Schwer verletzt schleppt sich eine Katze Anfang März bei rauem Wetter durch Blankenrath und bleibt vor einer Haustür sitzen. Nur mühsam kann sie sich auf den Beinen halten, legt Rast ein. Als eine Blankenratherin ihre Haustür öffnet, entdeckt sie das Tier. Allerdings ist es nicht etwa die Nachbarskatze. Nein, diese hier hat cremefarbenes Fell, einen dunklen Kopf, große, helle Augen, die weit auseinanderstehen, und Knickohren. Unverkennbar eine Rassekatze, eine Scottish Fold. Und sie blutet, und das nicht wenig. Ihr ganzer Hals ist aufgerissen, die tiefe Wunde reicht bis zum Knochen.
Lebensbedrohliche Wunde
Die klaffende Wunde ist lebensbedrohlich für das Tier, wie sich schnell herausstellt. Die Blankenratherin ist selbst unschlüssig, wo sie die Katze hinbringen soll, kontaktiert die Tierhilfe Rhein-Hunsrück. Angelika Peppel aus Buch in der Verbandsgemeinde (VG) Kastellaun meldet sich. Gleich nach dem Telefonat macht Peppel sich auf den Weg dorthin, holt die Rassekatze ab. Der Zustand des Tieres schockiert sie, obwohl Peppel schon so einiges gesehen hat. Es grenzt an ein Wunder, dass sie überhaupt noch lebt. Die 69-Jährige erzählt: „Es sah wirklich schlimm aus. Die Arme hatte wahrscheinlich ein Halsband an und ist irgendwo hängen geblieben.“
Es sah wirklich schlimm aus. Die Arme hatte wahrscheinlich ein Halsband an und ist irgendwo hängen geblieben.
Angelika Peppel von der Tierhilfe Rhein-Hunsrück
Mit der Katze fährt sie sofort in eine Tierklinik. Dort stellt eine Tierärztin fest: Die Katze ist weder tätowiert noch gechipt. Ein Besitzer kann bis heute nicht ausgemacht werden. Und dennoch muss sie operiert werden, sonst haben ihre sieben Leben ausgedient. Also beginnt ihr Kampf ums Überleben auf dem OP-Tisch. Weitere Fragen, beispielsweise wer die Operation zahlt oder wem das Tier gehört, stellen sich in diesem Moment nicht. Dazu später mehr.
Wichtige Frage muss geklärt werden: Wann gilt eine Katze als Fundtier?
Zunächst einmal ist unklar, ob die Katze überhaupt ein Fundtier ist. Dafür muss man zwischen besitzlosen und herrenlosen Tieren unterscheiden. Lea Schmitz, Pressesprecherin des Deutschen Tierschutzbundes, erklärt: „Fundtiere sind verlorene oder entlaufene Tiere, die nicht offensichtlich herrenlos sind – das heißt, zum Beispiel keine Straßentiere – und die von einer Person aufgegriffen und an sich genommen werden, die nicht schon zuvor Eigentum oder Besitz an dem Tier hatte.“
Ist ein Tier herrenlos und hat keinen Eigentümer, findet das Fundrecht also keine Anwendung. Dazu zählen auch Fundtiere, weil diese ausgesetzt wurden und damit das Eigentum abgegeben wurde. Jemand muss das Tier also vermissen. Die Unterscheidung wird laut Schmitz oftmals an äußeren Merkmalen festgemacht, beispielsweise Tätowierungen, Chips, dem Pflegezustand, Verhalten oder Tragen eines Halsbandes.
Fundtier hin oder her – in diesen kritischen Augenblicken ist das erst einmal unwichtig. Die Katze ist so stark verletzt, dass in der Tierklinik und auch Tierschützerin Peppel schnell klar ist: Sie muss operiert werden. Nach der OP nimmt Peppel, die seit mehr als 25 Jahren in der Tierhilfe tätig ist, die Katze bei sich zu Hause auf – vorübergehend. Offiziell läuft sie unter dem Namen „Fundkatze Blankenrath“, damit die Bürokratie nicht in den Weg kommt, meint die Frau mit dem riesengroßen Herz für Tiere. Zu Hause nennt sie sie aber „Valentina“: „Sie ist eigentlich zuckersüß. Nach der OP musste sie in der Box bleiben und war natürlich todunglücklich.“
Im Hintergrund hört man ein wiederholtes Miauen, das nach Meckern klingt. In der Box sitzt sie zwar nicht mehr, aber Valentina gefällt ihre Halskrause ganz und gar nicht. „Die muss sie aber tragen“, sagt Peppel. „Denn sie ist leider eine kleine Problemkatze, die sich ihre Wunden immer wieder aufs Neue aufkratzt.“ Unterdessen stellt sich nun noch ein anderes Problem: Die Kosten der Tierklinik bleiben. Und das sind nicht wenige: 2000 Euro und mehr muss Peppel vorerst privat zahlen. Das Geld will sich die Hunsrückerin von der VG Zell zurückholen. Bislang wurde diese Rechnung laut ihr jedoch ignoriert, „Valentina“ ist inzwischen bei einer anderen Pflegestelle, da Peppel Platz für andere Katzen brauchte.
Aus diesem Grund ist die VG Zell involviert
Doch was hat die Verbandsgemeinde überhaupt damit zu tun? Der Deutsche Tierschutzbund sagt: „Die Fundtierverwahrung und -betreuung ist eine öffentlich-rechtliche Aufgabe, die sich aus dem Fundrecht ergibt.“ Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch und dem darin enthaltenen Fundrecht sind die Gemeinden dazu verpflichtet, Fundsachen – dazu zählen auch Fundtiere –, die im Fundbüro oder einer autorisierten Stelle abgegeben werden, für sechs Monate aufzubewahren. „Das heißt, erst einmal ist die Gemeinde oder Stadt, in der das Tier gefunden wurde, zuständig“, erklärt Schmitz.
Wichtig ist dabei, wie sie betont: „Zuständig sind die Kommunen erst nach Ablieferung des Tieres beim Fundbüro oder einer dafür autorisierten Stelle. Nach dem Bundesverwaltungsgericht ist das Wort ‚Ablieferung‘ grundsätzlich wörtlich in der Weise zu verstehen, dass das Tier körperlich vom Finder abgegeben wurde. Die Ablieferung kann gleichwertig ersetzt sein, wenn ein Tier schwer verletzt ist und direkt in die Tierklinik gebracht wurde und die Gemeinde davon unverzüglich in Kenntnis gesetzt wurde.“
Differenzen um die Zuständigkeit
Zeitsprung zum Tag, an dem „Valentina“ schwer verletzt gefunden wurde: Gleich, nachdem die Blankenratherin das Tier an ihrer Türschwelle fand, versucht sie auszumachen, wen sie anrufen muss, wer zuständig ist. Sie kontaktiert die VG Zell – vergeblich, denn diese weist sie ab. Dann nimmt sie Kontakt zur Tierhilfe Rhein-Hunsrück auf, spricht mit Angelika Peppel. Die Hunsrückerin ist aufgebracht: „Die Finderin wurde von der VG im Regen stehen gelassen. Ich habe daraufhin auch versucht, mit denen zu sprechen. Aber die wehren sich mit Händen und Füßen, dass sie für die Katze zuständig sind.“
Nach den uns vorliegenden Erkenntnissen handelt es sich höchstwahrscheinlich nicht um eine Fundkatze.
Stephan Lenartz von der VG Zell über die Katze aus Blankenrath
Stephan Lenartz von der VG Zell bestätigt, dass sie wegen der Katze kontaktiert wurden, unmittelbar nachdem sie gefunden wurde und auch unmittelbar nachdem sie in die Tierklinik gebracht wurde. Allerdings gibt es einen Knackpunkt: Denn damit die VG für die Rassekatze tatsächlich zuständig ist, muss sie tatsächlich eine Fundkatze sein. Oftmals würden gefundene oder zugelaufene Katzen direkt als Fundtiere bezeichnet – fälschlicherweise. Und da kommen wir wieder zurück zur Definition: „Diese Tiere wurden zwar gefunden, sind aber deshalb nicht unbedingt Fundkatzen im Sinne des Fundrechts“, betont Lenartz.
Laut Verbandsgemeindeverwaltung Zell ist es bei der besagten Katze in Blankenrath nicht abschließend geklärt, ob es sich um eine Fundkatze handelt. Zum Zeitpunkt des Auffindens war nur bekannt, dass das Tier weder Chip, noch Halsband trägt. Bei Katzen sei eine Beurteilung im Einzelfall oft sehr schwierig: Sie sind oft streunende Tiere, „die tagelang umherziehen können, um aber dann wieder zum Eigentümer zurückzukehren“, sagt Lenartz und fährt fort: „Nach den uns vorliegenden Erkenntnissen handelt es sich höchstwahrscheinlich nicht um eine Fundkatze.“ Dem stellt Lea Schmitz vom Tierschutzbund jedoch gegenüber: „Wenn die Verletzung im Halsbereich vermutlich von einem Halsband kommt, ist davon auszugehen, dass es sich tatsächlich um ein Fundtier handelt.“
Herrenlos oder Fundtier?
Grundsätzlich sei es folgendermaßen, erklärt Lenartz: „Die Verpflichtung der Gemeinden zur Übernahme der erforderlichen Kosten für ein Tier bezieht sich ausschließlich auf Fundtiere.“ Aufwendungen könnten von der Fundbehörde daher erst übernommen werden, wenn feststeht, dass es sich bei dem Tier tatsächlich um ein Fundtier handelt – „dies aber nur längstens von vier Wochen“, betont Lenartz. Und auch, wenn sich nach mindestens vier Wochen kein Eigentümer finden lässt, wird laut VG-Verwaltung ein aufgefundenes Tier als herrenlos betrachtet.
Wenn es sich um ein Fundtier handelt, dann zahlen wir auch. Aber wir haben keinen gesetzlichen Auftrag, und auch bei uns wird genau darauf geachtet, welches Geld wir wofür ausgeben.
Stephan Lenartz von der VG Zell
Um einen möglichen Eigentümer zu ermitteln, hat die VG das Tier in ihren Medien auf das aufgegriffene Tier hingewiesen, macht Lenartz aufmerksam. Auf der Homepage steht die Katze beim Fundbüro unter der Rubrik „Aktuell als gefunden abgegeben oder gemeldet worden“. Ob noch ein Besitzer gefunden wird, bleibt abzuwarten. Lenartz sagt jedoch: „Es wird oft auf Rechtsprechung verwiesen, aber bei den Urteilen ging es dann auch immer um klar bewiesene Fundtiere. Wenn es sich um ein Fundtier handelt, dann zahlen wir auch. Aber wir haben keinen gesetzlichen Auftrag, und auch bei uns wird genau darauf geachtet, welches Geld wir wofür ausgeben.“
Differenzen rund um das Thema Fundkatzen gab es schon vorher
Inzwischen steht auf der Rechnung für „Valentina“ eine vierstellige Summe. Mehr als 2000 Euro – und die kann Peppel nicht einfach mal so privat zahlen. „Die Rechnung wird der VG Zell bald vorliegen“, sagt die Hunsrückerin. Sie geht jedoch davon aus, dass das nicht problemlos ablaufen wird. In der Vergangenheit habe sie bei der VG Zell schon öfter auf Granit gebissen, wenn es um Tiere ging, die die Tierhilfe aufgenommen hat: „Auch im vergangenen Jahr gab es zwei Fundtiere, bei denen die VG kommentarlos nicht bezahlt hat, trotz Mahnungen und Anrufen. Die erklären uns nicht mal, warum.“ Besonders ärgert sie sich, weil sie mit den VG Kastellaun, Kirchberg (Hunsrück) und Simmern-Rheinböllen andere Erfahrungen gemacht hat.
Mit diesen Verwaltungen hat die Tierhilfe jedoch entsprechende Fundtierverträge. Peppel erklärt: „Die bezahlen uns einen festen Betrag im Jahr. Dafür sind wir verpflichtet, die Fundtiere aus diesen VG aufzunehmen – was wir auch tun. Das Geld reicht zwar nicht immer aus, aber immerhin.“ Mit Zell gibt es keinen Vertrag. Laut Peppel habe es vonseiten der VG geheißen, dass es dort kein Problem mit Fundtieren gebe und dementsprechend auch kein Vertrag notwendig sei.
Das bestätigt Stephan Lenartz von der VG Zell: „In der Vergangenheit war ein Fundtiervertrag mit einer Tierschutzorganisation bisher nicht vonnöten. In den Fällen, in denen die Voraussetzungen erfüllt waren, haben wir in der Vergangenheit die Kosten für Fundtiere im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs als zuständige Kommune übernommen. Zuletzt hatte aber beispielsweise die Tierhilfe Rhein-Hunsrück den Abschluss eines besagten Vertrages verneint.“
Das sei korrekt, sagt Peppel: „Wir können nicht noch die Fundtiere aus anderen Landkreisen aufnehmen. Dafür fehlen uns nicht nur das Geld, sondern auch der Platz und die Zeit.“ „Valentina“ sei eine Ausnahme gewesen, weil die 69-Jährige gerade einen Platz frei hatte, das komme jedoch nicht oft vor. wih