Nach Startschwierigkeiten
Wie läuft es heute mit dem ÖPNV in Cochem-Zell?
Im Dezember 2023 wurde der ÖPNV im Kreis Cochem-Zell umgestellt. Seitdem ist viel passiert: Vorfälle, Änderungen, Verbesserungen.
Annika Wilhelm

In Cochem-Zell rumorte es im vergangenen Jahr: Der neue ÖPNV sorgte vielerorts für Stunk. Inzwischen ist mehr als ein Jahr seit der Umstellung vergangen. Wie ist die Lage?

Mehr als ein Jahr ist inzwischen vergangen, seit der neue ÖPNV in Cochem-Zell an den Start gegangen ist. Geisterbusse, zu große Busse, zu häufige Fahrten, zu unpünktlich, zu unzuverlässig – all diese Vorwürfe standen im Raum, manche davon zutreffender als andere. Doch wie sieht es nach den anfänglichen Startschwierigkeiten aus? Läuft im ÖPNV inzwischen alles rund? Wo gibt es eventuell noch etwas zu tun? Darüber informierten die Vertreter des Verkehrsverbunds Rhein-Mosel (VRM) und die Busunternehmen bei der jüngsten Kreistagssitzung.

Häufig haben sich Leute beschwert, dass sogenannte Geisterbusse durch den Kreis kurven. Heißt: Busse, in denen keine Fahrgäste sind, die leer durch die Gegend fahren. Stephan Pauly, Geschäftsführer des VRM, sagt: „Ich kenne die Situation, kann es aber eigentlich gar nicht mehr hören. Viele der Busse, die als ‚Geisterbusse‘ bezeichnet werden, sind sogar als Pausenfahrten, Leerfahrten oder mit der Aufschrift ‚Nicht einsteigen‘ versehen. Ich will damit nicht abstreiten, dass es leere Busse gibt. Aber man muss bedenken: Wenn Busse morgens von der Schule zurückfahren, sind sie offensichtlich leer – denn die Schüler sind alle ausgestiegen.“

ÖPNV basiert auf Schülertransport

Nicht alle Linien, die in dem Linienbündel unterwegs sind, seien von vorneherein darauf ausgerichtet, dass alle 40 zu besetzenden Sitze im Bus auch belegt sind: „Das geht auch gar nicht“, merkt Pauly an. Aus der Bevölkerung ist wegen der leeren Busse der Wunsch nach kleineren Bussen oder der Reduzierung von Fahrten gekommen. Das ist jedoch nicht einfach so umsetzbar.

Der ÖPNV in Cochem-Zell fußt auf der Schülerbeförderung. Darum definieren auch die Schulzeiten den Fahrzeugeinsatz, wie Pauly erklärt: „Die Busfahrer können nicht einfach nach ihrer Fahrt am Morgen von einem großen Bus auf einen kleinen wechseln. Dadurch würde der Fahrzeugpool der Busunternehmen nur wieder größer werden.“ Das wiederum würde Mehrkosten bedeuten. Dort, wo es topografische Vorgaben gibt, wie beispielsweise enge Gassen an der Mosel, werden auch kleine Busse eingesetzt.

Ebenso wenig kann das Fahrpersonal in der Zeit, in der die Busse leerer fahren als zu den Schulzeiten, einfach so pausieren. Die Busfahrer werden durchbezahlt. „Das heißt, die Kosten laufen während der Standzeiten weiter. Bis 2022 war das noch anders, aber das gibt es so nicht mehr. Das finde ich auch richtig“, betont Pauly. Einfach die Zeiten, in denen eine Buslinie fährt, zu verkürzen, also „wegzuschneiden, geht auch nicht“, sagt Jean Reuter vom Busunternehmen Reuter Reisen, „denn dann fehlen dem Fahrer die Stunden. Und wir haben gar keine andere Wahl, als es so zu lassen, damit wir den Bestand unserer Fahrer so zu halten.“ All das sind Rahmenbedingungen, an die sich die Busunternehmen und der Verkehrsverbund halten müssen.

„Dieser Vorwurf ist total blödsinnig. Der greift viel zu kurz.“
Stephan Pauly, Geschäftsführer des VRM, über die Aussage, dass der Kreistag das neue Linienbündel ohne Sinn und Verstand beschlossen hat.

Benedikt Oster (SPD) merkt in der Diskussion um den ÖPNV an: „Im Volksmund kriegen wir immer wieder suggeriert: ‚Gut, dass es ÖPNV gibt, aber ihr Kreistagsmitglieder habt ohne Sinn und Verstand dieses Ausmaß an Bussen übertrieben in der Ausschreibung.‘ Mit der Annahme von heute wissen wir aber, dass eben alle Busse auch im Schulverkehr morgens und am Nachmittag eingesetzt werden, das bedeutet: Es gibt keine Alternative. Wir brauchen jeden einzelnen Bus, den es gibt. Es ist kein Nice-To-Have.“ Der VRM-Geschäftsführer sagt: „Dieser Vorwurf ist total blödsinnig. Der greift viel zu kurz. Es gab Rahmenbedingungen, die einzuhalten waren. Zwischen Schülerverkehr und Schwachlastzeiten nach Schulschluss wird der Busfahrer durchbezahlt. Die Kosten laufen durch, und das ständig. Es ist nur der Spritpreis pro Kilometer, der den Unterschied ausmacht.“ Den Vorwurf gegenüber den Kreistagsmitgliedern sieht er als ungerecht an, merkt außerdem an: „Wenn die Busfahrer nur fürs Rumstehen durchbezahlt werden, dann würden die gleichen Leute laut schreien, die auch die leeren Busse bemängeln.“

Zahlreiche Beschwerden: Inzwischen hat sich Lage beruhigt

Beschwerden gab es zu Beginn zwar viele, inzwischen habe sich die Situation jedoch beruhigt. Martin Struppel von DB Regio Bus Mitte lobt die durchgehend gute Zusammenarbeit der Verkehrsunternehmen mit dem Kreis, insbesondere in der Phase, in der es zu Beginn schwierig war. „Mittlerweile laufen die Verkehre sehr stabil, das heißt aber nicht, dass an der ein oder anderen Stelle mal was schiefläuft“, sagt er. Die Busfahrer werden regelmäßig geschult – häufig haben sie Fahrgäste durchgewunken, sie mussten für die Fahrt gar nicht erst zahlen.

Struppel erklärt: „Wohlwissend, dass die Einzeltickets am wenigsten einnehmen, wissen wir auch, dass hier vor dem Hintergrund der finanziellen Situation jeder Euro zählt. Uns ist nicht egal, wenn die Fahrer nicht abkassieren. Stattdessen müssen Einnahmen erwirtschaftet werden.“ Monatlich vergleiche das Unternehmen, welcher Fahrer auf welcher Linie welche Einnahmen hat, schulen gegebenenfalls nach.

Wegen all der Richtlinien sei klar, dass es eine natürliche Grenze gebe, wo der Kreis überhaupt noch im ÖPNV einsparen kann, sagt Landrätin Anke Beilstein: „Diese müssen wir nun ausloten. Das wird die Herausforderung der nächsten Monate sein. Meine Zielvorstellung ist, das zum nächsten Fahrplanwechsel zu machen.“ Nun müsse eruiert werden, ob über die zehn möglichen Prozent Einsparungen und Kürzungen des Fahrprogramms stattfinden können. Die Unternehmen hätten jedoch bereits signalisiert, dass sie dazu bereit wären: „Das war ein sehr gutes Gespräch“, sagt Beilstein, „und wir dürfen nicht vergessen, dass das ein freiwilliges Entgegenkommen der Unternehmen ist und dass all das auch endlich ist. Aber zur Verbesserung des Haushalts sollten wir uns da dranmachen, nur eben nicht in einer Hauruck-Aktion.“ Dazu hänge zu viel dran.

Was die Kürzungen angeht, hat Hermann-Josef Kesseler (CDU) eine klare Meinung: „Wir haben das alles bewusst beschlossen und wollen einen effizienten ÖPNV. Wir wussten nur nicht, wie hoch die Mindereinnahmen sind. Ich möchte darum bitten, dass man die Linien, die man streichen kann, auch streichen wird. Es geht nicht darum, dass wir eine Rolle rückwärts machen.“ Es sei nicht das Ziel, etwas zurückzufahren, sagt die Landrätin: „Das wäre gegenteilig zu dem, was wir auf den Weg gebracht haben. Selbst Menschen Ü50 und Ü60, die nicht mit dem ÖPNV sozialisiert großgeworden sind, verstehen, dass er nützt. Es kommt, aber es braucht halt seine Zeit. Und diese Zeit sollte man nutzen, um das System zu optimieren. Nicht mit einer Rolle rückwärts, aber eben mit der besten Konstellation für den finanziellen Nutzen für uns.“

Auch nach den subjektiven Erfahrungen der Kreistagsmitglieder entwickelt sich der ÖPNV positiv – so erzählt Stephanie Balthasar-Schäfer (CDU): „Was ich sehe, ist, dass viele Linien immer mehr genutzt werden. Ich beobachte das an den Haltestellen und Wartehäuschen.“ Burkhard Karrenbrock (Grüne): „Es scheint sich rumzusprechen, dass die Busse fahren. Sie füllen sich. Ich habe allerdings wegen der Kürzungen auch schon Beschwerden gehört – dass da plötzlich der Bus nicht mehr gekommen ist.“ Das sei nicht ungewöhnlich, wie Stephan Pauly sagt: „Die Beschwerden über den ÖPNV kommen in der Regel von Menschen, die nicht in den Bussen drinsitzen. Und wenn was gestrichen wird, kommen die Beschwerden von denen, die drinsitzen.“ Der ÖPNV ist und bleibt ein wichtiges Thema, das in Cochem-Zell bewegt.

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