Als Franziska Schutzbach beschloss, ihrem viel beachteten Erstling „Die Erschöpfung der Frauen“ eine weitere Publikation folgen zu lassen, war die renommierte Schweizer Soziologin von einer ganz klaren Vision beseelt. Kein Sachbuch sollte es diesmal werden, sondern eine Huldigung an innige, aber durchaus auch kontroverse Frauenfreundschaften, an den weiblichen Mut zum Widerstand gegen das Patriarchat und nicht zuletzt an die lebenserhaltende Bedeutung von Pflege, Fürsorge und Liebe, die Frauen durch die Jahrhunderte hinweg unbezahlt in ihr Lebensumfeld eingebracht haben.
Gleichstellungsbeauftragte und Initiative Wir Westerwälder luden ein
Bewegende Themen, die die Autorin schließlich in ihrem Werk „Revolution der Verbundenheit – Wie weibliche Solidarität die Gesellschaft verändert“ aufgearbeitet hat. Das Ergebnis stellte Franziska Schutzbach nun im Rahmen einer Lesung im „Alten Bahnhof“ Puderbach vor, zu der die Gemeinschaftsinitiative Wir Westerwälder in Kooperation mit den drei Gleichstellungsbeauftragten der Landkreise Altenkirchen, Westerwald und Neuwied eingeladen hatte.

Und wie es die Umstände zahlreicher Verhinderungen wollten, blieben Sandra Köster (Vorständin Wir Westerwälder) und die Gleichstellungsbeauftragten Julia Bieler (Kreis Altenkirchen) und Beate Ullwer (Westerwaldkreis) mit ihren rund 25 Besucherinnen im kleinen, feinen, vor allem aber männerfreien Kreis unter sich. „Man muss sagen, das ist Frauenpower“, scherzte Sandra Köster, die die Runde herzlich begrüßte, gute Wünsche der drei Landräte überbrachte und darauf hinwies, dass die Idee zur Lesung ursprünglich von der an diesem Abend erkrankten Gleichstellungsbeauftragten Daniela Kiefer (Kreis Neuwied) stammte.
Statt „Glitzer-Frauenbuch“ eine wissenschaftliche Analyse
„Wir Frauen kennen die Lebenswirklichkeiten und den Spagat zwischen Job, Kind, Haushalt und der Pflege von Angehörigen und wissen, dass die Anforderungen gestiegen sind“, betonte Köster im Namen ihrer Mitstreiterinnen. Deshalb freue man sich besonders über Franziska Schutzbachs Besuch. Es zeigte sich, dass die Autorin eine unkonventionelle Dramaturgie für ihre Lesung gewählt hatte – und die bot sich auch an, da Schutzbach kein leseleichtes „Glitzer-Frauenbuch“ verfasst hat, sondern tiefgründige wissenschaftliche Analyse mit emotionalen, persönlichen Erkenntnissen verbindet.

Die Soziologin entführte „ihre“ Frauen zunächst in die komplexen Gedankengänge, die zur Entstehung des Buches geführt hatten. Ein Exkurs im freien Erzählstil, bei dem die Besucherinnen der Genderforscherin viel näher kamen, als es eine reine Lesung möglich gemacht hätte. Mit ihrer warmen, freundlichen Stimme sprach die Autorin im Rückblick und in der Gegenwart über die Freiheit, die sich Frauen im Verbund und gegen Widerstände erkämpften, und umriss die traditionell teils noch immer als defizitär eingestufte Rolle der Frau in Beruf und Familie. Sie beschrieb, dass feministische Revolutionen fast immer still, langsam, im Kollektiv und ohne „klassische Heldinnen“ vorangegangen seien, und betonte, dass „es ohne Solidarität keine Freiheit für Frauen gibt“.
Persönliche Briefe sind Teil des Buches
Die Autorin erzählte aber auch von ihrer eigenen Prägung durch die Frauen im Familien- und Freundeskreis und von den Briefen, die sie den fünf Kapiteln ihres Buches vorangestellt hat. „Man kann auch nur diese Briefe lesen“, sagte Schutzbach lächelnd im Hinblick auf die Anteile an Rechercheergebnissen, auf die sie in ihrem Buch natürlich nicht verzichten wollte und konnte.

Nun las die Autorin exemplarisch doch noch ein wenig vor – aus den Zeilen an ihre Freundin, die sie aufgrund gänzlich unterschiedlicher Lebensentwürfe verloren und schließlich wiedergefunden hat, oder aus dem Brief an ihre Tante, die mit 17 Jahren ganz allein eine stümperhaft ausgeführte Abtreibung hat durchstehen müssen. Am Schluss rief Schutzbach die Frauen dazu auf, Konkurrenzierung, Spaltungen in Privatleben und Beruf, aber auch ihre eigenen sexistischen Prägungen aufzuspüren. Dann sei der Weg frei für eine neue, befreiende Verbundenheit.