Fast lebensgroße Holzskulpturen empfangen die Besucher im parkähnlichen Garten von Dorothea Kirsch in Gillenbeuren. Zum 21. Mal hat die Künstlerin unter dem Namen Sommernachtsraum zu einer Open-Air-Kunstausstellung eingeladen. Schatten spendende Bäume machen den Aufenthalt bei hochsommerlichen Temperaturen für die 17 Ausstellenden sowie die Gäste nicht nur erträglich, die Bäume dienen den Künstlern auch als Ausstellungsfläche.
Ulrike von Quast hat Skulpturen aus Wachs an die Äste gehängt. Auf die Frage, ob das Wachs angesichts der Außentemperatur nicht anfängt zu schmelzen, muss die Wahl-Peterswälderin lachen. „Dafür müsste es schon noch ein ganzes Stück heißer werden“, sagt sie.

Die anfangs erwähnten Holzskulpturen gehören zweifellos zu den Hinguckern der Ausstellung. Aus einem Stamm fertigt der Essener Bildhauer Roger Löcherbach die Figuren an. „Zuerst mit der Kettensäge, später mit dem Schnitzeisen“, sagt er. Baum und Mensch gehören für Löcherbach zusammen. Seine Figuren erzählen ihre eigenen Geschichten. „Und dabei kann sich der Betrachter ausdenken, wie diese Geschichte lautet“, ist Löcherbachs Statement. Die dargestellten Szenen sind oft surreal. Da sitzen zwei schwarze Raben auf der Schulter einer Frau oder eine Eule auf der Schulter eines Mannes in Badehose.
Bei der sommerlichen Hitze haben sich weniger Kunstinteressierte eingefunden als sonst. Dennoch ist die Atmosphäre – wie in jedem Jahr – eine Besondere. Kunst unter freiem Himmel gibt es eben nicht alle Tage. Nicht nur auf der riesigen Ausstellungsfläche der Wiese im Park, auch in Gartenschuppen, Garage und Werkstatt zeigen einige Künstler ihre Werke. „Das ermöglicht es uns auch, Gemälde zu zeigen, was früher unter freiem Himmel nicht gut umsetzbar war“, erklärt Kirsch.

Treibholz, Stängel von Königskerzen und Nylonstrümpfe verarbeitet
In der Werkstatt am Wohnhaus ist es angenehm kühl. Hier werden neben Gemälden auch Lichtinstallationen gezeigt. „In diesem Jahr liegt der Fokus insgesamt mehr auf Installationen“, sagt die Künstlerin. Kirsch lädt die Aussteller gezielt ein. Einige sind neu, andere haben schon mehrfach hier ausgestellt. „In diesem Jahr habe ich vor allem nach subtilen Dingen gesucht“, betont Kirsch. Die Künstlerin selbst zeigt eine Installation, angelehnt an ihren Namen, unter einem Kirschbaum. Der Titel des ungewöhnlichen Kunstobjekts lautet „Aus Abrahams Wurstkessel“. Die Intention der Künstlerin dabei ist, zu zeigen, wie aus einem amorphen Zustand etwas Gefasstes wird, das man Leben nennt. Treibholz, Stängel von Königskerzen und Nylonstrümpfe hat sie unter anderem für das Objekt verarbeitet. Genau wie ihr Künsterkollege Löcherbach lautet auch Kirschs Credo: Jeder kann in den Objekten sehen, was er will.

Zurück im Park ist auf der großen Wiese ein Pavillon aufgebaut. Hier können die Besucher ausruhen und sich austauschen. Gerne diskutieren die Ausstellenden mit. Hier begegnen sich Künstler und Besucher auf Augenhöhe. Zu den altbekannten Ausstellern gehört auch Christoph Anders. Der 86-jährige Bildhauer aus Senheim überrascht die Besucher diesmal mit einem Rätsel. 16 Reliefelemente aus Gips bilden zusammen ein großes Ganzes, das es zu erraten gilt. Dazu dürfen die Gipsnegative von den Gästen gedreht und vertauscht werden. „Die Auflösung erfolgt im nächsten Jahr“, sagt Anders. Seine Frau Maria hat derweil mit Bekannten auf einer Bank unter dem Baum vor einer Torte Platz genommen. Ob die nicht wegschmilzt in der Hitze? Nein, lacht Anders. Die Kuchenstücke sind aus Ton gebrannt und bemalt worden und sehen nur aus wie ein echter Kuchen. Ein kleiner Scherz, den der Künstler sich für die Ausstellung erlaubt hat.

Besonderer Charme entspannter Plaudereien
Viele der Gäste, beispielsweise eine Gruppe des Theatervereins Kaisersesch, kommen jedes Jahr zum Sommernachtsraum nach Gillenbeuren. Die Besucher, ob Bekannte oder Fremde, schlendern ungezwungen an den Kunstobjekten vorbei, bleiben hier und da stehen, betrachten und diskutieren.
Daniela Polz aus Höhr-Grenzhausen hat paarweise Arbeiterschuhe um einen Baum gruppiert. Sie erklärt: Das ist eine Hommage an die Arbeiter der Sayner Hütte.“ Polz war in Sayn, als die Hütte geschlossen wurde, die Arbeiter hatten ihre Schuhe ausgezogen und achtlos liegen gelassen. Das Bild, das sie seither im Kopf hatte, hat Polz nun in der Kunstinstallation unterm Baum verarbeitet.
Zu den Künstlern, die schon mehrmals beim Sommernachtsraum vertreten waren, gehören Detlef Backhaus aus Gillenbeuren, Günther Obermaier aus Köln, Anna Stelloh und Franz-Josef Kochs aus Blankenheim. Und die, die neu dabei waren, kommen sicher gern wieder.