Lehrer der Musikschule unterrichten unter Corona-Bedingungen - Weihnachtskonzerte müssen ausfallen
Abstandhalten gehört zum guten Ton: Corona-Alltag in Musikschule Neuwied
„Lasst uns froh und munter sein“: Das dürfte nicht nur auf den Liedtitel, sondern auch auf die Stimmung von Klavierlehrerin Elina Rutz und ihre fünfjährige Schülerin Mathilda zutreffen. Wegen der Corona-Pandemie müssen sie in der Musikschule an zwei Flügeln spielen.
Markus Kilian

Dam-dam-dadadada-dam-dam-dam: Die Melodie von „Lasst uns froh und munter sein“ üben Klavierlehrerin Elina Rutz und Mathilda an diesem Donnerstagnachmittag immer wieder. Ihre Finger klettern dabei flink über die Tasten. Eigentlich wie immer. Doch der Musikraum ist fast so groß wie ein Klassenzimmer, die beiden spielen vierhändig, jede Pianistin sitzt an einem eigenen Flügel. Mal eben etwas in Mathildas Noten schreiben? Oder ihr auf der Klaviatur den Fingersatz zeigen? All das geht nicht.

Denn wie derzeit überall ist auch in der Neuwieder Musikschule der Tenor: Abstand halten, Hygienemaßnahmen beachten, direkte Kontakte vermeiden. Lehrerin Elina Rutz trägt einen Mund-Nasen-Schutz aus Plastik, die kleine Mathilda muss mit ihren fünf Jahren noch keine Maske aufsetzen. Erst Kinder ab sechs Jahren betrifft die Vorgabe. Bevor sich Mathilda aber an die Klaviatur setzt, heißt es desinfizieren. Froh und munter scheinen die beiden dennoch: Der Präsenzunterricht kann stattfinden, wenn auch in ungewohnten Bahnen.

Wobei – wirklich ungewohnt sind die seit dem Frühjahr geltenden Corona-Maßnahmen dabei nicht mehr, wie Musikschulleiter Martin Geiger deutlich macht. „Wir sind inzwischen organisatorisch eingespielt“, schildert er. Da sich Schüler kurzfristig abmelden oder Eltern den Unterricht monatsweise pausieren, macht er sich zum Auftakt jedes Tages zunächst ein Bild über die Krankmeldungen.

Kommt der nächste Paukenschlag?

„Wenn jemand sagt, er möchte nicht kommen, kann ich das genauso verstehen wie wenn jemand sagt, Musik ist ihm so wichtig, er möchte unbedingt kommen“, betont Geiger. „Ich freue mich über jeden Tag, den wir offen haben können. Es ist aber immer etwas beunruhigend: Was ist nächste Woche? Müssen die Schulen dann wieder schließen?“

Schon jetzt ist aber klar: Gerade in der Vorweihnachtszeit müssen die traditionellen Konzerte entfallen. „Das macht vielen zu schaffen,“ erzählt der Cellolehrer. Auch das Musizieren auf dem Neuwieder Weihnachtsmarkt ist ausgesetzt, ebenso die musikalische Früherziehung und Ensembles.

Stattdessen besuchen die Schüler fast ausschließlich Einzelunterricht, möglichst ganz ohne Begleitung der Eltern. In der Musikschule halten Formulare den Aufenthalt jedes Kindes genau fest. Waren früher etwa fünf Schüler in einer 45-minütigen Keyboardstunde zusammen, üben sie nun jeweils zu zweit oder zu dritt, zeitversetzt in zwei Blöcken à je rund 30 Minuten.

Besondere Voraussetzungen gelten bei Blasinstrumenten und angehenden Sängern. „Dafür haben wir große Räume, denn da ist der Ausstoß der Aerosole größer“, erläutert Geiger. Um für ausreichend Platz zu sorgen, nutzt die Neuwieder Musikschule derzeit auch Räume der Volkshochschule. Und wer in der Neuwieder Musikschule singen lernen möchte, den trennt in Corona-Zeiten eine transparente Folie von seinem Lehrer.

„Das alles steht in keiner Corona-Verordnung“, sagt der Schulleiter, „da braucht man den gesunden Menschenverstand.“ Er wolle keinem seiner rund 30 Lehrer zumuten, ganztägig eine Maske zu tragen. Lediglich ein Dozent gibt seine musikalischen Kenntnisse vorsichtshalber von zu Hause aus per Stream an seine Schüler weiter, alle weiteren Lehrer vermitteln ihr Wissen im Präsenzunterricht.

Auch Martin Geiger hatte sich zur Zeit des harten Lockdowns im Frühjahr den Bogen zu den Schülern übers Internet gespannt. „Aber das ist dann schon ein anderes musikalisches Erlebnis“, bemängelt er. Die soziale Komponente sei dabei nicht dieselbe. Und: Um die rund 550 Schüler der Musikschule per Videoschalte zu erreichen, fehle es in der Neuwieder Einrichtung an schnellem Internet und besser ausgebautem WLAN.

Ein Stück Normalität

„Die einen sagen: ,Hurra, wir dürfen in die Schule', die anderen wollen lieber Online-Unterricht“, berichtet Martin Geiger. So oder so: Wegen Corona hätten nur vergleichsweise wenig Schüler den Unterricht gekündigt. Im Gegenteil: „Viele Eltern wollen ihren Kindern ein Stück Normalität geben und melden sie bei uns an. Jetzt haben die Kinder auch mehr Zeit zum Üben.“ Insgesamt gingen die Eltern vorsichtig und verantwortungsbewusst mit der Situation um, zeigt sich Geiger mit Schüler- und Lehrerschaft zufrieden.

„Bei uns ist es Jammern auf hohem Niveau“, bilanziert der 55-Jährige schließlich optimistisch und verweist auf andere Musikschulen, mit denen er im Austausch steht, wo etwa keine weiteren Räume zur Verfügung stünden. Insgesamt sei Martin Geiger zuversichtlich – auch wenn er dann ernste Töne anstimmt: „Manchmal fragt man sich schon: Macht es noch Sinn?“ Dann beantwortet er sich die Frage selbst: „Doch, es macht Sinn!“

Von unserem Redakteur Markus Kilian

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