Neuwied soll zu einem Zentrum der Robotik werden – und die Planungen sind schon konkret. „Ein halbes Jahr ist dort ein Fuhrpark von Lastenrobotern, ein halbes Jahr später fliegen 20 Drohnen durch die Luft, und noch einmal ein halbes Jahr später wieder etwas Neues“, so beschreibt Udo Gnasa das geplante Bildungs-, Forschungs- und Anwendungszentrums für Robotik (Bifar), das auf dem Gelände der Firma Asas entstehen soll.
Zwar sind auch Lehrräume geplant, aber vor allem soll in zwei Industriehallen genug Raum sein, der flexibel auf die Anforderungen aktueller Projekte und Forschungsfragen zugeschnitten werden kann, erklärt der Projektleiter und Professor für Ingenieurwesen an der Hochschule Koblenz. Noch handelt es sich dabei um eine Machbarkeitsstudie, an der Gnasa zusammen mit dem wissenschaftlichen Mitarbeiter Nico Kleudgen arbeitet.
Roboter für Industrie und Haushalt
Doch Robotik sei ein Wachstumsmarkt und eine Schlüsseltechnologie. Mit Verbesserungen in der Steuerung durch künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen gebe es nicht nur für die Industrie, sondern auch in der Fläche immer mehr Einsatzmöglichkeiten. „So schnell wie bei ChatGPT wird es nicht gehen. Da Robotik visuell arbeitet, ist das Training erheblich komplexer“, erklärt Gnasa. Aber auch in kleinen Betrieben, in Haushalten oder der Pflege werde die Technologie immer mehr Nutzer finden. „Deshalb glauben wir, dass wir in Neuwied auf das richtige Pferd setzten.“
Besonders spannend sei auch, wie sich das Bifar ins Rasselsteinquartier einfügt, das als Gesamtprojekt Technologie, Industrie und auch Wohnen miteinander verbinde, so Gnasa. So soll man mit dem Forschungszentrum eine Keimzelle für ein ganzheitliches Robotik-Ökosystem schaffen – ein Netzwerk aus regionalen Unternehmen in der Region, die einander ergänzen. Das Zentrum soll auf vier Säulen stehen: Bildung, Forschung, Anwendung und Gründung.
Praxisnahe Ausbildung und konkrete Problemlösungen
Die Bildung umfasst unter anderem die Ausbildung an der Hochschule, insbesondere den neuen Bachelorstudiengang „Robotik und Künstliche Intelligenz“, der im kommenden Wintersemester startet. Die Kombination aus Ingenieurwesen und IT hat einen hohen Anteil an Laborleistungen. „Labor in der Robotik heißt: Ran an die Geräte“, betont Gnasa.
Das Land Rheinland-Pfalz förderte die Einrichtung des Studiengangs mit 2 Millionen Euro. Es ist der erste Studiengang dieser Art im Land und einer von wenigen bundesweit. „Eine Ausbildung zum Robomechatroniker gibt es bisher nicht.“ In der Zusammenarbeit mit der Handwerkskammer und der IHK wolle man auch eine berufliche Ausbildung in diesem Bereich anregen.

Auch die Forschung am Robotikzentrum soll praxisnah sein. Bachelor- und Masterarbeiten werden sich weniger mit Grundlagenforschung als mit konkreten Problemen und Fragestellungen von Kooperationspartnern aus der Wirtschaft beschäftigen.
Der Übergang zur Anwendung ist fließend. Das Bifar will Unternehmen dabei unterstützen, Robotik zu erproben und zu integrieren. Es könne als Versuchslabor dienen, in dem Firmen neue Technologien testen, ohne ihre laufende Produktion zu stören. Auch die Evaluation der Maschinen gehört dazu. „Nicht alles, was auf dem Marketingflyer steht, hält der Realität stand“, sagt Gnasa.
„Oft zeigt sich, dass sich der Einsatz nicht rechnet. Dann gehört auch dazu zu sagen: Hier lohnt es sich nicht, eine konventionelle Maschine zu ersetzen.“
Udo Gnasa, Projektleiter Bifar und Professor für Ingenieurwesen
Robotik sei kein Selbstzweck. Es gehe auch darum, den Bedarf und die Wirtschaftlichkeit im Einzelfall zu prüfen. Auch der Einsatz in Unternehmen ist ein Thema. „Oft zeigt sich, dass sich der Einsatz nicht rechnet. Dann gehört auch dazu zu sagen: Hier lohnt es sich nicht, eine konventionelle Maschine zu ersetzen“, sagt Gnasa. Derzeit arbeitet das Team an vier Projekten mit regionalen Unternehmen.
Die vierte Säule, die Gründung, ist bislang noch theoretisch. Doch das Bifar will junge Unternehmen hervorbringen, die das Netzwerk ergänzen. Diese Start-ups sollen ein Schlüssel für die Zukunft des Projekts werden. Für den Anfang müsse man Fördermittel einwerben und Investoren gewinnen. Doch der Projektleiter ist zuversichtlich: Drei bis fünf Jahre nach dem Start in Neuwied soll sich das Zentrum selbst finanzieren können.

Wie Neuwied zur Robotik-Hochburg wird
Ein Roboter in der Werkstatt und Drohnen im Weinberg? Wie kleine Betriebe Robotik einsetzen können, war das Thema der Robotik Convention von DigiMit² auf dem Asas-Gelände in Neuwied.
Die Machbarkeitsstudie steht kurz vor dem Abschluss, und Gnasa sowie Kleudgen blicken optimistisch in die Zukunft. „Meine Vision ist, dass dort studentisches Leben entsteht und wir eine Keimzelle für ein Robotik-Ökosystem schaffen“, sagt der Projektleiter.
Das Bifar hat bereits die Aufmerksamkeit von Politik und Wirtschaft geweckt. 27 Unternehmen aus der Region haben Kooperations- und Unterstützungszusagen unterzeichnet, darunter der auch der Aluminiumhersteller Asas und dessen Tochterunternehmen Patika, das künftig in benachbarten Hallen Lastenroboter montieren will.
Künstliche Intelligenz in der Robotik
Wenn in der Robotik von künstlicher Intelligenz (KI) die Rede ist, geht es nicht um ChatGPT und andere Sprachmodelle. Stattdessen sollen Maschinen mithilfe von KI-Modellen und maschinellem Lernen ihre Umwelt durch Sensordaten erfassen und dementsprechend handeln.
Dabei ist nicht neu, dass Roboter verschiedene Aktionen als Reaktion auf Sensordaten ausführen. Der Unterschied liegt darin, dass diese nicht einzeln programmiert sind, sondern die Daten mit Modellen und Algorithmen verarbeitet werden und flexibel reagieren: Rasenmähroboter, die Igeln ausweichen und Drohnen, die Vögel und Hochspannungsleitungen erkennen. Noch anspruchsvoller wird es bei Robotern für Haushalt oder Pflege, die zahlreiche Alltagsgegenstände identifizieren müssen und mit Menschen interagieren.