Zahlreiche Mitarbeiter des Unternehmens Afflerbach Bödenpresserei GmbH skandieren: „Tarifvertrag für Afflerbach“. Dazu schrillen immer wieder Trillerpfeifen. Vom Alten Bahnhof marschiert ein Teil der Afflerbach-Belegschaft geschlossen den kurzen Weg zum Otto-Afflerbach-Platz in der Puderbacher Ortsmitte. Dafür sperrte die Polizei zusammen mit dem Ordnungsamt für wenige Minuten einen kleinen Abschnitt der Mittelstraße. Auf der anschließenden Versammlung verdeutlichen Markus Eulenbach, Erster Bevollmächtigter der Industriegewerkschaft (IG) Metall Neuwied, und ein langjähriger Mitarbeiter am Mittwochmittag, wofür die Arbeitnehmer kämpfen. Schritt für Schritt soll eine gute gemeinsame Richtung für die Zukunft gefunden werden.
Schwierige Jahre des Unternehmens
Der langjährige Beschäftigte betont in seiner kurzen Rede, dass der Warnstreik unausweichlich war: „Seit 17 Jahren waren wir nicht mehr gezwungen, die Produktion stillzulegen.“ Es gibt nach seinen Worten Applaus, Trillerpfeifen ertönen wieder. Primär dreht sich das Anliegen um das Thema Tarifvertrag. In einer Pressemitteilung erklärt die IG Metall Neuwied, dass die Afflerbach Bödenpresserei bis zum Jahr 2020 ein tarifgebundenes Unternehmen in der Metall- und Elektroindustrie war. Um Kosten einzusparen, habe Afflerbach die Tarifverträge gekündigt und sei im Arbeitgeberverband „vem.die arbeitgeber“ in den Bereich ohne Tarifvertrag gewechselt: „Seitdem haben die Beschäftigten auf Tariferhöhungen in Höhe von 8,5 Prozent und weitere Bestandteile der folgenden Tarifabschlüsse verzichtet.“ Das soll ein Ende haben.
Eulenbach selbst geht zu Beginn seiner Rede an die Afflerbach-Belegschaft auf die Darstellung des Unternehmens auf der eigenen Internetseite ein. Afflerbach Bödenpresserei ist laut eigener Internetseite ein produzierendes mittelständisches Unternehmen der Metall verarbeitenden Industrie. Rund 230 Mitarbeitende verarbeiten an den Standorten Puderbach und Dernbach Schwarzbleche, Edelstähle und Plattierungen in Warm- und Kaltformen. Afflerbach ist spezialisiert auf die Herstellung von Böden, Verschlüssen sowie Sonderpressteilen und sei weltweit führender Anbieter von einteiligen, dickwandigen warm verformten Böden in höchster Qualität. Aber: „Wir haben die Sorge, dass es nicht ewig so bleibt“, untermauert Eulenbach.
Von fehlender Wertschätzung ist die Rede
Das Unternehmen ist dem Gewerkschafter zufolge in der Sanierung. Das Ziel sei wieder ein dauerhaft positives Betriebsergebnis. Er sprach von Jahren mit Verlusten. Was ihm fehlt, ist, dass die Beschäftigten im Sanierungsprozess mitgenommen werden.
Zu dem Thema äußern sich im RZ-Gespräch auch der langjährige Afflerbach-Beschäftigte, der auf der Versammlung eine Rede hält, und ein weiterer Kollege. Sie berichten davon, dass auf einer IG-Metall-Mitgliederversammlung der Afflerbach-Beschäftigten zahlreiche Ideen gesammelt und aufgeschrieben wurden. Am Ende sei im Unternehmen ein Aushang mit den Vorschlägen gemacht worden, der nur belächelt worden sei. Sie vermissen beide inzwischen die Wertschätzung bei Afflerbach.
Zukunftsfähigkeit der Firma im Blick
Beide untermauern, dass sie die Firma nicht „kaputtmachen wollen“, sondern es gehe ihnen um die Zukunftsfähigkeit. Sie und auch Eulenbach sprechen von rund einem Viertel der Afflerbach-Arbeitnehmer, die in den nächsten fünf Jahren in den Ruhestand eintreten werden. Es dauert, bis neue Angestellte in die Tätigkeit eingearbeitet sind. „Es ist ein Handwerksberuf, der lange über die Praxis erlernt wird“, betont einer der Mitarbeiter. Eulenbach ergänzt zudem, dass Afflerbach im Hinblick auf den Fachkräftemangel an der eigenen Attraktivität arbeiten muss.
Dazu zählt für die Arbeitnehmer auch eine angemessene Bezahlung, mit der sie ihre Lebenshaltungskosten bestreiten können. Die langjährigen Afflerbach-Mitarbeiter erzählen von dem einen oder anderen Kollegen, der Schwierigkeiten habe, finanziell mit der eigenen Familie über die Runden zu kommen. Das liegt beispielsweise auch an der zwischenzeitlich hohen Inflation und den deutlich gestiegenen Energiekosten.
Die Verhandlungen der IG Metall mit der Afflerbach Geschäftsführung sind kürzlich ins Stocken geraten. Neben den 8,5 Prozent Tariferhöhung haben die Beschäftigten bei den weiteren Bestandteilen bislang auf einen Großteil der Inflationsausgleichsprämie verzichten müssen, die nach dem Tarifabschluss bei 3000 Euro lag. Wie Eulenbach erklärte, zahlte Afflerbach seinen Arbeitnehmern als Inflationsausgleichsprämie bislang deutlich weniger aus, nämlich rund 2100 Euro weniger. Die ganze Inflationsausgleichsprämie ist eines der zentralen Elemente der Verhandlungen seitens der IG Metall Neuwied.
Weitere Kürzungen habe die Belegschaft in den vergangenen Jahren abseits des Tarifvertragsausstiegs immer wieder hinnehmen müssen, berichten die beiden langjährigen Mitarbeiter. Sie erwähnen hier Kürzungen bei der Wärmezulage für die Arbeit am Hochofen oder auch der Akkordzulage.
Ein Vorschlag von Eulenbach an die Afflerbach-Geschäftsführung ist, dass es einen Tarifunterschied zwischen der Belegschaft geben kann, die in der IG Metall Mitglied ist, und der, die es nicht ist, wenn „das Budget begrenzt ist“, sagt Eulenbach. Rund die Hälfte der Afflerbach-Beschäftigten seien Mitglieder in der IG Metall. Bislang sei dieser Vorschlag abgelehnt worden. Neuangestellte erhalten aktuell, so Eulenbach, nicht tarifgebundene Verträge.
Reaktion des Geschäftsführers
Afflerbach-Geschäftsführer Oliver Feinauer zeigte sich in einem ersten Statement vom Warnstreik sichtlich überrascht: „Wir befinden uns derzeit in Verhandlung. Wir befinden uns auf einem guten Weg. Wir haben in der letzten Verhandlung ein gutes Angebot vorgelegt, und es gibt bereits einen nächsten Verhandlungstermin.“ Und er ergänzt: „Wegen des positiven Verhandlungsverlaufs haben wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht mit einem Streik gerechnet. Wir hätten gern die bisherigen konstruktiven Verhandlungen ohne Streikmaßnahmen weitergeführt.“ Wie es ausgeht, bleibt offen. „Die nächste Verhandlung ist am 12. April“, sagt Eulenbach. Einen Tag später ruft die IG Metall Neuwied zur Mitgliederversammlung auf. Sie wollen eins, wie in Puderbach immer wieder skandiert wird: „Back to (zurück zum) Tarif“.