Nachweislich kann der Umgang mit Tieren sich nämlich auf Menschen mit Beeinträchtigung positiv auswirken, sowohl auf physischer, als auch psychischer Ebene. Im Kloster Ebernach wird seit Neustem ganz gezielt mit tiergestützter Intervention gearbeitet.
Hannah Wirtz‘ große Leidenschaft sind Tiere. Das war schon immer so. Aufgewachsen ist die heute 25-Jährige nämlich in einem landwirtschaftlichen Betrieb in Dreis-Brück, wo sie auch heute noch wohnt. Ihr selbst gehören vier Pferde, Ochsen, Esel, Kaninchen und Co., aber sie umgibt sich auch außerhalb des Hofes ihrer Familie mit Tieren – unter anderem eben auch am Kloster Ebernach. Seit diesem Jahr hilft sie den Bewohnerinnen und Bewohnern mit tiergestützter Intervention, zusätzlich zu ihrem Job als Heilerziehungspflegerin.
Was kompliziert klingt, ist es eigentlich gar nicht: „Als tiergestützte Intervention zählt im Grunde genommen alles, was in der Begegnung mit den Tieren stattfindet“, so Wirtz. Es gilt als Oberbegriff, wozu eben nicht nur die Therapie an sich zählt, sondern auch schon einfache Aktivitäten mit den Tieren. Das beginnt bei Beobachtungen bei einem Picknick mit den Tieren und geht bis zum Schwimmen mit Delfinen. Die gibt es in Cochem zwar nicht, dafür aber andere tierische Helfer.
So sieht zum Beispiel eine tiergestützte Intervention am Streichelzoo des Klosters Ebernach aus: Zuerst wird Ausschau nach den Eseln gehalten. Die sind nämlich nicht immer so einfach zu finden, verstecken sich auch mal gerne. Die Bewohner und Bewohnerinnen führen die Vierbeiner mit einem Halfter von der Wiese, binden sie an, putzen und knuddeln sie – bis sie dann spazieren gehen. Und diese Spaziergänge, so einfach es auch klingt, können einen großen Effekt erzielen.
Hannah Wirtz erzählt: „Den Spaziergang mit den Eseln nutze ich gerne zum Austausch und als Türöffner: Die Leute sprechen dann auch gerne mal über ernstere Themen, wovor sie sich sonst eher scheuen.“ Mit einem Bewohner spazierte sie so beispielsweise zum nahe gelegenen Friedhof, wo ein Freund von ihm beerdigt wurde. Während Wirtz vor dem Tor mit den Eseln wartete, ging der Mann auf den Friedhof. Etwas, was er ohne die Esel vielleicht nicht getan hätte, denn zuvor hatte er sich vor diesem Schritt gesträubt.
Manchmal passiert das einfach so, ohne dass es vorher geplant war. An anderen Tagen verfolgt Hannah Wirtz mit ihrer Intervention ein ganz bestimmtes Ziel. „Ob man das Ziel auch erreicht, hängt aber nicht nur vom Menschen ab, sondern auch vom Tier. Ein Esel kann schließlich auch mal einen schlechten Tag haben.“ Wichtig sei nur, nicht direkt mit Zielen anzufangen, die über das Tor hinausschießen. Stattdessen wird klein angefangen: 15 Minuten Konzentration, wenn sie das erreicht, ist Wirtz schon stolz auf ihre Arbeit.
Nicht bei allen Menschen mit Beeinträchtigung kann ein Effekt erzielt werden, aber bei anderen dafür umso mehr. Wirtz sagt: „Bewohner, die man sonst nie hört oder sieht, blühen plötzlich auf.“ So auch bei einer Bewohnerin: Normalerweise spricht sie nicht. Bei einer Fahrt auf den Bauernhof von Wirtz' Familie freundet sie sich schnell mit einer Katze an – und plappert plötzlich fröhlich und auch viel mit dem Vierbeiner.
Hannah Wirtz erklärt, woran es liegt, dass ausgerechnet Tiere einen solchen Effekt auf Menschen mit Behinderung haben: „Tiere bewerten nicht. Sie nehmen dich, wie du bist, ihnen ist egal, was, wer oder wie du bist. Sie verlangen nichts von dir und ganz wichtig: Es gibt keinen gesellschaftlichen Druck. Und genau das schätzen auch unsere Besucher. ‚Vielleicht bin ich anders, aber das Pferd und der Hund kommen trotzdem zu mir‘ ist die Botschaft, die viele daraus mitnehmen.“
Veit Schommers vom Freizeitbüro von Franziskaner mobil organisiert und begleitet die Bewohner regelmäßig bei Fahrten auf den Bauernhof in Dreis-Brück. Hier geht es vor allem darum, die Menschen an die Tiere heranzuführen. Er beobachtet immer wieder, wie gut ihnen der Umgang mit den Tieren tut. Oft würden sie die Tiere nur aus der Distanz kennen. Schommers sagt: „Und dann lernen sie, dass es eigentlich ja eine ganz angenehme Sache ist, wenn einem ein Kälbchen so nah kommt und die Kuh einem beim Füttern vielleicht über die Hand leckt.“
Immerhin unterhalten sich die Bewohner stets freudig mit den Tieren, loben sie und bedanken sich. „Man merkt schon sehr stark, dass sich zwischen Mensch und Tier eine kleine Sozialkompetenz aufgebaut hat“, so Schommers. Auch das Drumherum zählt: „Gerade für die Männer sind Traktoren und Geräte wie ein Melkroboter Highlights“, erzählt Schommers. Bei den Fahrten erziele man so auch einen Lerneffekt: Wo kommt die Milch her? Was passiert mit der Gülle? Wie fühlt sich eine Kuh eigentlich an? Sehen, Erleben, aber auch Verstehen stehen hier an erster Stelle.
Für das Kloster Ebernach an sich ist Hannah Wirtz mit ihrer tiergestützten Intervention jedenfalls ein Gewinn, sagt auch Sandra Schneemann, Pressesprecherin der Einrichtung: „Es ist gut, noch mal ein zusätzliches Freizeitangebot für die Bewohner zu haben. So ist der Streichelzoo auch nicht nur Streichelzoo, sondern zusätzlich ein therapeutisches Angebot.“