Die Ausstellung "Verwandlungsmöbel" im Roentgen-Museum
Ausstellung „Verwandlungsmöbel“ im Roentgen-Museum: Eine neue Perspektive auf Altbekanntes

Erstes Exponat der Ausstellung ist nicht, wie deren Titel „Verwandlungsmöbel“ vermuten lassen könnte, ein raffiniertes Möbelstück aus der Neuwieder Werkstatt der Kunsttischler Abraham und David Roentgen, sondern - ein Bild.

Genauer: eine der im Biedermeier beliebten Bilderuhren. Geschaffen hat das Bild, eine Ansicht von Neuwied und Weißenthurm, um 1825 der Koblenzer Maler Johann Baptist Bachta. Im ehemaligen Zollturm, dem „Weißen Turm“, ist das Zifferblatt einer funktionstüchtigen Uhr eingelassen. Die Bilderuhr ist eines der Exponate aus Sammlung und Magazin des Roentgen-Museums, die die drei Künstler, die das Konzept für die Ausstellung erarbeiteten, auswählten, Exponate, auf die sie selbst mit eigenen Arbeiten Bezug nehmen. „Der Faktor Zeit und Zeitlichkeit war für uns ganz wichtig“, meint die in Braunschweig lebende Ani Schulze.
Wie ihre beiden Kollegen, wie der in seine Geburtsstadt Neuwied zurückgekehrte Elmar Hermann und der Fotograf Christoph Westermeier, wurde sie in den 1980er-Jahren geboren und studierte unter anderem an der Kunstakademie Düsseldorf.

Vertrautes so aufbereiten, dass es zur (Wieder-)Entdeckung verlockt

Der Faktor Zeit: Der drängt sich allenthalben beim Gang durch die Ausstellungsräume auf. Denn das kreative Trio hat auch einen schweren gusseisernen Kerzenleuchter, eines der letzten Stücke aus der Sayner Hütte, versehen mit abgebrannten (!) Kerzen und die gewöhnlich verdeckten Vitrinen mit archäologischen Funden, mit Schmuck und Werkzeugen, wieder ans Tageslicht geholt. Selbst das männliche Skelett aus einem Grab der rheinischen Becherkultur darf sich einmal unverhüllt zeigen, bestes Symbol der Vergänglichkeit von Zeit.

Genau das entspricht, wie Hermann meint, der Intention des Künstlertrios, wie die Absicht, neue Perspektiven auf das Museum, auf seine Sammlungen, seine Räume zu eröffnen, Vertrautes so aufzubereiten, dass es zur (Wieder-)Entdeckung verlockt. Dazu tragen auch Hermanns eigene Arbeiten bei, Gitter, die mitten im Raum aufgerichtet sind, die Raum ab- und eingrenzen. Das Material ist gezielt auf heute gerichtet und prosaisch, Stabmatten aus dem Baumarkt, zu Modulen geschnitten und zu Formen angeordnet, die an ein Zwerchfell erinnern und wie dieses eine unterstützende Funktion übernehmen.

Erfrischender Perspektivwechsel

Gleichzeitig werden sie zum Durchsicht nicht nur erlaubenden, sondern provozierenden Display für die Arbeiten von Schulze und Westermeier. Durchsichten erlauben auch die aus textilen Materialien, eingenäht in Netzstoffe, oder als Bild auf einem transparenten Träger gestalteten Arbeiten Ani Schulzes, Materialien und Motive mit Bezügen zu ihrer eigenen Biografie, einem Aufenthalt in Brüssel, einem anderen in Paris, zu Zeiten des ersten Lockdowns. Unter den Pariser Materialien fällt der Schriftzug „Reine“, Königin, ins Auge. Tatsächlich gehörte eine Königin, gehörten auch Marie Antoinette und ihr Gemahl Ludwig XVI. zu den prominenten wie zahlungskräftigen Kunden der Roentgen-Werkstatt. Auf die Roentgens bezieht sich direkt Christoph Westermeier in seinen mit Überlagerungen und Ersetzungen spielenden Fotografien.

Da taucht als Motiv auch ein Verwandlungstisch auf, kombiniert mit den Veränderung und Bewegung auf andere Art signalisierenden Füßen Ani Schulzes. In einer Fotoserie greift der Künstler auf eine Publikation Dietrich Fabians, des Roentgen-Spezialisten schlechthin, zurück, auf seinen „Goethe – Roentgen“ betitelten Beitrag zur Kunstmöbelgeschichte des 18. Jahrhunderts. Westermeier kombiniert Ausschnitte daraus mit Aufnahmen eines Spaziergangs durch die Stadt, schafft Kombinationen, lässt Vertrautes verwirrend neu erscheinen. Da werden selbst die Fotoalben Fabians, bisher noch nie ausgestellt, zum Spielmaterial, stellt sich den prunkvollen Löwenfüßen einer Roentgen-Kommode der verbundene, von Schulze im Foto festgehaltene Fuß entgegen. Verwandlungsmöbel? Selbst wenn sie nur sporadisch in der Ausstellung auftauchen, gaben sie den Anstoß für eine Zeiten überspringende, kreative Verwandlung des Museums und seiner Ausstellungsräume als Ganzes, zu einem erfrischenden Perspektivwechsel.

Die Ausstellung im Roentgen-Museum, Raiffeisenplatz 1 a, ist bis 10. Oktober zu sehen, dienstags bis freitags, 11 bis 17 Uhr, und samstags und sonntags, 14 bis 17 Uhr.

Von unserer Mitarbeiterin Lieselotte Sauer-Kaulbach

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