Dass die Betreuung der Kinder bei Weitem nicht wie in Vorcorona-Zeiten abläuft, bestätigen sowohl die Gesamtleiterin der städtischen Kindertagesstätten in Neuwied, Anke Dierdorf, als auch Eva Schlaf, Öffentlichkeitsreferentin der katholischen Kita gGmbH, in deren Trägerschaft sich elf Kitas mit insgesamt 935 Plätzen im Kreis befinden. Man habe kein einheitliches Betreuungskonzept erarbeitet, sondern sei individuell vorgegangen. „Alle Einrichtungen haben ihr individuelles Konzept, da der quantitative Rahmen von den zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten, wie der Anzahl der Gruppen und Nebenräume, Anzahl der Waschräume in den Kitas sowie der Anzahl des zur Verfügung stehenden Personals abhängig ist“, sagt Dierdorf. Und auch Schlaf erklärt, dass aufgrund des „Raumangebots, des zur Verfügung stehenden Personals und der Bedarfe der Eltern“ es nicht möglich war, „ein einheitliches Konzept zu entwickeln.“
Die Herausforderung sei daher gewesen, die Betreuungssettings standortabhängig anzupassen. Unter Betreuungssetting versteht man laut Bildungsministerium eine soziale Gruppe von Kindern, die regelmäßig in gleicher Zusammensetzung in klar definierten Räumen betreut wird. „In der Praxis bedeutet dies, die pädagogischen Konzepte mussten verändert werden, Bezugserzieher wechseln, das Außengelände kann nicht von allen Kindern zur gleichen Zeit bespielt werden und Waschräume mussten geteilt werden“, verdeutlicht Dierdorf.
Eva Schlaf erklärt die Anpassung von Betreuungssettings am Beispiel zweier Standorte: „In einer der Kitas wurde zunächst den Schulkindern in kleineren Gruppen die Möglichkeit eröffnet, sich regelmäßig in der Kita zu treffen und einen Abschluss für die Kita-Zeit zu finden. Zeitgleich wurden Gruppen für die Kinder aus Familien mit erhöhtem Betreuungsbedarf angeboten und den übrigen Kindern ein Besuch an einzelnen Nachmittagen in der Woche ermöglicht.“ In einem anderen Konzept wurden laut Schlaf die ursprünglichen Stammgruppen unter Berücksichtigung der maximalen Anzahl von Kindern pro Setting wieder eröffnet. Dabei wurden die Kinder nochmals in zwei Gruppen unterteilt: Der eine Teil der Kinder kann an 2,5 Tage kommen, der andere Teil an den anderen 2,5 Tagen.
Durch die geänderten Rahmenbedingungen verändert sich auch der Alltag der Kitakinder drastisch. So kann es vorkommen, dass Kinder nicht mit ihren Freunden spielen können, da sie in unterschiedlichen Settings sind. Außerdem können sie oft auch nicht selbst bestimmen, wann sie nach draußen gehen. Und auch die jeweiligen Bezugserzieherinnen sind aufgrund des Corona-Dienstplans oft nicht greifbar.
Zumindest das letztgenannte Problem versucht die Stadt Neuwied nach Kräften abzufedern. „Seit dem eingeschränkten Regelbetrieb wurden alle Kolleginnen wieder aus dem Homeoffice zurückgeholt, da wir nun jede für die Betreuung benötigen“, sagt Dierdorf. Laut der Stadt sind mittlerweile wieder fast alle 170 Mitarbeiterinnen im Einsatz, abzüglich derer, die zur Risikogruppe gehören. Die Kita gGmbH verfährt ähnlich, Mitarbeiter die zur Risikogruppe gehören, müssen laut Schlaf aber noch im Homeoffice bleiben.
In den Kitas selbst gilt es nun wiederum, alle Hygienevorschriften bestmöglich einzuhalten. Laut Eva Schlaf wurde das Personal der Kitas der Kita gGmbH durch die jeweilige Leitung geschult. Man achte nun auf verstärktes Abstandhalten, reinigen von Flächen, regelmäßiges Händewaschen sowie Stoßlüften. „Da es in den Kitas generell ein Hygienekonzept gibt, mit dem die Mitarbeitenden vertraut sind und in dem sie wiederkehrend geschult werden, sind die zusätzlichen Maßnahmen aufgrund der Corona-Pandemie nur eine Erweiterung“, sagt Schlaf.
Deutlich kritischere Worte zur Umsetzung der Hygienekonzepte findet hingegen Anke Dierdorf: „Zur Schulung blieb fast keine Zeit. Hier ging es zum einen über das Selbstaneignen und zum anderen haben wir Glück, dass es bei der Stadt ein ausgezeichnetes Gesundheitsmanagement gibt, das uns mit Rat und Tat zur Seite stand.“
Die größte Herausforderung der jüngsten zwei Wochen war für die Mitarbeiter aber wohl kaum die Umsetzung der Hygienerichtlinien, sondern die Kinder an den neuen ungewohnten Alltag zu gewöhnen. Auch Kinder haben in den vergangenen Monaten Sorgen und Ängste entwickelt, die es nun abzubauen gilt, erklärt Dierdorf: „Für Kinder bedeutet ein negatives Erlebnis, dass sie ihren Freund oder Freundin nicht sehen konnten, oder das Spielzeug nicht zur Verfügung stand, oder, der Papa traurig war, dass er nicht arbeiten durfte. Werden solche für ein Kind wichtige Dinge erzählt, wird es vom pädagogischen Personal aufgegriffen, besprochen und bei Bedarf die Eltern hinzugezogen. Wichtig ist, dass man gut hinhört, auf das, was Kinder, aber auch Eltern erzählen.“
Aus den städtischen Kitas hört Dierdorf auch immer wieder, dass sich in den zurückliegenden Monaten Sprachbarrieren bei Kindern mit Migrationshintergrund entwickelt haben: „Aus den Kitas wird berichtet, dass den Kindern die deutsche Sprache wieder stärker erlebbar gemacht werden muss.“ Die Familien mit Migrationshintergrund waren, wie die deutschen Familien auch, stark in ihrem eigenen Familiensetting. Sicherheit und Geborgenheit würden über die Sprache gelebt und daher sei es verständlich, dass die Familien untereinander in ihrer eigenen Sprache gesprochen haben. „Aber die Kinder holen das schnell auf.“
Auch Eva Schlaf ist sich sicher, dass dieser Umstand kein unlösbares Problem darstellt: „Im Kindergartenalter gelingt es Kindern sehr schnell und spielerisch, Sprachen zu erlernen. Defizite, falls es diese geben sollte, können nach ein paar Wochen aufgeholt werden.“