Dabei war sie bei ihrer Inbetriebnahme vor acht Jahren als Pilotmodell errichtet worden. Besucher aus Land, Bund und sogar anderen Staaten gaben sich die Klinke in die Hand und meldeten Interesse an der innovativen Anlage der Hunsrücker Firma Pyreg an, in die der Abwasserzweckverband knapp 2,5 Millionen Euro investiert hatte. Dazu kamen mehr als eine Million Euro Fördergelder vom Land Rheinland-Pfalz.
Phosphorrecycling in Reinform
Das Besondere: Phosphor, ein immer knapper werdender Rohstoff, der für Pflanzenwachstum wichtig ist, wird in der Anlage recycled, die Energieeffizienz ist sehr hoch, da sich die Anlage zu einem gewissen Teil selbst versorgt. Ersteres hat die Bundesregierung 2017 auf ihre Agenda aufgenommen: Ab 2029 beziehungsweise 2032 soll kein Klärschlamm aus größeren Kläranlagen mehr auf die Felder, man muss dann zwangsläufig Phosphor gewinnen – ähnlich wie es die vergleichsweise kleine Unkeler Anlage seit 2015 bereits tut.
Doch eben nicht ganz genau so. Denn das Produkt, der karbonisierte Phosphor, bei dem der Gehalt des Grundstoffs zu 100 Prozent erhalten bleibt, ist anders als Klärschlamm selbst oder komplett verbrannte Klärschlammasche laut der entsprechenden Verordnung in Deutschland nicht als Düngemittel zugelassen. Seit Jahren kämpft man in Linz und Unkel vergeblich dafür, war schon mehrmals vor Gericht und gründete gemeinsam mit anderen Kläranlagen-Betreibern eine bundesweite Initiative.
Es ist wirtschaftlich nachvollziehbar, dass wir die Anlage stoppen, weil das Endprodukt nicht eingeführt werden darf – quasi als Kostenbremse.
Verbandsvorsteher Frank Becker
Für den ehemaligen Bürgermeister und Verbandsvorsteher Hans-Günter Fischer, der das Projekt seit seiner Entstehung begleitet hat, war die Nachricht, dass man das politisch hoch gelobte Phosphor-Karbonisat nicht als Düngemittel verkaufen konnte, ein Schlag in die Magengrube. Mehrmals äußerte Fischer sich gegenüber unserer Zeitung sehr kritisch über den Umgang der großen Politik mit der Anlage. Er und seinedamalige Werksleiterin Dagmar Stirba sprachen von einer „Umweltverhinderungsmaßnahme“ und konnten über den Gang an die Gerichte und das granitene Fundament der Düngemittelverordnung, an dem es nicht zu rütteln gilt, nur den Kopf schütteln.
Auf Nachfrage unserer Zeitung zur Stilllegung „seiner“ Anlage äußert der ehemalige Bürgermeister weiter Kritik an Bund und Land. „Sowohl Mainz als auch das Umweltbundesamt haben damals politisch voll dahinter gestanden. Wir haben immer Unterstützung erhalten“, erklärt Hans-Günter Fischer, dass der durch die moderne Anlage komplett geschlossene Stoffkreislauf die Ideen einer grünen und nachhaltigen Politik aufgreife.
Große Politik ist den letzten Schritt nie gegangen
Er sei enttäuscht und finde es bedauerlich, dass der letzte Schritt, die Anerkennung des Phosphorproduktes als Düngemittel, von der großen Politik nie gegangen wurde. Man konnte das Produkt nie absetzen, und dann hätten sich durch die mannigfaltigen Krisen die Rahmenbedingungen für den Weiterbetrieb verschlechtert. „Wer hätte ahnen können, dass die Energiepreise so explodieren“, sagt Fischer.
Da wundert es nicht, dass unter seinem Nachfolger Frank Becker vom Verband nun beschlossen wurde, der Millionen Euro teuren Pilotanlage sprichwörtlich das Licht auszuknipsen. Hunderttausende Euro im Jahr kostet der Betrieb der Anlage aufgrund von Zukauf von Strom und Gas sowie Wartungskosten, wobei kein Gewinn rumkommt, da man auf dem Phosphordünger sitzen bleibt, sagt Becker.
Rechtsweg ist ausgeschöpft
Und dass die Gerichte sich doch noch anders entscheiden, ist laut dem Linzer Bürgermeister ausgeschlossen. „Der Rechtsweg ist uns verwehrt. Der Weg zum Bundesverfassungsgericht ist uns versperrt, da wir keine natürliche Person sind, sondern ein Zweckverband. Uns sind die Hände gebunden. Eine sehr bedauerliche Situation“, formuliert Becker.
Wohl aber versuche man, auf der politischen Ebene etwas zu erreichen. Die angesprochene Initiative, eine Vernetzung mit Kläranlagenbetreibern in Kleve, im Saarland, in Hannover sowie in Hessen, sei gerade aktiv dabei, sich Gehör zu verschaffen. „Wir versuchen, unsere Abgeordneten in Land- und Bundestag zu aktivieren“, erklärt Becker und fügt hinzu: „Aber das Thema ist sehr komplex.“
Politisch richtig – wirtschaftlich nicht tragbar
Er selbst hat kein Verständnis dafür, warum man den Phosphor aus Unkel nicht als Dünger nutzen kann. Gerade eine Regierung unter Beteiligung der Grünen müsse doch sehen, welche Vorteile in Umweltschutz und Ressourcenschonung Kläranlagen wie die in Unkel bringen, meint Becker. „Das ist so schildbürgermäßig“, schüttelt er den Kopf.
Politisch, so ist sich der Linzer Bürgermeister und Vorsitzende des Abwasserzweckverbands sicher, „war das damals die richtige Entscheidung. Aber nun ist die Anlage wirtschaftlich am Ende. Es ist wirtschaftlich nachvollziehbar, dass wir die Anlage stoppen, weil das Endprodukt nicht eingeführt werden darf – quasi als Kostenbremse.“ So spare man sich die teure Klärschlammtrocknung sowie den Pyrolyse-Prozess – beides kostet mehrere Hunderttausend Euro im Jahr, rechnet Becker vor. Und da Energie in den vergangenen zwölf Monaten ohnehin nicht mehr so günstig zu haben sei, könne man die Entscheidung noch besser begründen. „Wegen der Gaspreiserhöhung sind uns die Kosten entgleist“, schaut Becker auf die tiefroten Zahlen der sich nun noch weniger rechnenden Anlage.
Funken Hoffnung bleibt
Und nun? Becker kündigt an, dass man den Klärschlamm in Unkel in Zukunft anders nutzen wird – und zwar wie 95 Prozent aller Kommunen. „Wir werden den in die Müllverbrennung geben“, sagt er resigniert.
Beckers Amtsvorgänger Fischer sieht in der nun beschlossenen Stilllegung nicht das Ende der Fahnenstange. „Es ist noch nicht der Zeitpunkt, wo man sagen muss: Jetzt packen wir komplett zusammen“, sagt er mit Blick auf die laufenden politischen Einflussmöglichkeiten. Vielleicht bringt ja diese Schiene doch noch einen Funken Hoffnung und die Pyreg-Anlage kann reaktiviert werden.