KG Brave Jonge: Vorsitzende Juliane Rams blickt im RZ-Interview auf das Jubiläumsjahr
100 Jahre KG Brave Jonge: Wie Waldbreitbacher Narren versuchen, dem Karneval neues Leben einzuhauchen
Die KG-Familie mit dem Prinzenpaar der Session 2023/24 um Prinz Faxe und Prinzessin Anja.
Willi Schmitz

Die KG Brave Jonge in Waldbreitbach feiert in diesem Jahr ihr 100-jähriges Bestehen. Juliane Rams (26) ist seit dem Jahr 2022 die Erste Vorsitzende der KG und damit die erste Frau auf diesem Posten. Im RZ-Interview verrät Rams, mit welchen Herausforderungen die KG im Jubiläumsjahr zu kämpfen hat.

Lesezeit 7 Minuten

Frau Rams, welche Bedeutung hat der Karneval und die KG 100 Jahre nach ihrer Gründung in Waldbreitbach?

Juliane Rams: Neben dem Weihnachtsdorf ist der Karneval das zentrale Ereignis in den Wintermonaten in Waldbreitbach. In der 100-jährigen Geschichte der KG gab es immer Aufs und Abs. Trotz Wirtschaftskrisen und dem Zweiten Weltkrieg kam sie gefühlt am Ende immer gestärkt zurück. Es hat sich stets eine Gruppe gefunden, die den Karneval in Waldbreitbach organisiert hat. Diese ist dann Stück für Stück gewachsen. Als einer der vielen Vereine in Waldbreitbach gestaltet die KG das Dorfleben aktiv mit. Die daraus entstehende Gemeinschaft ist an Karneval aus meiner Perspektive spürbar.

Juliane Rams, Erste Vorsitzende der KG Brave Jonge in Waldbreitbach
Daniel Dresen

Ich habe immer das Gefühl, dass die Menschen im Karneval aus dem Alltag entfliehen und ihre Sorgen und Ängste für den Moment einfach mal vergessen können. Am Möhnendonnerstag besuchen wir zudem soziale Einrichtungen in Waldbreitbach und Umgebung, wie Kita, Schule, Alten- und Pflegeheime und feiern dort mit den Menschen. Die haben dann solch einen Spaß, da geht einem das Herz auf und es zählt für mich zu den Highlights unserer Session.

Mit welchen Herausforderungen hat die KG heute zu kämpfen?

Das größte Problem, das die meisten Karnevalsvereine haben, ist neue Mitglieder zu gewinnen und die Bestandsmitglieder bei der Stange zu halten. Zurzeit haben wir mit den Tanzkindern rund 180 Mitglieder. Es ist unheimlich schwierig Menschen zu finden, die sich langfristig in der KG engagieren wollen, ob im Vorstand oder bei den Wagenbauern. Im Vorstand sind drei Posten derzeit unbesetzt: Zweiter Präsident, Erster Schriftführer und Chronist. Es gibt viele, die grundsätzlich mithelfen wollen, aber halt nicht in einer verantwortungsvollen Position. Die Altersgruppe Anfang 30 bis Ende 40 fehlt uns wegen des Berufslebens, weil sie eine Familie gründen oder ein Haus bauen.

Was die Jugend angeht, können wir uns jedoch nicht beschweren. Wir haben vier Tanzgruppen, die alle gut besucht sind. Leider wird auch die Zahl der Büttenredner weniger. Wir freuen uns zwar, weiterhin sogenannte „Urgesteine“ in der Bütt begrüßen zu dürfen, aber auch hier müssen wir der Realität ins Auge sehen, dass sie uns nicht ewig zur Verfügung stehen. Viele trauen sich heute nicht mehr auf die Bühne zu gehen, aber ich sehe großes Potenzial in den Newcomern der nächsten Jahre. Es wird auch immer schwieriger, Prinzenpaare zu finden. Es ist ein zeitintensives Unterfangen, das trotz der Vereinszuschüsse auch mit Kosten verbunden ist. Ich habe das Gefühl, dass sich Menschen, die dem ersten Anschein nach nicht so sehr mit dem Karneval verwurzelt sind, sich oft davon abschrecken lassen. Allerdings kenne ich persönlich kein Prinzenpaar, dass seine Regentschaft bereut hat.

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Die KG Brave Jonge freut sich auf das Familienfest „Jeck an de Baach“ am kommenden Samstag in Waldbreitbach. Fotos: Daniel Dresen
Daniel Dresen

Ein weiteres Thema, was uns alles abverlangt, ist der Wagenbau: Wir mussten alle drei Wagen für Prinzenpaar, Elferrat und Kinderprinzenpaar aufgrund der neuen Sicherheitsauflagen austauschen. Das war eine große Herausforderung. Der Wagenbau frisst viele finanzielle Ressourcen und ohne Spenden und Sponsoren, für die wir sehr dankbar sind, wäre dieses Vorhaben zum Scheitern verurteilt. In der vergangenen Session wurde der neue Prinzenpaarwagen dann gerade noch pünktlich fertig. Für die kommende Session widmen wir uns dann dem Elferratswagen. Das Thema Sicherheit ist mir natürlich sehr wichtig, allerdings werden die bürokratischen Hürden irgendwann so hoch, dass so ein kleiner Dorfverein diese nicht mehr aus eigener Kraft stemmen kann.

Wie ist das Jubiläumsjahr bisher gelaufen?

Aufgrund der kurzen Session haben wir das Jubiläum bewusst aus der eigentlichen Karnevalszeit ausgeklammert. Trotzdem stellten unsere ausverkaufte Kappensitzung und der Rosenmontagszug, der ebenfalls gut besucht war, einen ersten Höhepunkt dar. Außerdem hatten wir endlich wieder ein Prinzenpaar. All das zu sehen, war eine schöne Belohnung. Die wenigen Tage vor der Session geht man wirklich auf dem Zahnfleisch und hofft, dass alles gut geht. Die Erleichterung ist groß, wenn der Rosenmontagszug reibungslos zu Ende gegangen ist.

Zusätzlich hat es motiviert, die Jubiläumsvorbereitungen zu starten. Im Jubiläumsjahr haben wir uns bewusst gegen eine Festschrift entschieden und produzieren stattdessen Podcast-Folgen zu unterschiedlichen Themen, die den Karneval in Bräpisch ausmachen. Zurzeit sind bereits zwei Folgen bei den großen Podcastanbietern und auf unserer Homepage abrufbar. Parallel dazu verläuft die Vorbereitung für unsere Jubiläumsveranstaltung am 22. Juni.

Wie kam es dazu, dass Sie die erste Frau in der Geschichte der KG sind, die den Posten der Ersten Vorsitzenden innehat?

Es war überhaupt nicht geplant. Während der Corona-Pandemie hat sich der Vorstand ein Stück weit aufgelöst. Da standen wir dann vor der Frage, wie es weitergehen soll. Pierre Fischer, unser Kassierer, war da die treibende Kraft. Er hat geschaut, dass wir mit jungen Leuten wieder Fahrt aufnehmen. Ich habe bis dato 20 Jahre für die KG getanzt und war dann letztlich die, die „Ja“ gesagt hat. (lacht.) Ich hänge sehr am Karneval. Es war auch eines der wenigen Dinge, die mir während der Pandemie gefehlt haben. Zuletzt sind wir als Vorstand im Amt noch einmal bestätigt worden. Es gibt noch einige Dinge, die ich verändern möchte. Ich bin sehr heimatverbunden und werde versuchen, auch nach Abschluss meines Geschichtsstudiums hier in der Gegend zu bleiben, um meiner Leidenschaft im Karneval weiter nachzugehen.

Was konnten Sie als Vorsitzende schon an neuen Dingen umsetzen?

Unsere erste Veranstaltung als neuer Vorstand war „Jeck an de Baach“, also Frühschoppen im Sommer an der Wied. Es war ein toll besuchtes Fest für Jung und Alt, darunter auch viele Familien und einige, die sonst mit Karneval gar nicht so viel anfangen können. Das Fest feiert anlässlich des Jubiläums an diesem Samstag, 22. Juni, eine Neuauflage auf der Wiese neben dem Kolpinghaus.

Bei der Kappensitzung haben wir mittlerweile einen Programmschlusspunkt. Bisher waren die Sitzungen bis ins Endlose gegangen. Da saß man bis morgens 1 oder 2 Uhr noch da, hatte aber eigentlich keiner Lust mehr. Das war dann auch für die Menschen, die auftreten blöd. Wir haben das Sitzungsprogramm gestrafft und um 23 Uhr starten wir mit einer Band in die abschließende Karnevalsparty. Die darf dann auch gerne etwas länger werden. Auch beim Maskenball haben wir eine Veränderung vorgenommen: Dort bilden nun nicht mehr das Prinzenpaar und der Hofstaat die Jury, sondern die Gruppen, die gegeneinander antreten. Sie bewerten ihre Kostüme anhand verschiedener Kategorien untereinander.

Auch das Maskenballprogramm haben wir für junge Menschen mit einem Glücksrad und Willkommensgeschenken für Gruppen attraktiver gestaltet, damit sie länger dableiben. Es ist alles etwas lockerer und entspannter. Zudem haben wir aus dem bisherigen Seniorennachmittag einen Frühschoppen gemacht, der sehr gut angenommen wird.

Sie wollen die KG in den nächsten Jahren in die Zukunft führen. Dabei gehen sicherlich die Vorstellungen bei Jung und Alt auseinander?

Ja, ein recht großes Diskussionsthema ist die einheitliche Kleidung in der KG. Da schießt ein Teil der älteren Mitglieder noch quer, weil sie an der traditionellen Komiteekleidung, zu der Mütze und Juppe gehören, festhalten wollen. Den jungen Leuten in Waldbreitbach ist dieses Outfit allerdings zu steif. Viele davon wollen deshalb nicht in der KG mitmachen. Ich selbst bin da ziemlich schmerzfrei. Andere fühlen sich in der Komiteekleidung nicht wohl und wollen darin auch nicht feiern. Als Alternative haben wir nun blau-weiße Stoffe ausgesucht, aus denen sich jeder etwas nähen kann, was er gerne anzieht. Die Fratze der KG, unser Logo, muss natürlich drauf sein. Mittlerweile haben sich auch einige ältere für die Alternative entschieden. Das letzte Wort ist hier allerdings noch nicht gefallen. Mein ganz klares Ziel ist es, die KG für jüngere Menschen attraktiver zu machen, denn auf kurz oder lang wird es ansonsten nicht mehr weitergehen.

Eine Möglichkeit, die KG am Leben zu halten, wäre auch eine Fusion mit den Karnevalisten in der Nachbarschaft?

Die Zusammenarbeit mit den Karnevalisten in Roßbach, Niederbreitbach und Verscheid läuft inzwischen sehr gut. Insbesondere bei den neuen Sicherheitsauflagen für die Wagen war das der Fall. Allerdings nehmen wir uns in der Bütt auch noch weiterhin sehr gerne gegenseitig auf die Schippe. Wir haben in den 1970er-Jahren auch eine gemeinsame Karnevalssitzung unter dem Titel „Vier unter einem Hut“, auf der auch Karnevalsgrößen aus Köln aufgetreten sind, auf die Beine gestellt. Einen Zusammenschluss halte ich aktuell für nicht realistisch, aber auch noch nicht nötig. Es gibt hier nichts Ernsteres als Karneval. (lacht.)

In den nächsten 20 oder 30 Jahren wird man vielleicht nicht um diese Frage drumherum kommen – vor allem im Hinblick auf neue bürokratische Herausforderungen und die Zahl der Mitglieder und Unterstützer. Wir im Vorstand wissen, dass wir etwas tun müssen, damit der Verein weiterbestehen bleibt. Die ältere Generation hatte jahrelang Posten im Vorstand inne und will jetzt Karneval mal ohne Aufgaben genießen. Allerdings kommen derzeit zu wenige von der jüngeren Generation nach, die die Lücken schließen, obwohl die Lust am Karneval in Waldbreitbach ungebrochen ist. Doch etwas beruhigt mich beim Blick in die Chronik der KG: Wir sind schon häufig wie ein Phoenix aus der Asche wieder zurückgekommen.

Das Gespräch führte Daniel Dresen.

„Jeck an de Baach“ am Samstag

Am kommenden Samstag, 22. Juni, ab 14.11 Uhr findet auf der Wiese neben dem Kolpinghaus in Waldbreitbach das Familienfest „Jeck an de Baach“ anlässlich des 100-jährigen Bestehens der KG Brave Jonge statt. Ab 15 Uhr spielt der Musikverein „Wiedklang“.

Zur abendlichen Party um 19.30 Uhr kommt die Kölsch-Rock-Band „De Knocheläcker“ aus Engers. Bei schlechtem Wetter wird die Veranstaltung ins Kolpinghaus verlegt.

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