weit übertroffen. Dagegen hat ein Huhn in der klassischen Bodenhaltung gerade mal einen Lebensraum von der Größe eines Din-A-4-Blattes“, so Heinrichs.
Die Hühnerfamilie ist mittlerweile auf 600 angewachsen. Dass die Hühner weitestgehend frei leben, hat für das Federvieh und für Heinrichs einen Preis. Greifvögel, Füchse und Marder gehen lieber an den gedeckten Tisch, anstatt sich die Beutetiere mühevoll zu suchen. Doch damit ist, seitdem Olli, Hans-Werner und Okidoki auf der Farm sind, so gut wie Schluss. „Die Alpakas haben sich sehr bewährt. Zwar können sie nicht alle Feinde abwehren, aber ich habe deutlich weniger Verluste“, berichtet Heinrichs. Wenn Fuchs, Dachs und Co. herumstreichen, bekommen es die Alpakas mit und laufen in die jeweilige Richtung. Deren reine Neugier vertreibt die Wildtiere. Hin und wieder käme es aber schon noch vor, dass ein Greifvogel von oben zupackt.
Wegen der wachsenden Zahl der Hühner hat Heinrichs nun den „Sicherheitsdienst“ erweitert. Die hinzugekommenen Alpakas Bruno und Karl-Gustav stammen von einem Züchter nahe Aachen und sind Cousins. Der „Hühnerbaron“ berichtet, dass sie dabei sind, sich einzuleben. Bei schlechtem Wetter stehen sie geschützt in ihrem Stall, bei gutem Wetter ziehen sie über die Weide oder lassen sich in der Sonne nieder und „checken“ die Gegend. Von Heinrichs bekommen sie Kraftfutter, Heu, Mineralien und das, was auf der Weide wächst.
Der Bruchhausener hat sich weitergebildet und bietet seit einiger Zeit tiergestütztes Coaching an. Der zertifizierte Coach empfängt Erwachsene und Jugendliche, die im tierischen Umfeld fernab vom stressigen Alltag ein Problem lösen oder eine Entscheidung fällen wollen. „Walk and Talk“ lautet das Motto. „Beim Wandern entsteht eine Dynamik, die das Nachdenken und Reden erleichtert“, wendet Heinrichs das systemische Coaching an. „Im Prinzip tragen die Menschen die Lösung in sich. Sie kramen sie mit meiner Hilfe hervor, sodass sie Entscheidungen leichter treffen können“, nennt der Bruchhausener ein anonymisiertes Beispiel: Eine Führungsperson aus der Logistikbranche war sich nicht sicher, ob er dem Druck in seinem Unternehmen weiter standhält oder sich beruflich verändern soll. Die beruhigende Wirkung der Alpakas auf der Wanderung und die begleitenden Gespräche brachten ihn zu einer Entscheidung. „Es tut gut, sich auf ein ganz neues Umfeld einzulassen und die Dinge aus der Vogelperspektive zu betrachten“, sagt Heinrichs. Er bietet auch Resilienz-Coaching für ein besseres Stressmanagement und Teambildungsevents auf der Farm an. „Hier ist man innerhalb von wenigen Minuten in einer ganz anderen Welt. Es ist total beeindruckend, was das in Gang setzt.“ Um sich vergrößern zu können, sucht Heinrichs nach weiteren Flächen in Bruchhausen oder der näheren Umgebung.
Wer den Ortseingang in der Waldstraße passiert, kann einen Teil der Hühner und Alpakas beobachten. Viele wären schon stehengeblieben und hätten die Kamera gezückt. Heinrichs habe beobachtet, dass schon Apfelstücke über den Zaun geworfen wurden. „Mir ist wichtig, dass die Alpakas und die Hühner nicht gefüttert werden. Sie bekommen alles, was sie benötigen und was gut für sie ist“, sagt Heinrichs. Er freue sich immer, wenn Interessierte vorbeischauen. Mit Anmeldung führe er sie gern herum. Corona habe seine Coaching-Angebote stark ausgebremst. „Ich hoffe, dass wir bald wieder loslegen können“.