An einem Julinachmittag klingelte es plötzlich bei Marianne Müller (Name von der Redaktion geändert) in Ehlscheid an der Wohnungstür. Die 87-Jährige, die nach einer Herzoperation erst seit wenigen Wochen wieder zu Hause war, hatte keinen Besuch erwartet, öffnete aber dennoch die Tür. Zwei Männer begrüßten sie. Sie hätten sich als Mitarbeiter der Telekom ausgegeben und wollten sich gern den Telefonanschluss in der Wohnung ansehen, berichtet Müller der RZ.
Rentnerin verfügt über gar kein digitales Endgerät
Ein offensichtlicher Vorwand, um ein Haustürgeschäft abzuschließen, denn wie sich später herausstellte, waren die beiden Mitarbeiter eines Vertriebspartners der Deutschen Glasfaser, einem Konkurrenten der Telekom. Beim Blick auf den WLAN-Router versprachen sie der 87-jährigen Telekom-Kundin, ein vermeintlich besseres Angebot machen zu können. So verkauften sie der Rentnerin einen 1000-Megabit-Anschluss der Deutschen Glasfaser, obwohl sie über kein digitales Endgerät verfügt. Den Telekom-Router habe sie nur, um die Telefonflatrate im Festnetz nutzen zu können.
Kein Vertragsdurchschlag, sondern ein Flyer
„Der Mitarbeiter behauptete: Der Anschluss sei ein viel besserer als bei der Telekom. Dabei ist er in Wirklichkeit schlechter und teurer“, sagt die Tochter von Marianne Müller, Angela Meyer (Name von der Redaktion geändert). Statt eines Durchschlags des Vertrags bekam Marianne Müller nur einen Flyer der Deutschen Glasfaser mit einer Tarifübersicht und einer Telefonnummer des Vertriebsmitarbeiters.
Ich kann nicht verstehen, warum ich die hereingelassen habe.
Marianne Müller, Opfer des dubiosen Haustürgeschäfts
Als die beiden Männer die Wohnung wieder verlassen hatten, fühlte sich Marianne Müller überrumpelt. „Mir wurde immer enger und enger“, sagt sie und berichtete noch am selben Tag ihrer Tochter von dem Vorfall. „Ich kann nicht verstehen, warum ich die hereingelassen habe“, sagt Müller rückblickend.
Nach einem fast einstündigen Telefonat mit dem Kundenservice der Deutschen Glasfaser wurde der Ehlscheiderin noch am selben Tag mündlich zugesichert, dass der Vertrag widerrufen wird. Eine schriftliche Bestätigung sollte vier bis fünf Tage später im Briefkasten liegen. Diese bekam die Seniorin allerdings erst nach mehrfacher Nachfrage. Von ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn Axel Meyer (Name von der Redaktion geändert) unterstützt, hat sich Müller mittlerweile bei der Bundesnetzagentur und der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz über die dubiose Kundenakquise im Auftrag der Deutschen Glasfaser in Ehlscheid beschwert.
Familie wundert sich über mangelnde Seriosität
Tochter Angela Meyer hatte nach eigener Auskunft auch mit einem der Vertriebsmitarbeiter telefoniert, der behauptet habe, er sei im Auftrag der Hausgemeinschaft und der Ortsgemeinde Ehlscheid unterwegs und habe ihrer Mutter „nur Gutes tun wollen“. „Am Telefon hatten sich die Mitarbeiter im Kundenservice von der Vorgehensweise der Vertriebsmitarbeiter distanziert. Das war es aber auch“, sagt Müllers Schwiegersohn, der eine Entschuldigung von der Deutschen Glasfaser erwartet hätte. „Ich wundere mich schon. Wenn sie seriöse Vertreter haben, rufen diese vorher an und treten auch nicht zu zweit auf“, sagt Axel Meyer. Marianne Müller hat ihre Lehren aus diesem Vorfall gezogen: In Zukunft lässt sie bei unangekündigten Gästen die Wohnungstür zu.
Deutsche Glasfaser hat Mitarbeiter von Vertriebspartner abziehen lassen
Die RZ hat die Deutsche Glasfaser mit dem Vorfall in Ehlscheid konfrontiert. „Wir tolerieren kein unangemessenes Verhalten gegenüber den Bürgern. Nach Rücksprache mit der Projektleitung haben wir unseren Dienstleistungspartner in der Gemeinde diesbezüglich bereits kontaktiert und einen Abzug des entsprechenden Mitarbeiters veranlasst“, teilt Thomas Schommer, einer der Pressesprecher der Deutschen Glasfaser, mit. Grundsätzlich liege es „im ureigenen Interesse“ der Deutschen Glasfaser, „alle Menschen mit Respekt zu behandeln und sie nicht unter Druck zu setzen“. „Deshalb sind auch alle unsere Vertriebspartner angehalten, sich entsprechend zu verhalten. Wir legen großen Wert auf eine kompetente und respektvolle Beratung unserer Kunden“, so Schommer.
Fehlverhalten von Mitarbeitern soll umgehend telefonisch gemeldet werden
Jeder Vertriebsmitarbeiter müsse einen „umfänglichen Schulungsprozess“ durchlaufen, an dessen Ende eine Abschlussprüfung stehe. Erst nach Bestehen dieser Prüfung dürfe der Mitarbeiter im Namen der Deutschen Glasfaser die Vertriebstätigkeit aufnehmen. Auch danach seien regelmäßige Nachschulungen verpflichtend.
„Sollte es sich vor Ort ergeben, dass ein Fehlverhalten festgestellt wird, bitten wir um umgehende Meldung über unsere Hotline 02861/890.600. Wichtig ist dabei, dass wir den Namen und die Nummer des Beraters mitgeteilt bekommen. Diese sind auf dem Ausweis des Beraters ersichtlich“, erklärt Schommer. Auf die Notwendigkeit von Haustürgeschäften angesprochen, antwortet Schommer, es sei branchenüblich die Menschen vor Ort im Rahmen von Einzelgesprächen zum Glasfaserausbau zu beraten, da es sich um „eine komplexe Infrastrukturmaßnahme und neue Produkte“ handele. Häufig führe ein erster Kontakt mit dem Bürger auch nicht direkt zu einem Beratungsgespräch, sondern vielmehr zur Vereinbarung eines Termins. „Sollten der genannten Bürgerin Unannehmlichkeiten entstanden sein, so bedauern wir dies sehr“, sagt Schommer.
Deutsche Glasfaser will im Herbst den Glasfaserausbau in Ehlscheid angehen
Von diesem oder vergleichbaren Fällen hat Ehlscheids Ortsbürgermeisterin Ingelore Runkel bislang noch nichts gehört. Sie widerspricht aber energisch der Darstellung des Vertriebsmitarbeiters, er habe im Auftrag der Ortsgemeinde gehandelt. „Das ist gelogen“, so Runkel. Nichtsdestotrotz soll ab Oktober im 1600-Seelen-Ort der Glasfaserausbau durch die Deutsche Glasfaser erfolgen.