Sebastian Hebeisen, Geschäftsführer der DGB-Region Koblenz empfiehlt jedem Arbeitnehmer derzeit die Auseinandersetzung mit dem Thema Betriebsrat. Grundsätzlich kann in jedem Betrieb mit mindestens fünf Beschäftigten eine solche Arbeitnehmervertretung gegründet werden. „Es geht darum, die gesetzlichen Möglichkeiten in unserer Demokratie zu nutzen und die eigenen Interessen im Betrieb wahrzunehmen.“ Spätestens dann, wenn eine Firma pleite geht, wird der Betriebsrat laut Hebeisen unersetzlich. „Nur wenn es einen Betriebsrat gibt, muss auch ein Sozialplan aufgestellt werden. Ansonsten folgen einfach die Entlassungen. Und da geht es im Zweifel um richtig viel Geld.“ In einer Krise schnell noch einen Betriebsrat zu wählen sei nicht möglich – wenn, dann sei jetzt die richtige Zeit dafür. Neben der „Airbag-Funktion, wenn es mal kracht“ hat der Betriebsrat auch im Alltag mitzureden. Bei jeder Einstellung und Entlassung muss der Rat zustimmen, mahnt der Chef jemanden ab, muss der Rat ebenso einbezogen werden. „Er kann herausfinden, ob sich jemand wirklich falsch verhalten hat oder ob da getrickst werden soll. Ohne Betriebsrat ist man dem Chef in dieser Sache ausgeliefert.“ Hebeisen weiß aber auch, dass Betriebsräten das Leben von der Geschäftsführung mitunter schwer gemacht wird. Er weiß von Schikanen und zahlreichen kleinen gerichtlichen Auseinandersetzungen, denen Mitglieder ausgesetzt werden. Dennoch: Der Betriebsrat kann das Zünglein an der Waage sein. Deshalb findet Hebeisen es besonders erfreulich, dass die Firma Wirtgen in Windhagen erstmals einen Betriebsrat wählt: „Das kann man gar nicht hoch genug einschätzen.“
Als Meilenstein empfindet das auch Mirko Kuklenski, Gewerkschaftssekretär der IG Metall. Er spricht von sehr offenen Gesprächen mit Belegschaft und Geschäftsführung von Wirtgen. Das sei naturgemäß nicht immer der Fall. „Eine enge Zusammenarbeit mit Geschäftsführungen ist schwierig“, weiß Kuklenski.
Dass Kandidaten für den Betriebsrat von der Geschäftsführung systematisch gegängelt wurde, hat er im Kreis Neuwied noch nicht erlebt – genauso wenig wie Zimmermann von der IG BCE. Nachgewiesen sei das ein Straftatbestand und schnell in der Öffentlichkeit. Allerdings komme es vor, dass Geschäftsleitungen ihre eigenen Kandidaten für die Wahlen platzieren. „In einem Fall hat die Belegschaft diese mit überragender Mehrheit gewählt“, sagt Kuklenski. Eine Handhabe hat die Gewerkschaft in einem solchen Fall nicht. Im Alltag allerdings mache sich ein solches Votum für die Belegschaft bemerkbar – und das nicht zu ihrem Vorteil. Insgesamt sieht Kuklenski seine Gewerkschaft in den Betrieben gut vertreten – wenn es auch noch die ein oder anderen weißen Flecken gebe. Nicht immer lasse sich das auf schlechte Mitbestimmungsmöglichkeiten zurückführen. „Manche Unternehmen sehen auch zu, dass die sozialen Standards so hoch sind, dass die Belegschaft keinen Grund für einen Betriebsrat sieht“, sagt Kuklenski. Genau wie Zimmermann rät er aber dazu, gerade wenn es gut läuft, als Belegschaft aktiv zu werden.
Im Vergleich zu den Wahlen vor vier und vor acht Jahren hat Zimmermann einen Rückgang der Wahlbeteiligung ausgemacht. Das führt er auf ein Gefühl der Sicherheit zurück. In einem der ganz großen Unternehmen im Kreis ist es im vergangenen Jahr dennoch gelungen, Betriebsräte zu organisieren: bei Birkenstock. Nun gehe es darum die Vertreter mit Schulungen „sattelfest für die Arbeit zu machen“. obi/cno