Eigentümer und Vorstandsmitglied Safa Bayar Yavuz, der Leiter der Geschäftsentwicklung Fred Häring und der Architekt Osman Erdogan wärmen sich im Pförtnerpavillon an Kaffee, den der freundliche Mitarbeiter verteilt. Und schon ist man mitten im Gespräch.
Eigentümer Safa Bayar Yavuz – milder, aber ernster Blick, mittleres Alter – zeigt am Tablet, worauf er stolz ist: großformatige Aluminiumskulpturen unter anderem von Lorenzo Quinn, dem Sohn von Anthony Quinn. Motive zweier gigantischer Hände oder auch eine Schrift aus den Worten „Love/Hate” erscheinen auf dem Bildschirm. Die bei Asas produzierten Skulpturen sind auf öffentlichen Plätzen installiert, glänzen verführerisch in der Sonne Istanbuls. Man möchte sie am liebsten anfassen, so glatt poliert schimmern ihre silbrigen Oberflächen. Aufbruchsstimmung und Alles-ist-möglich-Optimismus strahlen aus den Kunstwerken.
Raum für großformatige Arbeiten
Für den Neuen Kunstverein Mittelrhein, kurz NKM, stellt Asas die Räume zur Verfügung: Eine Kunsthalle und Ateliers für ein Künstlerresidenzprogramm sollen in den alten Hallen entstehen. Das Besondere: Der Atelierbereich kann zur Fertigung großformatiger bildhauerischer Arbeiten genutzt werden, etwa unter Verwendung der Werkstoffe Keramik, Glas, Aluminium und Eisen. Auch das renommierte Institut für Künstlerische Keramik und Glas (IKKG) aus Höhr-Grenzhausen ist mit an Bord.
Hermann, zurzeit Gastprofessor am IKKG, führt über das Gelände. Die Tour gleicht einem Zeitsprung. „Das Industriegebiet ist eines der ersten in Deutschland gewesen”, erzählt er. Deswegen sei der Ort „identitätsstiftend” für die Menschen. Die halbe Stadt habe hier gearbeitet, so der gebürtige Neuwieder. „Aufgeräumt ist es”, erklärt Hermann beim Betreten des kargen Inneren. „Bis vor zwei Wochen lag hier noch alles rum, demnächst wird die Halle umgebaut. Das Dach muss komplett ausgewechselt werden, auch das Beleuchtungssystem, aber die Struktur wollen wir erhalten. Also diese Dimension, die Höhe.”
Großformatige Werke sollen hier entstehen und gezeigt werden. „Wir wollen dafür internationale Künstler einladen.” Die Hochschule Koblenz werde einen großen Keramik- und Asas den Aluminiumofen einbauen. Die neue Ausstellungshalle und die Ateliers sollen sich schonend in die bestehende Architektur fügen. Neu hinzukommen werde ein Café mit Terrassenblick auf die Wied, die dicht am Fabrikfenster vorbei strömt.
Hermann, der mal „ein Studio in New York” hatte, fühlt sich an das Kunstmuseum Dia:Beacon erinnert, „etwas nördlich gelegen am Hudson River konnte man immer Landkunst sehen. Denn die braucht Platz.” Ebenfalls in den USA erfahren hat er, dass man Deutschland um Kunstvereine als nicht kommerzielle Orte für Kreative beneidet.
Hermann hat sich verschiedene Kunstvereine mit seinen Studierenden aus Höhr-Grenzhausen angeschaut. In Köln, in Siegen. „Mit diesen Erfahrungen wollen wir hier den NKM aufbauen.” Stets spricht er von „wir“. „Der Kunstverein wird wie ein Kollektiv geplant, aber mit einer Leitung. Es ist wichtig, dass sich jemand für das Programm verantwortlich fühlt.” Der 44-Jährige wird sich beim Vorstand um diese Position bewerben, die aber mit Verfallsdatum versehen sein müsse. Das sei ihm wichtig.
Dass es einen Kunstverein in der Region braucht, überrascht derweil viele. Es gäbe doch schon die Arbeitsgemeinschaft bildender Künstler am Mittelrhein (AKM), bekommt der Initiator oft als Antwort. „Aber das stimmt nicht, nicht wie ich ihn meine”, sagt er selbstbewusst. „Es gibt nur Künstlervereine mit von Künstlern betriebenen Ausstellungen.” Die möchte Hermann nicht ersetzen, sondern ergänzen. Wichtig sei ein freies kuratorisches Programm. Nur so erreiche man Qualität. Und Internationalität. Und wecke nicht nur regionales Interesse. „Denn ein internationales Programm gibt es hier nicht.” Diesen Standard erfülle in Rheinland-Pfalz nur der Kunstverein Ludwigshafen.
Hermann, der Meisterschüler bei Künstlerin Rita McBride war und sie vier Jahre lang an der Akademie in Düsseldorf vertrat, weiß, wovon er spricht. Qualität in der Kunst versucht er seinen Studierenden beizubringen, sogar Schülern eines Neuwieder Gymnasiums, wo er ebenfalls lehrt. In die Deichstadt zog es ihn vor drei Jahren aus familiären Gründen, wie er sagt. Bereits im vergangenen Jahr organisierte er auf dem ehemaligen Rasselstein-Gelände die viel beachtete Ausstellung „Werk“.
Interesse an Zwischenräumen
Ein Kunstwerk von ihm, „Don Carlos”, steht in einem hinteren Bereich der Halle: eine Form, die den Raum zwischen zwei einander zugewandten menschlichen Profilen füllt. Zwischenräume wie dieser interessieren ihn. Was sich zwischen Vater und Sohn in „Don Carlos” kommunikativ abspielt, wird durch seine künstlerische Arbeit mit den Händen greifbar.
Auf Basis eines Fotos von den Darstellern der Aufführung im Stadttheater Neuwied ließ Hermann ein 3-D-Modell entwickeln. Asas erstellte eine Gussform, in die Aluminium gegossen wurde. Eine nahezu identische Skulptur steht vor dem Schauspielhaus in Neuwied, allerdings ist sie nicht hohl, sondern massiv und wiegt 800 Kilogramm. „Wir mussten sie mit einem Schwertransporter ins Theater schaffen. Es gibt ein Video, wie sie im Schloss in Neuwied ankommt”, erklärt Hermann.
Bezahlt haben diese Kunst am Bau die Stadt Neuwied und das Theater. Asas übernahm die Herstellung. „Wenn du Aluminium gießt, ist es schwarz. Danach musste die Arbeit noch zwei Wochen geschliffen werden, damit sie so glänzt”, sagt Hermann. „Ich mag, dass sie jetzt hier zwischen den pragmatischen Aluplatten steht, aus denen Asas unter anderem Duschkabinen produziert.“
Der neue Kunstverein wird schließlich auch über eine Artothek unter der Leitung von Patrick Haas, Kurator des Museums Ludwig in Aachen, verfügen. Die internationalen künstlerischen Arbeiten der Artothek können gegen eine kleine Mietgebühr (ab 6 Euro im Monat) ausgeliehen werden.
Das Ausstellungsprogramm des NKM ist für das laufende Jahr bereits festgezurrt: Im Mai sollen Arbeiten der IKKG-Absolventen zu sehen sein, im Juni ist dann eine Artothek-Ausstellung geplant, im September zudem eine Schau unter dem Kultursommer-Motto „Osteuropa“.