Liesenich/St. Aldegund – Es ist nicht immer alles so, wie es scheint: Nur weil etwas rot ist und schwarze Tupfen hat, ist es noch lange kein Marienkäfer. In Liesenich jedenfalls kann man beim Anblick von drei schwarz gepunkteten Tierchen mächtig ins Staunen kommen. Denn was man sieht, sind keine Käfer, sondern Schildkröten, genauer gesagt: Griechische Landschildkröten. Es war allerdings nicht der Besitzer der Tiere, der hier den Farbpinsel geschwungen hat. Dementsprechend verärgert ist dieser jetzt.
Fünf Schildkröten hatte der Liesenicher vor einigen Jahren mit seiner damaligen Frau für die Kinder angeschafft. Nach der Trennung nahm die Exfrau die Schildkröten mit nach St. Aldegund. Unzulässigerweise, meint ihr Exmann, schließlich sei er der rechtmäßige Halter.
Da die Frau selbst keinen Platz für eine artgerechte Haltung der Schildkröten hatte, brachte sie die Tiere bei Bekannten in der Nachbarschaft unter, einem niederländischen Ehepaar mit großem Garten und vielen Kleintieren. Als die Töchter vor etwa zwei Wochen zu Besuch kamen, um ihre Schildkröten zu sehen, wurde der Niederländer nach Angaben des Geschädigten wütend. Eine Woche später bekam eine Tochter die Schildkröten wieder zu Gesicht: Der Bekannte hatte diesen in der Zwischenzeit den Panzer bepinselt: in Marienkäferoptik. Für den Tierbesitzer ist das Verhalten des Niederländers völlig unverständlich: „Er meinte, er hätte das gemacht, damit er gleich sehe, wenn ich ihm die Tiere aus dem Garten holen würde.“
Veterinäramt sieht „keine Tierschutzrelevanz“
Daraufhin informierte der Geschädigte das Kreisveterinäramt in Cochem mit der Bitte, jemand solle sich die Schildkröten einmal ansehen. Das Urteil der Veterinärin: „Die Tiere befanden sich in einem guten Ernährungs- und Gesundheitszustand. Ein Grund zur Beschlagnahmung und damit Wegnahme der Tiere liegt nach dem Tierschutzgesetz nur vor, wenn ein Tier länger anhaltende oder erhebliche Schmerzen oder Schäden erleidet. Dies war in diesem Fall nicht gegeben. Der Fall mag zwar ungewöhnlich sein, weil die Tiere sehr stark bemalt sind, hat aber nach fachlicher Einschätzung des Veterinäramts keine Tierschutzrelevanz.“ Damit wollte sich der Liesenicher aber nicht abfinden.
Zwischenzeitlich hatte sich die Exfrau bereit erklärt, ihrem Exmann die Schildkröten zurückzugeben. Sie übergab ihm die Tiere am Sonntag auf dem Endertplatz in Cochem. Sofort danach ging der Hunsrücker zur Cochemer Polizei und meldete die Bemalung der Schildkröten. „Wäre ich vorher noch mal nach Hause gefahren, hätten die am Ende noch gedacht, ich wäre das selbst gewesen“, meint er dazu. Die Polizisten nahmen ein paar Farbproben vom Panzer. Anschließend leiteten sie den Fall an die Zeller Kollegen weiter. Es sollte geklärt werden, ob eventuell der Tatbestand der Tierquälerei oder der Sachbeschädigung vorliege. Nach einem Gespräch mit dem Kreisveterinäramt und der Stellungnahme des Niederländers hat man dort den Fall aber bereits zu den Akten gelegt. Ein weiterer Besuch beim Veterinäramt blieb für den Liesenicher erfolglos.
Ein Hund als Reptilienbefreier
Der Niederländer begründet seine ungewöhnliche Pinselei übrigens wie folgt: Die in Obhut gegebenen Schildkröten durften bei dem Ehepaar im Garten residieren. Minka, der sehr lebendige Schäferhund der Familie, machte sich jedoch regelmäßig einen Spaß daraus, die Schildkröten aus ihren Gehegen zu befreien. Diese nutzten ihre neu gewonnene Freiheit gern, um sich aus dem Staub zu machen. „Weil es immer ewig gedauert hat, bis wir sie wiedergefunden haben, kam ich auf die Idee, sie einfach rot anzumalen“, erzählt der Niederländer. Das sei jedoch völlig unschädlich. Es handele sich um eine ungiftige, atmungsaktive Farbe.
Der Liesenicher lässt das nicht gelten, für ihn ist die Bemalung eindeutig Tierquälerei. Er hat jetzt mit seinem Anwalt gesprochen, will auf jeden Fall auf einer Anzeige bestehen. Zudem will er den Tierschutzverein Mayen kontaktieren. Ein Schildkrötenzüchter hat sein Kommen angekündigt. Mit einer Tierärztin hat der Liesenicher auch geredet. Die habe ihm geraten, lieber nicht zu versuchen, die Farbe abzubekommen, um den Panzer der Tiere nicht zu beschädigen.
Sollte sich bestätigen, dass die Farbe harmlos ist, wäre der Tatbestand der Tierquälerei wohl vom Tisch. Bliebe dann noch zu klären, ob die Bemalung des Panzers eine Sachbeschädigung ist.
Von unserer Mitarbeiterin Anne Koark