Die Marienhaus-Gruppe ist neuer Träger des DRK-Krankenhauses in Neuwied. Damit geht für gut 550 Mitarbeitende eine Ära zu Ende, unabhängig davon, ob sie zukünftig weiterhin hier arbeiten. Und nicht nur für sie: Viele Menschen aus der Region haben hier Jahrzehnte ihres Lebens verbracht – so wie Armin Rieger, der von 1997 bis 2022 Chefarzt der Anästhesie und Intensivmedizin der DRK-Klinik Neuwied war, bevor er in Ruhestand ging. Nach einer Abschiedsveranstaltung von DRK-Mitarbeitern in dieser Woche, bei der der Mediziner in viele weinende Gesichter geschaut hatte, zieht der 69-Jährige in einem Gastbeitrag Bilanz:
„Bye bye, DRK-Krankenhaus Neuwied! Wir waren nicht die Größten, aber wir waren großartig – in vielen Bereichen. Was vor zehn Jahren noch als Aprilscherz gegolten hätte, ist heute für viele, die mit Herzblut und Leidenschaft im DRK-Krankenhaus gearbeitet haben, traurige Realität geworden. Vor über dreißig Jahren, im Januar 1994, hatte die in Mainz ansässige, gemeinnützige Krankenhaushausgesellschaft des DRK die Trägerschaft des Krankenhauses von der Stadt übernommen. Bei vielen Neuwiederinnen und Neuwiedern war es auch bis in die heutige Zeit das Neuwieder ‚Stadtkrankenhaus‘.
„Ich glaube, wir haben eine gute Medizin in all den Jahren angeboten und umgesetzt.“
Armin Rieger, ehemaliger Chefarzt der Anästhesie und Intensivmedizin im DRK-Krankenhaus Neuwied
Gleichwohl hatte sich unter der Mainzer Geschäftsführung zunächst vieles zum Guten und Besseren entwickelt. Als Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Bonn etablierte sich das DRK-Krankenhaus als feste und zuverlässige Größe in der medizinischen Versorgung der Menschen des Landkreises Neuwied. Jahrelang schrieb das DRK Krankenhaus in Neuwied schwarze Zahlen, investierte in die Bausubstanz und in die Entwicklung der medizinischen Fachabteilungen und trat so aus dem Schatten des größeren Elisabeth-Krankenhauses prägnant hervor.
Ich hatte die Ehre und die Freude, mehr als 25 Jahre in leitender Funktion in diesem kleinen und feinen Krankenhaus zu arbeiten. Ich war stolz auf unser Krankenhaus, ich liebte seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, habe mit ihnen geschuftet, gerackert, gekämpft, gestritten und gefeiert. Ich glaube, wir haben eine gute Medizin in all den Jahren angeboten und umgesetzt.

Natürlich hätten wir in manchem noch besser sein können. Aber wir waren ehrlich, aufgeschlossen und modern. Unsere Patientinnen und Patienten lagen uns am Herzen. Das eine oder andere, das vielleicht nicht optimal lief, beschäftigt mich noch heute und gab Anlass, sich weiter zu verbessern. Die Kommunikationswege in allen und zwischen allen Ebenen waren kurz und direkt, wenngleich die Dominanz Einzelner manche Teamansätze torpedierte. Gleichwohl haben wir uns alle mit diesem Krankenhaus identifiziert und für dieses Krankenhaus gelebt und gearbeitet.
Müßig bleibt die Analyse, zu welchem Zeitpunkt und wo die Geschäftsführung mit ihren Entscheidungen falsch abgebogen ist. Schwierig war sicherlich die Verflechtung mit den anderen, wirtschaftlich schwächeren DRK-Krankenhäusern in der Trägerschaft der Krankenhausgesellschaft. Schwierig war auch die anhaltend negative Fallzahlentwicklung nach der Coronakrise.
„Nun schlug und schlägt also die Stunde der Ökonomen.“
Der promovierte Mediziner Armin Rieger war 25 Jahre Chefarzt der Anästhesie und Intensivmedizin der DRK-Klinik Neuwied.
Hinzu kam der Personalmangel im Pflegebereich und im ärztlichen Bereich, der dazu führte, dass medizinische Leistungen nicht mehr angeboten werden konnten, Operationen abgesagt und Intensivbetten gesperrt werden mussten. Schließlich kam diese Gemengelage dem politischen Willen entgegen, dass es in Neuwied nur ein Krankenhaus geben solle, ganz im Sinne der ‚revolutionären‘ Gesundheitsreform, die sicherlich in weiten Teilen auch notwendig ist.
Nun schlug und schlägt also die Stunde der Ökonomen. Es werden Prozesse optimiert, Abläufe effizienter gestaltet, es werden Synergieeffekte realisiert, Potenziale freigelegt und Rationalisierungsmöglichkeiten gesucht und natürlich auch gefunden. Die Gestaltungsmöglichkeit entsprechender weiterer Sprechblasen ist unbegrenzt und reicht ins Satirische. Dies alles aber selbstverständlich einzig und alleine mit dem Ziel, die medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen, vielleicht sogar zu verbessern.

DRK-Patientinnen verlieren Arzt, der ihr Leben rettete
Schon Tage vor dem Trägerwechsel Anfang April ist ein Teil der entlassenen Chefärzte im DRK-Klinikum in Neuwied nicht mehr zu erreichen; das Telefon ist abgestellt. Für zwei Patientinnen der Neurochirurgie kann das bedrohliche Folgen haben.
Natürlich bin ich traurig, natürlich möchte Verbitterung in mir aufkommen. Das möchte ich aber nicht zulassen. Ich wünsche dem Management der Marienhaus GmbH eine glückliche und erfolgreiche Hand bei seinen zukünftigen Entscheidungen, die uns alle hier im Landkreis betreffen. Schön wäre, wenn hinter all den Erfolgskoeffizienten und Prognosefaktoren auch die Menschen gesehen würden, die diese Ziele erarbeiten, die sich aber vor allem für ihre Patientinnen und Patienten einsetzen. Mit einer hohen Wahrscheinlichkeit werden wir alle zu irgendeinem Zeitpunkt einmal Patientin oder Patient werden und der Versorgung in einem guten Krankenhaus bedürfen.“