1Die Veranstaltung: Die Asbacher Grünen hatten für Freitag, 23. Februar, zu einer Infoveranstaltung für die Aufstellung einer Wahlliste ins Asbacher Bürgerhaus eingeladen (wir berichteten). Dem Aufruf waren etwa zwei Dutzend Interessierte gefolgt, die sich bei den Grünen engagieren wollten.
Doch im Vorfeld war die Einladung auch in Whatsapp-Gruppen von Landwirten und anderen Personen gelandet, berichtet die Führungsriege der Grünen im Gespräch mit der RZ. Eine Demo gegen die Veranstaltung sei angekündigt worden – und habe auch stattgefunden. Dutzende Personen aus der Region mit Traktoren und anderen Fahrzeugen sammelten sich am Sportplatz und fuhren unter lautem Hupen vor das Bürgerhaus.
Die Situation drohte zu kippen
Dort angekommen, verlangten sie Eintritt in den Raum, in dem sich die Grünen für die Wahl formieren wollten. Es kam zu tumultartigen Szenen, die Situation drohte zu kippen, man fühlte sich bedroht, so berichtet die Führungsriege der Grünen. Doch die Situation konnte aufgelöst und deeskaliert werden, es kam am Ende zu einem friedlichen Austausch. Dass im Nachgang jedoch noch weitere Dinge vorfallen sollten, habe sie überrascht, so die Asbacher Grünen.
Unter anderem ist von einer Person heimlich ein Handyvideo aufgenommen worden. Dies wurde nach der Veranstaltung auf der Plattform Tiktok veröffentlicht. Tenor: Die Grünen hätten öffentlich eingeladen und dann an der Tür versucht, die Landwirte am Betreten des Raumes zu hindern. Die Anfertigung und Veröffentlichung dieses Videos, auf dem Personen aus den Reihen der Asbacher Grünen zu sehen sind, sind rechtlich schwierig. Stichworte: Persönlichkeitsrecht sowie Recht am eigenen Bild.
Justiziable Kommentare
In der Kommentarspalte des mittlerweile knapp 40.000 Mal aufgerufenen Videos gibt es unter den mehr als 400 Kommentaren einige Äußerungen, die in eine gewisse Richtung gehen und durchaus justiziabel sind. Von „Grüne Faschisten“ über „Geheimtreffen der Grünen! Wählt die AfD, Leute“, „Gülle rein“, „Grüne Sekte“ bis hin zu „Benzinkanister rein … anzünden und Tür abschließen“ ist einiges dabei, das deutlich Frust und Aggressionen offenbart und eventuelle Fehltritte grüner Politik auf Bundes- und Landesebene auf die kommunale Ebene projiziert.
„Wir sind nun definitiv eingeschüchtert“, sagen die Asbacher Grünen auf Anfrage unserer Zeitung. Sie betonen noch einmal, dass es sich bei der Veranstaltung nicht um einen offenen Bürgerdialog gehandelt habe, weshalb das versuchte Eindringen durch die Demonstranten „ein Unding“ gewesen sei: „Wir haben nur Menschen aus Asbach eingeladen, die für eine grüne Liste kandidieren wollen.“ Derzeit sehe man daher von weiteren Veranstaltungen ab, so die Asbacher Grünen. Vor allem die Eskalation im Netz macht den Grünen, die erstmals eine Liste für den Asbacher Gemeinderat aufstellen, Angst.
Warum schritt die Polizei nicht ein?
Kritik übt die Führungsriege sowohl am Verhalten der Polizei als auch am ungefragten Filmen und Zurschaustellen auf Tiktok. Es habe mehrere Anfragen im Nachhinein an die Polizei Straßenhaus gegeben, „warum man die unangemeldete Versammlung nicht bereits am Sportplatz aufgelöst hat“. Die Antworten seien dürftig ausgefallen: „Es ist ja nichts passiert“, so soll es sinngemäß mündlich von der Polizei gesagt worden sein. Wegen der Anfertigung des Videos und den teils hetzenden Kommentaren erwägen die Grünen derzeit eine Anzeige, auch wenn die Gefahr besteht, dass diese im Sande verläuft.
2Die Landwirte: Nur, wer waren die Demonstranten? Waren es wirklich allesamt Landwirte aus Asbach? Die RZ hat mit einem Teilnehmer gesprochen, der anonym bleiben möchte. Er und ein paar andere Landwirte aus dem Ort hätten sich über eine Whatsapp-Gruppe verabredet, zu der Veranstaltung der Grünen zu fahren. Das Ziel sei es gewesen, sich in den Saal zu setzen und zuzuhören, was die Grünen in Asbach vorhaben, so der Landwirt. „Uns geht es um die Themen der Landwirte“, sagt er und verweist auf die Themen Umgang mit dem Wolf und Freiflächenfotovoltaik auf guten Landwirtschaftsflächen.
Dass die Situation an der Tür fast eskaliert sei, habe am Verhalten der Grünen gelegen, betont der Landwirt. Man habe versucht, die Besucher hinauszuwerfen, sei „ausgeflippt“. „Das fanden wir nicht in Ordnung, da waren wir nicht drauf vorbereitet“, sagt der Teilnehmer. Die im Handyvideo gezeigte Situation an der Tür habe er nur am Rande mitbekommen. Diese zeige aber nicht alles: Anschließend kam es auch nach Eintreffen von Ortsbürgermeister Franz-Peter Dahl und der Polizei zu einem Austausch, bei dem die Landwirte auf Flipcharts ihre Themen schreiben und den Grünen mitgeben konnten. Krawall und Handgreiflichkeiten habe es von ihrer Seite nicht gegeben, betont der Landwirt.
Landwirte distanzieren sich klar von Netz-Hetze
Neben ihm und seinen Kollegen seien auch Personen aus dem Kreis Altenkirchen sowie dem Rhein-Sieg-Kreis an dem Abend im Bürgerhaus gewesen. Vom Sehen her kannte man sich, sagt der Asbacher Landwirt. „Das sind alles Leute, die mit Asbach zu tun haben“, betont er – aber nicht alles Landwirte. An der Erstellung und Verbreitung des heimlich aufgenommenen Handyvideos seien er und seine Kollegen nicht beteiligt gewesen, stellt er klar. „Das Video ist nicht gut. So was geht nicht, Leute im Netz offen zur Schau zu stellen. Damit hatten wir nichts zu tun“, sagt der Teilnehmer.
Auch Hans-Peter Hallerbach, der stellvertretende Vorsitzende des Kreisbauernverbandes und ebenfalls aus Asbach, verurteilt die Hetze im Netz. Er selbst distanziert sich grundsätzlich von solchen Aktionen. Es habe sich nicht um eine offizielle Demonstration des Verbandes gehandelt, im Vorfeld habe er auch nichts davon gewusst, dass einige Landwirte zur Veranstaltung der Grünen fahren wollen.
Störungen in St. Katharinen und Leutesdorf
3Die Folgen: Nach dem Vorfall in Asbach ist es in den vergangenen Wochen auch bei ähnlichen Veranstaltungen der Grünen im Kreis zu Aktionen gekommen, wie der Vorstand der Kreisgrünen auf Anfrage unserer Zeitung bestätigt. Sprecher Holger Wolf, ebenfalls Vorsitzender der Grünen für Linz, Unkel und Bad Hönningen, berichtet von Personen, die bei Grünenveranstaltungen in Leutesdorf und St. Katharinen aufgetaucht seien, „mit der Absicht, zu stören“.
„In Leutesdorf sind etwa 15 Personen zu uns in den Saal gekommen. Niemand davon kam aus Leutesdorf. Es war kein Protest von Landwirten“, betont Wolf. Ein Tumult sei in Leutesdorf ausgeblieben, jedoch sei ein an der Mitarbeit bei den Grünen Interessierter „inakzeptabel angegangen“ worden, so der Sprecher. Und: Die Störer hätten sich nicht für Ortspolitik in Leutesdorf interessiert, sondern Parolen wie „Corona hat es nie gegeben“, „Die Presse ist gelenkt“ oder „Grüne zersetzen“ von sich gegeben. „Es war mit Sicherheit kein konstruktiver Austausch“, sagt Holger Wolf.
Platzverweise durch die Polizei
Wenige Tage später ähnliche Szenen in St. Katharinen: Hier kamen gerade einmal fünf Personen zum Stören, von denen er einen aus Leutesdorf wiedererkannte, berichtet der Grünenpolitiker. Bei dieser Veranstaltung hätte man auf Empfehlung der Landesgrünen im Vorfeld die Polizei informiert, so Wolf. Diese sei auch mit zwei Fahrzeugen vor Ort gewesen. „Wir wollten keine Störungen zulassen. Wir haben von unserem Hausrecht Gebrauch gemacht. Die Polizei hat auch Platzverweise ausgesprochen“, berichtet Wolf von respektlosem Verhalten gegenüber der Polizei seitens der „Demonstranten“. Landwirte seien es auch hier nicht gewesen.
„So etwas hat es noch nie gegeben. Ich bin seit 2011 bei den Grünen dabei“, erklärt der Sprecher. Bei Dialogveranstaltungen sei ein konstruktiver Austausch natürlich in Ordnung, jedoch seien die gestörten Veranstaltungen nicht als Bürgerdialoge, sondern als Information für an den Grünen und ihren Wahllisten Interessierte gedacht gewesen. Eingeschüchtert sei man nun auf Kreisebene nicht, so Wolf, doch die Furcht der Asbacher Mitglieder könne er verstehen.
Zulauf für die Partei
Auf der Kehrseite, so Wolf, hätten diese Protestaktionen zu einem Zulauf für die Grünen im Kreis geführt. 20 Mitgliedsanträge habe es im Februar gegeben. Es vergehe kaum eine Woche ohne Antrag. „Die Leute wollen sich einbringen. Sie stören sich am Grünen-Bashing. Aber der Grund dafür ist kein schöner“, so Wolf nachdenklich.
Im Asbacher Fall gibt es auch Versöhnliches: Wie die RZ sowohl von den Grünen als auch vom Asbacher Landwirt erfahren hat, stehe man im Austausch – ebenso wie mit den anderen Parteien aus dem Ort. Man möchte sich rund um die Kommunalwahl zusammensetzen und die Themen der Landwirtschaft in die Gesellschaft tragen. Das, so ist der anonyme Teilnehmer überzeugt, „ist der richtige Weg“.
Was die Behörden zu den Geschehnissen sagen
War diese Versammlung am Sportplatz mit anschließendem Korso ans Bürgerhaus rechtens? Die Kreisverwaltung als zuständige Behörde teilt auf Anfrage der RZ mit, dass grundsätzlich aufgrund des Versammlungsrechts spontane Zusammenkünfte unter freiem Himmel erlaubt sind. Zur Erinnerung: Spontan sei dies aber nicht gewesen, es kursierten Absprachen in Chatgruppen. Dann wiederum, so die Kreisverwaltung, hätten die Organisatoren ihre Demo anmelden müssen. „Dies ist nicht geschehen“, so der Kreis. Als Konsequenz erfülle das geplante Treffen somit einen Straftatbestand und sei somit Sache der Polizei, so der Kreis abschließend.
Die Pressestelle des Polizeipräsidiums Koblenz bestätigt auf Anfrage unserer Zeitung, dass derzeit ein Prüfverfahren zu den Geschehnissen am Abend des 23. Februar in Asbach läuft. Grundlage dafür sei ein Schreiben der Grünen an die Behörde. Das Tiktok-Video sei ebenfalls in dieser Überprüfung enthalten. Ergebnisse der Überprüfung lagen zum Zeitpunkt der Anfrage unserer Zeitung noch nicht vor. Diese werden in den nächsten Tagen erwartet. drü