Sturz eines Seniors wirft Fragen auf
Unfall wirft Fragen auf: Ist der Bahnhof in Wittlich wirklich barrierefrei?
Der Bahnhofsvorplatz in Wittlich-Wengerohr ist, vom Haupteingang einmal abgesehen, relativ schwach beleuchtet. Mit einem Bordstein sowie zwei Treppenstufen ist der Bereich noch nicht barrierefrei.
Christian Moeris

An einem dunklen Septemberabend stürzte ein 92-Jähriger Wittlicher auf dem Bahnhofsgelände, erlitt eine Kopfverletzung und verbrachte mehrere Tage im Krankenhaus. Die Familie ist der Meinung, der Haupteingang sei nicht barrierefrei. Aber was sagen Stadtverwaltung und Deutsche Bahn?

Der Bahnhofsvorplatz in Wittlich-Wengerohr ist, vom Haupteingang einmal abgesehen, relativ schwach beleuchtet. Mit einem Bordstein sowie zwei Treppenstufen ist der Bereich noch nicht barrierefrei.
Christian Moeris

Zehn Jahren wurde der Wittlicher Hauptbahnhof Schritt für Schritt an einigen Stellen modernisiert. Ein barrierefreier Zugang zu den Bahnsteigen, Aufzüge und auch eine behindertengerechte Toilette wurden geschaffen – für Menschen ohne Beeinträchtigung gibt es allerdings keine Toilette dort.

Der „barrierefreie“ Umbau wurde vom Land Rheinland-Pfalz, vom Landkreis Bernkastel-Wittlich und von der Stadt Wittlich bezuschusst. Aber ist der Hauptbahnhof der Kreisstadt Wittlich im Stadtteil Wengerohr aufgrund der Modernisierungsmaßnahmen nun tatsächlich barrierefrei?

Zweifel nach Unfall

Ein Vorfall, der sich vor wenigen Wochen an einem dunklen Septemberabend ereignet hat, lässt daran Zweifel aufkommen. So sieht es zumindest die Familie eines 92-jährigen Wittlichers, der an einer Bordsteinkante am Bahnhofsvorplatz gestolpert ist. Er erlitt dabei eine Kopfverletzung und wurde für mehrere Tage im Wittlicher Krankenhaus untersucht und behandelt, bevor er wieder entlassen werden konnte.

Wie kam es zu dem Sturz, bei dem der Senior auf dem Hinterkopf aufschlug? Ihr Mann sei eigentlich noch rüstig und gut zu Fuß unterwegs, erklärt seine Gattin (86) im Gespräch mit unserer Zeitung. „Er geht noch jeden Tag spazieren und Auto fährt er auch noch.“ An diesem Septemberabend sei sie um 20 Uhr mit ihrer Schwester von einer Zugreise am Bahnhof in Wengerohr angekommen. Ihr Mann habe sie mit dem Auto dort abgeholt. „Wir hatten uns am Haupteingang verabredet.“

Stufen zu schlecht markiert?

Doch vor dem Haupteingang mit den zwei Treppenstufen sei ihr Mann an der Bordsteinkante gestolpert. „Er hat furchtbar geschrien und geblutet“, erinnert sich seine Frau an den Unfall ihres Mannes. „Auch ich stolperte in der Dunkelheit über die schlecht markierten Stufen, bin aber nicht gefallen, obwohl kein Geländer vorhanden ist.“ Hilfsbereite Passanten kamen dem gestürzten Mann zur Hilfe. Ein Krankenwagen wurde gerufen. „Wir können von Glück reden, dass er nichts gebrochen hat. Aber der Schock sitzt tief.“

Die Platzwunde am Kopf des 92-Jährigen ist mittlerweile verheilt. Doch seit dem Vorfall sind die beiden Senioren wütend auf die Deutsche Bahn: In der Dunkelheit sei die Kante schlecht zu erkennen gewesen. „Eine Markierung fehlt.“ Auch die Beleuchtung dort sei nicht ausreichend, meinen die beiden Rentner. Es gebe nur im weiteren Umfeld Straßenlaternen. Sich auf dem Bahnhofsvorplatz zu bewegen, sagt die 86-Jährige, sei für ältere Menschen gefährlich, da vieles eben nicht barrierefrei sei.

Und dazu gehört der Haupteingang. „An der Treppe fehlt ein Geländer. Die Stufen und Kanten sind nicht richtig markiert und Beleuchtung fehlt“, sagt die 86-Jährige zum Bereich des Haupteingangs und des Bahnhofsvorplatzes. Die beiden Senioren sind der Meinung, dass sich diese für ältere Menschen unbefriedigende Situation am Wittlicher Hauptbahnhof jedoch mit „geringen Mitteln“ verbessern lassen würde.

Es müssen nur ein Handlauf montiert, die Stufen und Kanten mit Reflektoren markiert und mehr Laternen aufgestellt werden.

sagt die 86-Jährige

„Es müssen nur ein Handlauf montiert, die Stufen und Kanten mit Reflektoren markiert und mehr Laternen aufgestellt werden.“ Es sei unverständlich, sagt die 86-Jährige, dass der Bahnhof „barrierefrei“ modernisiert worden sei, dabei jedoch der Haupteingang außer Acht gelassen worden sei. „Am Haupteingang muss man ohne Geländer die Stufen hoch gehen und den Koffer hoch ziehen. Der ist nicht barrierefrei.

Die beiden Senioren machten die Deutsche Bahn in einem Schreiben auf den Unfall aufmerksam und formulierten darin auch die Bitte, die Beleuchtungssituation am Bahnhof zu verbessern, die Stufen am Haupteingang besser zu markieren und ein Geländer anzubringen. Doch was sagt die Deutsche Bahn (DB) als Eigentümerin des Bahnhofes und Vorplatzes zu dem Vorfall und den Barrieren, die ältere Menschen nach wie vor am Haupteingang überwinden müssen?

Deutsche Bahn sieht keine Haftungsverpflichtung

„Da kam nur Bla, Bla, Bla“, kommentiert die 86-Jährige das Antwortschreiben des Unternehmens. „Wir können keine Haftungsverpflichtung für Ihr bedauerliches Schadensereignis erkennen“, hatte die DB den Senioren auf ihr Schreiben hin mitgeteilt. Die Beleuchtung entspreche den einschlägigen Vorschriften. Bei einer nur zweistufigen Treppe, ließ die DB die Senioren wissen, gebe es zudem „keine Verpflichtung zum Anbringen eines Handlaufs“. Daher sei eine „haftungsbegründete schuldhafte Verletzung von Verkehrssicherungspflichten“ auszuschließen.

Die beiden Senioren sind jedoch vor allem darüber enttäuscht, dass die DB kein Bedürfnis sieht, ein Geländer anzubringen und etwas zu ändern. „Das ist nicht in Ordnung“, sagt die 86-Jährige. „Der Bahnhof ist nicht barrierefrei. Das ist kein Zustand. Und wenn man auf Toilette muss, weil der Zug wieder mal Verspätung hat, geht das auch nicht.“ Der Ärger über die Bahn sitzt bei den beiden Senioren tief.

Stadt sieht Bahn in der Verantwortung

Aber wie bewertet die Stadtverwaltung die Situation am Bahnhofsvorplatz und Haupteingang? „Wir gehen davon aus, dass die DB als Eigentümer des Geländes ihren Verkehrssicherungspflichten nachkommt und die barrierefreien Einrichtungen entsprechend den gesetzlichen Vorgaben unterhält. Das gilt auch für die vorhandene Beleuchtung.“ Der gesamte Bereich des nordwestlichen Teils des Bahnhofes befindet sich im Eigentum und in der Unterhaltung der DB, insoweit also auch die Verkehrssicherungspflichten.

Die Stadtverwaltung begrüßt das von der DB angekündigte Sanierungsprogramm „ ausdrücklich und hofft sehr, dass der Hauptbahnhof Wittlich in dieses Programm aufgenommen und das Vorhaben zeitnah umgesetzt wird.“ Erst vor wenigen Wochen hatte die Bahn Fenster und Türen des Hauptgebäudes ausgetauscht. Die Modernisierung soll eines Tages weitergehen. Bis es so weit ist, kann es jedoch noch dauern.

„Das Ziel der Deutschen Bahn ist, eine ganzheitliche Sanierung der Empfangsgebäude umzusetzen, wobei zunächst die Finanzierung vorab gesichert sein muss.“ Hierfür seien die laufenden Gespräche mit Bund und beteiligten Dritten abzuwarten. Für Senioren wäre zu hoffen, dass mit den folgenden Sanierungsmaßnahmen auch der Haupteingang barrierefrei und seniorengerecht umgestaltet wird.

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