Medizinische Versorgung
Angst vor dem Aus fürs Verbundkrankenhaus Linz-Remagen
Für das Verbundkrankenhaus Linz-Remagen läuft noch bis Mitte Mai ein Schutzschirmverfahren.
Sabine Nitsch

Was wäre, wenn das Verbundkrankenhaus Linz-Remagen tatsächlich schließen muss? Noch ist es im Schutzschirmverfahren. Wenn es keine Lösung gibt, wären medizinische Versorgung, Arbeitsplätze und das Rettungswesen betroffen.

Linz/Remagen. Überall drohen Krankenhausschließungen mit fatalen Folgen für die Menschen im Land. So auch in der Region Linz. Das Verbundkrankenhaus Linz-Remagen ist in finanzielle Schieflage geraten. Die Häuser auf beiden Seiten des Rheins sollen über ein sogenanntes Schutzschirmverfahren saniert werden. Ob das gelingt, steht noch in den Sternen. Das Verfahren läuft noch bis Ende Mai. Wenn keine Lösung gefunden wird, drohen Insolvenz und die Schließung von einem oder von beiden Häusern.

270 Betten und mehr als 300 Ärzte und Pfleger

Das Krankenhaus Maria Stern in Remagen und das Franziskus-Krankenhaus in Linz haben insgesamt 270 Betten, und knapp mehr als 300 Ärzte und Pfleger arbeiten dort. Der Wegfall des Verbundkrankenhauses würde eine dramatische Lücke in der Region hinterlassen. In der zentralen Notaufnahme werden ungefähr 9000 bis 10.000 Patienten - Unfallopfer, chirurgische oder internistische Notfälle im Jahr - versorgt. Was in Linz oder Remagen nicht geleistet werden kann, wird zum Beispiel in die Uniklinik nach Bonn, nach Neuwied oder nach Koblenz weitergeleitet. Ungefähr 7000 Patienten werden medizinisch am Ort versorgt.

Außerdem sind unter dem Dach allein des Linzer Krankenhauses diverse Kooperationspartner aus dem Bereich der Onkologie, Dialyse, Pneumologie, Radiologie oder Schmerztherapie. Diese Versorgung ist für viele Patienten geradezu überlebenswichtig, vor allem vor dem Hintergrund, dass es in der Region zu wenig Ärzte und Fachärzte gibt. Kassenpatienten müssen ohnehin meist monatelang auf Termine warten. Im Verbundkrankenhaus gibt es außerdem eine Proktologie, ein Weaningzentrum, eine Palliativstation, eine Allgemein- und Viszeralchirurgie, eine Orthopädie und eine Unfallchirurgie.

Was wäre, wenn alle diese Fälle auf die Krankenhäuser in Bad Honnef, Neuwied, Bonn oder Koblenz verteilt werden müssten? Dort sind bereits jetzt häufig keine Kapazitäten mehr vorhanden. Die mögliche Schließung würde auch einen Vorgeschmack darauf liefern, was die geplante Krankenhausreform ganz konkret für erkrankte Menschen bedeutet. Die sieht ohnehin die Schließung kleinerer Häuser vor. Behandlungen sollen auf „notwendige Kliniken“ zentralisiert werden.

Die Einschätzung, was notwendig ist, ist nicht im Detail definiert. Immerhin soll es aber um die „Sicherung und Steigerung der Behandlungsqualität“ gehen und eine „flächendeckende medizinische Versorgung soll gewährleistet werden“. Außerdem soll die Effizienz in der Krankenhausversorgung gesteigert werden, und es soll auch noch um Entbürokratisierung gehen. Patienten in der Region fragen sich besorgt, jetzt wo sie mit der möglichen Schließung ihres Krankenhauses konfrontiert werden: Wie soll die medizinische Versorgung ausgerechnet durch Schließung von Krankenhäusern gesichert werden?

Manchmal entscheiden Minuten über Leben und Tod.

Eine Schließung betrifft viele Bereiche. Dazu gehört auch das Rettungswesen. „Auf eine Zentralisierung sind wir noch nicht vorbereitet. Sie stellt den Rettungsdienst vor große Herausforderungen. Das alles ist ein strukturelles Problem“, meint ein Notarzt aus der Region, der nicht namentlich genannt werden möchte. Denn Fahrten zu weiter entfernt liegenden Krankenhäusern kosten Zeit. Wenn ein Rettungswagen aber zum Beispiel nach Köln oder Koblenz unterwegs ist, um einen Patienten in eine Klinik zu bringen, fehlt der Wagen in dieser Zeit in der Region. Notfallpatienten müssen länger warten. Zeit, die sie unter Umständen nicht haben. Manchmal entscheiden Minuten über Leben und Tod.

Ein Arzt aus dem Bad Honnefer Krankenhauses geht bei einer möglichen Schließung von Linz auch davon aus, dass andere Krankenhäuser mit Patienten „überlaufen“. Das wäre auch eine mögliche Folge der Reform. „Es ist wohl zu befürchten, dass Patienten mit Hüft- oder Knieproblemen oder was auch immer, noch viel länger auf ihre OPs warten müssen“, befürchtet er. Das sei ein kaum akzeptabler Zustand.

Häufig müssen Patienten bereits jetzt lange auf OPs warten. Durch Zentralisierung der Krankenhausreform werde sich daran erst mal auch nichts ändern. Im Gegenteil. Große Kliniken müssten ihre Kapazitäten erweitern, damit sie das Mehr an Patienten versorgen können und auch das Rettungswesen müsse aufgerüstet werden.

Es werden wohl Jahre vergehen, bis diese Ziele erreicht werden und alle Strukturen angepasst wurden. Krankenhäuser werden aber bereits geschlossen. Wer Hilfe braucht, hat mitunter ein Problem.

„Es geht um so viel mehr, als nur um eine Blinddarm-OP oder ein eingegipstes Bein.“
Ingeborg N., die selber schon Patientin Linz war

„Ich habe überhaupt kein Verständnis mehr für die weitere Ausdünnung der Kliniklandschaft. Das Argument, dass es andernorts größere Kliniken gibt und dass gespart werden muss, macht mich eigentlich nur noch wütend“, sagt Ingeborg N. (65), die selber schon im Linzer Krankenhaus mit einem Magengeschwür behandelt wurde. „Es geht um so viel mehr, als nur um eine Blinddarm-OP oder ein eingegipstes Bein“, empört sie sich.

Auch aus vielen anderen Gesprächen mit Menschen aus der Region ging hervor, dass es bei Weitem nicht nur um medizinische, sondern auch um die soziale Versorgung geht. Viele, wahrscheinlich die meisten Angehörigen, hätten keine Möglichkeit, bei ihren erkrankten Familienmitgliedern in großen zentralisierten Krankenhäusern etwa in Köln, Aachen oder auch Koblenz mal gerade eben vorbeizuschauen, um sie emotional und auch ganz praktisch zu unterstützen oder sie einfach abzuholen. „Es darf doch nicht nur ums Geld gehen. Es geht hier um Menschen und um Menschenleben“, so der Tenor unter den Befragten.

Probleme, wenn das Linzer Haus schließen müsste, sieht auch Carsten Tappel, der viele Jahre Heimleiter des Seniorenheims Christinenstift in Unkel war und jetzt als Regionalleiter der Franziskanerinnen vom heiligen Josef Seniorenhilfe, die Träger von fünf Einrichtungen der Altenhilfe ist, arbeitet. „Wir brauchen aus vielen Gründen ein erreichbares Krankenhaus. Auf dem Papier scheinen Reformen und die Zentralisierung in großen Kliniken in einigen Bereichen theoretisch sicher eine gute Idee. Etwa wenn es um Schlaganfälle, schwere Herzinfarkte oder komplizierte internistische Eingriffe geht“, meint Tappel. Die Realität sei jedoch eine andere. „Meist geht es um Notfallversorgung, vergleichsweise leichtere Fälle. Das muss vor Ort gewährleistet sein.“

Verweis auf die Linzseite

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