Am Ostermontag wollten der Schwiegersohn und die -tochter von Helmut Baumeister, beide Jäger, in ihr Revier bei Kliding fahren, um Wildkameras aufzustellen. Der Klidinger, Helmut Baumeister, sagt: „Das mussten sie dann aber gar nicht mehr. Denn der Wolf stand plötzlich mitten auf dem Feld.“ Auch er selbst ist zum Sichtungsort gefahren – schließlich ist es nicht alltäglich, dass am helllichten Tag um die Mittagszeit ein Wolf auftaucht. Baumeister erzählt: „Er hat sich dann einfach aufs Weizenfeld gelegt und sich gesonnt.“ Sein Video verbreitet sich auf Facebook und Whatsapp in rasantem Tempo.

Gefilmt wurde aus dem Auto heraus, im Hintergrund hört man eine beeindruckte Kinderstimme: „Ich hab noch nie so’n echten Wolf gesehen.“ Weitere Stimmen wundern sich, wie nah das Tier an das Auto kommt, ob auch alle Fenster und Türen zu sind, eine Kinderstimme stellt wieder fest: „Der hat null Angst.“ Auf dem Video zu sehen ist ein Tier, das tatsächlich wie ein Wolf aussieht. Gemütlich trottet es auf der Wiese entlang, an einem hölzernen Hochsitz vorbei. Laut Baumeister war es ein Abstand von fünf bis zehn Metern. Es zeigt keine Scheu, lässt sich von dem Fahrzeug und den Menschen darin nicht stören: „Das Märchen vom Wolf, der die Menschen scheut, hat sich in dem Fall nicht bewahrheitet.“
Untypisches Verhalten für einen Wolf
Franz-Josef „Josi“ Becker, Vorsitzender der Kreisgruppe des Landesjagdverbandes Rheinland-Pfalz, gibt zu bedenken: „Dass der Wolf so nah an das Auto gekommen ist, ist alles andere als normal und nicht gewöhnlich.“ Auch die Tageszeit, zu der er sich offen auf einem Feld präsentiert hat, sei vollkommen untypisches Verhalten.

Der Förster Jörg Herzog, der als Leiter des Forstreviers Lutzerather Höhe auch Kliding betreut, kann die Örtlichkeit bestätigen: „Auf dem Video kann ich erkennen, dass es sich tatsächlich um Kliding handelt.“ Auch Albert Jung, Bürgermeister der Verbandsgemeinde (VG) Kaisersesch, hat sich die Umgebung von einem Schweißhundeführer aus Kliding bestätigen lassen: „Ich bin immer vorsichtig, wenn Videos kursieren, damit keine Falschmeldungen über die Sichtung oder die Örtlichkeit entstehen.“
Laut VG-Chef Jung ist es ein einzelnes Tier, das umherzieht: „Es sieht wölfisch aus, vermutlich ist es aber ein Hybrid.“ Das schließe er aus dem Aussehen des Tiers. Begeistert ist Jung darüber nicht: „Wenn sich Hybride mit echten Wölfen mischen, dann ist auch dem Tier nicht geholfen. Der Tierart tut man damit jedenfalls keinen Gefallen.“
Generell sagt der VG-Bürgermeister aber, dass eine Sichtung wie diese kein Grund ist, Panik zu verursachen. „Weidetierhalter sollte man aber schon warnen“, führt er fort. „Wenn sie ihre Weidetiere nachts nicht einstallen, dann sind sie einfache Beute für den Wolf. Der geht natürlich den Weg des geringsten Widerstands.“ Ein Zaun stellt für das Raubtier keine große Hürde dar und beispielsweise Schafe, die nachts frei auf einer Wiese schlafen, wären einem Wolf machtlos unterlegen.
Genau dieser Aspekt ist Grund, warum sich viele Jäger für die Regulierung des Wolfaufkommens einsetzen. Josi Becker sagte erst vor Kurzem im Interview mit unserer Zeitung: „Wenn es für den Wolf genügend ’Fressstände’ gibt, wie es für uns Menschen Imbissbuden gibt, warum sollte er dann anfangen, den Wildtieren mühsam hinterherzuhetzen? Da bedient sich das Raubtier lieber da, wo es viel einfacher ist, wo es einfach nur einen Zaun überwinden muss.“ Für ihn steht an erster Stelle, den Weidetierhaltern zur Seite zu stehen.

Cochem-Zeller Jäger bläst zur Attacke gegen Wölfe
Wie beeinflusst die Rückkehr des Wolfs das Verhalten des Wildes, und welche Folgen hat das für Jäger, Weidetierhalter und Tourismusregionen wie Cochem-Zell? Jäger Franz-Josef Becker hält den aktuellen Umgang mit dem Wolf für weltfremd.
Immer wieder fangen Wildkameras Fotos von den Wölfen ein, gewöhnlich eher nachts. So auch nicht unweit von Kliding, wie Jung erklärt, rund um Lutzerath. Erst vor Kurzem hat laut Becker eine Kamera in Hambuch ausgelöst. Beunruhigend per se fand der Klidinger Baumeister die Begegnung mit dem Wolf zwar nicht, aber dem Raubtier auf freier Wildbahn ein erstes Mal so nahe zu sein, gab ihm trotzdem zu bedenken: „Ich muss sagen, ich bräuchte den Wolf hier jetzt nicht. Der kann uns hier im Urlaubsland Cochem-Zell gerne fernbleiben.“