Wieso lodert in den Zeiten der Fußball-WM nicht das Feuer der Begeisterung?
Trotz erfolgreicher WM: Frauen haben es im Fußball schwer
Wo bitte geht’s zum Mädchenfußball? Mädchen-Teams haben es immer noch schwer, sowohl in den Vereinen als auch in der Außendarstellung. Bricht aber die Basis weg, mangelt es an Nachschub für Frauen-Teams. Auch für diese fehlt vielerorts die Begeisterung, selbst in Zeiten einer WM. Foto: Archiv Thomas Brost
Thomas Brost

Region. Schwarzrotgold geschmückte Autos, Deutschland-Flaggen aus Fenstern, Fans mit Brillen in den Nationalfarben: So schön kann ein Fußball-Sommermärchen sein. Klinsis Buben haben es erstmals 2006 hierzulande entfacht, Jogis Jungs letztmals 2014, als die Fußball-Nationalelf Weltmeister wurde. Und warum lodert das Feuer angesichts des prima Abschneidens der Fußballerinnen bei der WM in Frankreich nicht? Eine Spurensuche in der Region.

Stell dir vor, es ist Frauenfußball-WM, und keinen interessiert's. Das ist nur die halbe Wahrheit: Vor dem Viertelfinalspiel gegen Schweden haben die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten gepunktet. Die großflächige Berichterstattung von ARD und ZDF zog Millionen vor die Bildschirme, die Einschaltquoten überflügelten gar die der U 21-Nationalelf. Kontrastprogramm in den Städten: In Mayen, Andernach, Koblenz oder Cochem herrscht Tristesse, kein Fähnlein flattert vor Euphorie im Wind. Was sind die Gründe dafür?

Apropos Fähnlein, diese Frage ist leicht geklärt: Es gebe keine Nachfrage nach Beflaggung, sagt ein Sporthändler aus der Region. Dies könne sich ändern, falls das Team von Martina Voss-Tecklenburg das Finale erreicht. Dann steht einem Fahnenmeer nichts im Wege. Theoretisch jedenfalls.

Weshalb die WM nicht beim gemeinen Fan ankommt? Dafür gibt es einige Erklärungsversuche. Der DFB behandele den Frauenfußball eher wie ein ungeliebtes Stiefkind, sagen einige. Elli Brungs, Frauenreferentin im Fußballkreis Rhein/Ahr und Mitglied im Ausschuss Frauen und Mädchen des Fußballverbandes Rheinland, äußert sich so: „Der DFB ist der richtige Ansprechpartner, von dort hätte mehr Musik kommen müssen.“ Auch die Medien hätten aus ihrer Sicht mehr berichten können, findet sie. „Es ist schon fast zu spät für Begeisterung. Es sei denn, wir werden Weltmeister.“

Jürgen Schmidt, Trainer des zweiten Frauenteams des FV Rübenach, glaubt gar, dass die „verkorkste Männer-WM in Russland“ die Begeisterung allgemein stark eingebremst hat.

Magdalena Schumacher ist einer der Spielführerinnen der SG 99 Andernach, die vor vier Wochen den Aufstieg in die Zweite Bundesliga geschafft hat. Bei ihr und ihren Teamkolleginnen ist der Funke übergesprungen. Rudelgucken mit allen inklusive. „Und wir reden auch öfter über die Frauen-WM“, betont die 23-jährige Studentin. Sie bricht eine Lanze für ihren Sport. „Er ist viel schneller geworden in den letzten Jahren.“ Aber in puncto Körperlichkeit werde es nie den Gleichstand mit den Männern geben können.

Vor „einem unzulässigen Vergleich“ zwischen Frauen- und Männerfußball warnt Elli Brungs. „Wir haben zwar Quantensprünge in den jüngsten Jahrzehnten in den Bereichen Technik und Taktik geschafft, aber wir können nie die Schnelligkeit und Dynamik des Männerfußballs erreichen.“ Beim Biathlon oder beim Tennis würde auch nicht ständig verglichen. Stefan Kieffer, Sportredakteur unserer Zeitung, stimmt zu. Ein Vergleich hapert, sagt Kieffer, der ein Buch über den Mädchenfußball („Der Fußball wird weiblich“) geschrieben hat. „Der Frauenfußball ist dann etwas Eigenes, wenn er mehr Spielfreude als taktisches Nachdenken zeigt.“ Er habe es nie geschafft, eine spezielle Identität zu finden. „Es fehlt ihm das Besondere, auch wenn die Spielerinnen, wie auch jetzt bei der WM, sympathisch und natürlich rüberkommen. Anders als die männlichen Pendants.“ Ein Frauentrainer aus dem Raum Koblenz, der nicht genannt werden will, meint lakonisch: „Irgendwann muss ein Produkt einfach von selbst laufen können.“

Ein Problem der mangelnden Akzeptanz liegt an der Basis. Es ist zwar nicht so, dass der Sport in Bausch und Bogen abgelehnt wird. „Keiner sagt mehr wie vor zehn oder 15 Jahren: Das ist kein Sport für Mädchen“, stellt Elli Brungs fest. Aber es gebe dennoch eine „wenig werbewirksame und monetäre Akzeptanz des Frauenfußballs“. Das sei auch in den Vereinen leider so, von wenigen Ausnahmen wie Andernach oder Bad Neuenahr abgesehen. Brungs: „Es liegt fast ausschließlich an den handelnden Personen und Umständen in den Vereinen.“ Noch ist der Frauenfußball im Verband nicht rückläufig. Im Gegensatz zum Mädchenfußball. Das ist für Brungs „sehr erschreckend“. Haben 2014/15 noch 181 Mädchenmannschaften am Spielbetrieb teilgenommen, waren es im Vorjahr ein Drittel weniger, nur noch 124. Es hakt in den Vereinen, neben Akzeptanz fehlen qualifizierte Trainer. „Es müsste Anreize geben, damit Vereine den Frauen- und Mädchenfußball mehr fördern, es müsste auch mehr vom DFB kommen“, sagt Brungs. Der DFB hat zwar in seinem Masterplan mit dem Modul „Leadership“ für die Ausbildung von Frauen für Vereinsarbeit gesorgt, dies könne aber nur ein Anfang sein.

Das Feuer muss also von oben und von unten kommen. Wie kann sich an der Basis die Wetterlage ändern? Jürgen Schmidt hat ein Rezept: „Einfach mal um die Ecke zum Spiel von Frauen oder Mädchen gehen und sich auf das einlassen.“

Von unserem Chefreporter Thomas Brost

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