Lisa und Julia Hermes aus Hambuch auf Weltreise: das berüchtigte Darién Gap zwischen Kolumbien und Panama
Zwei Schwestern auf Weltreise: Geschichten von Überfällen dringen aus dem Dickicht

Hambuch/Panama. Auf der Suche nach „gelebten Utopien“, also nach Menschen, die ihr Leben außerhalb von allgemein üblichen Normen bestreiten, sind Lisa und Julia Hermes vor zweieinhalb Jahren in Hambuch zu einer Weltreise gestartet. Dabei bewegen sich auch die Schwestern nicht auf ausgetretenen Touristenpfaden, sondern reisen individuell, per Anhalter übers Festland, mit dem Segelboot über den Atlantik, mit dem Kanu durch den Amazonas, zu Fuß und mit dem Rad. Vor allem das Flugzeug haben die beiden als Fortbewegungsmittel ausgeschlossen. Daher mussten Lisa und Julia von Süd- nach Zentralamerika den Landweg nehmen, was eine besondere Herausforderung war. Die Weltreisenden aus der Eifel berichten davon:

„Schon vor Reiseantritt haben wir gehört, dass es alles andere als leicht sein würde, über den Landweg von Süd- nach Zentralamerika zu kommen. Denn die Panamericana, ein Straßennetz, das sich durch den gesamten amerikanischen Kontinent zieht, ist zwischen Kolumbien und Panama für mehr als 100 Kilometer unterbrochen. Hier erstreckt sich das sogenannte Darién-Hindernis. Ein Gebiet aus dichtem Dschungel und Sumpfland, Sammelplatz nicht nur von Schlangen, Skorpionen und giftigen Fröschen, sondern berüchtigt vor allem wegen des regen Drogenhandels und korrupter Paramilitärs. Die gängigste Option ist es, das Gebiet einfach zu überfliegen, aber das kommt für uns ja nicht in Frage ...

Nach ausgiebigen Recherchen finden wir für uns drei Möglichkeiten: Die erste Möglichkeit ist, von Cartagena, einer Kolonialstadt an der Karibikküste Kolumbiens mit einem Segelboot nach Panama zu trampen. Die zweite, von Turbo aus, einer abgelegenen kolumbianischen Fischerstadt, mit lokalen Booten von Dorf zu Dorf an der Küste des Darién Gaps entlangzureisen. Die letzte und gefährlichste Möglichkeit ist, durch das Gebiet hindurchzuwandern. Da wir bereits mit dem Segelboot über den Atlantik getrampt sind, denken wir, dass uns die kurze Strecke zwischen Kolumbien und Panama nicht vor allzu große Schwierigkeiten stellen würde. Also fahren wir guten Mutes nach Cartagena, um uns die Situation direkt vor Ort am Hafen anzusehen. Es stellt sich aber schnell heraus, dass die meisten Boote im Hafen lokalen Touranbietern gehören, die nur zahlende Gäste an Bord lassen. Die meisten privaten Schiffe haben bereits vor zwei Wochen abgelegt, weil die Segelsaison beendet ist.

Nach einer erfolglosen Woche in Cartagena versuchen wir die zweite Option, von Turbo aus mit lokalen Booten an der Küste entlang. In dem schwülen und heruntergekommenen Städtchen Turbo angekommen, gehen wir direkt an die „Arbeit“. Im Hafengetümmel, zwischen muskelbepackten Männern, Stapeln von hohen Kisten, Fischgestank und heißer, tropischer Luft werden wir von den Leuten zwar freundlich begrüßt, aber dann doch nur müde belächelt, als wir den Vorschlag machen, an Bord anzuheuern. ‚Nee, Mädels, vergesst das mal ganz schnell wieder. Hier darf nur eine angemeldete Crew an Bord.‘

Mit den lokalen Schnellbooten stehen unsere Chancen besser. Gegen ein kleines Passagiergeld kommen wir so bis zum panamaischen Grenzstädtchen Puerto Obaldia. Das Dorf liegt mitten im Darién Gap und ist umgeben von dichtem Dschungel und Meer. Hier gibt es weder Autos noch Straßenverbindungen. Im Grunde besteht das verwahrloste Dörfchen aus einer Bäckerei, einer Handvoll Restaurants, ein paar kleinen Kiosken und einer Flugbahn, von der aus Buschflugzeuge nach Panama City fliegen. Schwer bewaffnete Soldaten patrouillieren durch das Örtchen und aus dem Dschungeldickicht dringen immer wieder Geschichten von Überfällen zu uns hindurch.

Von dem einzigen Kapitän am Hafen erfahren wir, dass er zwar nicht in unsere Richtung fährt, aber sein Kumpel Boni bald mit seinem Handelsschiff hier vorbeikommen werde und uns möglicherweise mit nach Colon am Panamakanal nehmen könne. Eigentlich eine ganz gute Nachricht. Das Problem ist allerdings, dass die Informationen über die Ankunftszeit des Schiffes ziemlich viel Raum für Spekulation lassen. Denn offiziell hätte das Schiff von Boni schon gestern ankommen sollen. Heute heißt es, am Nachmittag oder am folgenden Tag. Morgen sind Wahlen, da werde alles stillstehen im Land. Und der Grenzbeamte will uns auf keinen Fall einen Einreisestempel geben, bevor wir ein Ticket zur Weiterreise vorlegen können. Eineinhalb Tage haben wir noch. Wenn sich bis in zwei Tagen keine Möglichkeit zur Weiterreise auftun wird, droht uns der Migrationsbeamte mit der Zwangsrückweisung nach Kolumbien.

Am Ufer führt ein kleiner Pfad über angeschwemmte Stämme, alte Fischernetze, Plastikmüll und Korallenreste an einer Militärbasis vorbei zu einem kleinen Strandabschnitt hinter dem Dorf, an dem wir unser Nachtlager aufbauen. Am folgenden Tag stoßen wir im Dorf auf Miguel, einen Spanier auf Weltreise, Raul aus San Salvador, der zurück zu seiner Familie reist, nachdem er sie mehrere Jahre nicht mehr gesehen hat, und José aus Kolumbien, der seinen krebskranken Freund Santiago nach Costa Rica begleitetet, wo er auf eine Behandlung hofft. Unsere Geschichten könnten unterschiedlicher nicht sein, aber in diesem Moment stecken wir alle in derselben Situation: Keiner weiß so recht, wie wir alle von hier aus weiterkommen sollen. Von Boni gibt es immer noch keine Spur, und der Migrationsbeamte sitzt uns im Nacken. Ein Fischer aus dem Dorf macht uns schließlich ein Angebot: wenn wir alle unsere Dollars zusammenlegten, würde er uns nach Carti, dem nächstgelegene Örtchen mit Straßenanbindung, bringen. Wir gehen auf den Deal ein und sitzen kurze Zeit später – mit Stempel im Pass – auf einem kleinen Motorboot, das über die Wellen Richtung Norden kracht.“ bme

Mehr über die ungewöhnliche Weltreise von Lisa und Julia Hermes aus Hambuch: https://outthere.eu

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