80 Jahre nach der Flucht
Ade, ostpreußische Heimat: Thalhausener erinnert sich
Dagmar Kopper und Armin Bellmann erinnern sich.
Charley Burke

Als Fünfjähriger musste Armin Bellmann im Winter 1944/45 aus Ostpreußen fliehen. Zwei Monate lang war er mit seiner Familie bei Temperaturen von bis zu minus 25 Grad unterwegs. Heute lebt er in Thalhausen. Er hat uns seine Geschichte erzählt. 

Im Januar 1945 überschritt die sowjetische Armee die deutschen Ostgrenzen. Die Vertreibung der Bevölkerung begann in Ostpreußen und breitete sich später auf Schlesien und Pommern aus. Rund zwei Millionen Menschen mussten ab Weihnachten 1944 und während der Wintermonate 1945 bei Temperaturen von bis zu minus 25 Grad in den meisten Fällen zu Fuß, mit Handwagen oder Pferdekutschen in Richtung Westen fliehen. Innerhalb kürzester Zeit mussten sie ihre Bauernhöfe und Gutshäuser verlassen.

Viele überlebten die Flucht aufgrund der eisigen Bedingungen nicht. Armin Bellmann aus Thalhausen war damals dabei. Mit gerade einmal fünf Jahren musste er gemeinsam mit seiner Familie Ostpreußen verlassen. Er wuchs in Olschöwen auf, das 1938 in Frauenfließ umbenannt wurde und nach 1945 den polnischen Namen Olszewo erhielt. Bereits an Weihnachten 1944 begannen Bellmanns Eltern, ihre Habseligkeiten zu packen. Am 22. Januar 1945 wurde die Räumung des Ortes angeordnet, und Armins zwei Monate dauernde Flucht begann.

Armin Bellmann mit seinem Vater, 1943
Charley Burke (abfotografiert, Fotograf unbekannt). Charley Burke

„Eigentlich verlief die Fluchtroute in gerader Linie“, erzählt Bellmann, „doch wir Flüchtlinge wurden auf Nebenstraßen umgeleitet, weil das Militär Vorrang hatte. Deshalb dauerte es über zwei Monate, bis wir Pommern erreichten. Bei Kolberg (heute Kołobrzeg) kamen uns die Russen entgegen. Wir waren zunächst bei einem Bauern untergebracht und durften das Gebiet nicht verlassen“, so Armin Bellmann.

Erst im Jahr 1957, nachdem Bundeskanzler Konrad Adenauer 1955 diplomatische Beziehungen zur Sowjetunion aufgenommen hatte und auf das Ausreiserecht für Kriegsgefangene sowie für deutsche Zivilisten in polnisch verwalteten Gebieten bestand, durfte Bellmann mit seiner Mutter ausreisen. Mit knapp 17 Jahren kam er schließlich nach Thalhausen. Dort lebte bereits ein Teil seiner Familie. Dagmar Kopper, seine Cousine, erzählt: „Mein Vater, Armins Onkel, war nach seiner Kriegsgefangenschaft mit einem Freund in Thalhausen gelandet. Eigentlich wollte er nach Köln, um seine Familie zu suchen.“ Entlassen wurde er aus französischer Gefangenschaft in Montabaur.

Wieder an die deutsche Sprache gewöhnen

In Thalhausen lernte er dann Dagmar Koppers Mutter kennen. So fand sich die Familie nach Jahren der Trennung langsam wieder zusammen und organisierte schließlich auch Bellmanns Ankunft in Thalhausen. Da Armin Bellmann in Polen die Grund- und weiterführende Schule besucht hatte, war die Rückkehr nach Deutschland eine große Umstellung. „Ich musste mich wieder an die deutsche Sprache gewöhnen“, erzählt er. Heute spricht er fließend Deutsch und Polnisch.

Noch im vergangenen Herbst besuchte er gemeinsam mit seinem Enkel seinen Heimatort in Polen. Auch Dagmar Kopper reiste mit ihrer Familie dorthin, um die Heimat ihres Vaters kennenzulernen. „Unsere Geschichte fühlt sich manchmal an, als würde sie niemand hören wollen oder als wäre sie in Vergessenheit geraten“, so Kopper. Aus ihrem Heimatort sind insgesamt während der Flucht 13 Menschen ums Leben gekommen.

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