Die Einkaufszeile schlechthin in Zells Altstadt ist die Balduinstraße. Von der „Port“ zieht sie sich in nördlicher Richtung über den Marktplatz, vorbei am städtischen Rathaus und bis zum Lindenplatz. Rechts und links stehen die Häuser dicht an dicht, Ausnahme ist der Marktplatz. In vielen Gebäuden ist im Erdgeschoss ein Ladenlokal zu finden. Martin Kömmling aus dem erweiterten GVZ-Vorstand sagt: „Wenn wir von hier bis zum Finanzamt alle Geschäfte belegt hätten, dann hätten wir eine Meile, über die es sich zu gehen lohnt.“ Noch spricht Kömmling, der sich verstärkt des Themas Leerstände angenommen hat, im Konjunktiv. Dabei ist die Geschäftswelt der Balduinstraße durchaus in Bewegung.
1 Der „Umsattler“: Seit dem Jahr 2011 hat Ralf Hörmann dort ein Lederwarengeschäft, in dem er unter anderem exquisite handgefertigte Gürtel und Taschen anbietet. „Hochwertige Reparaturen mache ich auch, zum Beispiel von alten Ledertaschen, die es zu reparieren lohnt.“ Hörmann, gelernter Schreiner, hat sein Hobby zum Beruf gemacht. Seine Werkstatt befindet sich in Grenderich. Er setzt auf „klassische handwerkliche Arbeit“, hat sich vieles bei „alten Meistern“ abgeguckt. „Die alten Techniken der Lederverarbeitung haben mich schon immer fasziniert.“
Zwar räumt er ein: „Es wird immer schwieriger, Kundschaft zu finden.“ Doch er macht aus der Not eine Tugend, sucht Messen und Events auf, etwa den „Weinnachtsmarkt“ in der Traben-Trarbacher Gewölbewelt. Zudem bewirbt er seine Waren über Vitrinen umliegender Hotels. Mit seinem kleinen Laden ist er glücklich. „Er ist ideal für mich, was Fensterfläche und Aufteilung angeht.“ Seine Frau Monika hat, ebenfalls an der Balduinstraße, eine Modeboutique, in der sie bewusst Bedürfnisse der heimischen Kundschaft erfüllen möchte. Dieses Konzept geht ihrem Mann zufolge voll auf. Die Leute wissen die individuelle Beratung und Expertise zu schätzen, kaufen Kleidung dort gerne lokal. In sein Ledergeschäft, erzählt Hörmann, kam mal eine Blankenratherin mit einem Gutschein, den sie geschenkt bekommen hatte. Die war „völlig platt“, konnte kaum fassen, „dass es so etwas in Zell gibt“.
2 Die Wahlzeller: Geplättet von den Reizen der lieblichen Mosel sind Uschi und Martin Seul seit Jahren. Also kauften sich die beiden Kölner Gastronomen ein Gebäude an der Balduinstraße, das ihr „Altersunruhesitz“ werden sollte, wie es Uschi Seul lachend nennt. Sie bauten es um, bieten darin seit Mai Ferienapartments an und betreiben im Erdgeschoss ihren Bistro-Treff „Kölsch & Katz“. Der Name ist Programm: „Wir wollen die kölsche Lebensart mit der romantischen Mosel verbinden“, sagt Uschi Seul und stellt einem Gast ein schlankes Gläschen mit frisch Gezapftem auf die Theke. Im Hintergrund rödelt ihr Mann Martin in einer offenen kleinen Küchenecke. Der Bäckermeister serviert Gästen selbst gebackene Brotspezialitäten als richtige Grundlage für den Genuss von Kölsch und Zeller Weinen. Die Räume sind hell, modern, einladend, nichts Altbackenes. Den Betrieb ihres Antikbrauhauses in Köln haben die beiden Mittfünfziger nach 40 Jahren ihrem Sohn Hermann überlassen. Aber: „Als Vollblutgastronomen konnten wir nicht gleich von 100 auf null herunterschalten.“ Die Zeller freut’s.
3 Die Alteingesessenen: Seit gut 40 Jahren betreibt Sonja Bohn mit ihrem Mann Georg ein Geschäft, das heute einen Schwerpunkt auf Kosmetik und Parfümerie setzt. Sie haben es von Sonja Bohns Schwiegereltern übernommen. Früher war ihr Geschäft eine klassische Drogerie. Die Konkurrenz durch Supermärkte, nicht zuletzt auf dem Barl, machte es nötig, das Sortiment zu verändern. „Viele Leute fahren auf den Barl und kriegen alles da oben. Die kommen nicht noch mal nach Zell rein“, sagt Sonja Bohn. „Gott sei Dank habe ich viele Stammkunden.“ Und zwei „super Angestellte“. Das Internet habe ihr Geschäft ebenfalls verändert. „Oft kommen Kunden herein, riechen an etwas und bestellen es dann woanders.“ In den Frühjahrs- und Sommermonaten lebt Zell auch vom Tourismus. „Ich hätte gern noch ein bisschen mehr Tourismus“, sagt Bohn. Für sie hat ihr Laden immer zum Leben gehört. Aber die 60-Jährige glaubt nicht, dass es sich heute noch jemand antäte, eine Parfümerie in Zell zu betreiben. Warum? Jeden Tag im Geschäft stehen, auch samstags. Da sind 50 Wochenarbeitsstunden schnell zusammen – ohne Bürokram.
Schon seit dem Jahr 1881 gibt es in Zell das Café Bauer, heute betrieben von Julia und Christian Bauer. Julia Bauer sagt: „Was früher durch die Bäckerei zu tragen war, funktioniert so nicht mehr.“ Also hat sich der Betrieb verändert. Sommers pachten Bauers die nahe gelegene Weinlounge von der Stadt und betreiben sie. „Wir arbeiten dafür mit 20 Winzern zusammen, die auf unserer Weinkarte stehen“, sagt sie. Bewusst mit so vielen. „Die Leute sollen sehen, was für tolle Weine wir hier in Zell haben.“
Sie und ihr Mann betreiben das Café nach wie vor mit Leidenschaft, doch nutzen auch die Weinlounge für Aktionen und Events. So etwas ist auch ein Schaufenster, um Menschen in die Altstadt zu locken, sie zu einem Bummel zu bewegen. Das gilt auch für verkaufsoffene Sonntage. Deshalb ärgert sich Christian Bauer über einen Vorstoß zur Abschaffung derselben, wie ihn die Gewerkschaft Verdi jüngst mancherorts unternahm. Er sagt: „Das ist ein Unding, dass eine Gewerkschaft an so etwas rührt.“ Generell freut sich Julia Bauer aber über die jüngere Entwicklung der Schwarze-Katz-Stadt. „Zell ist gerade im Wandel, es lebt wieder mehr.“ Nun muss man nur das Miteinander noch stärker pflegen und etwas mutiger nach außen tragen, was die Stadt zu bieten hat, findet sie. Auch unterhalb des Barls.