Wer ins Kaisersescher Heimatmuseum eintritt, wird Begriffen begegnen, die genauso ausgestorben sind wie die Dinge, die sie beschreiben. Wer weiß beispielsweise, was ein Hutformer ist, wer weiß, wie eine Paniermehlmaschine gearbeitet hat, weshalb Zuckertässchen beliebte Sammelobjekte waren? Dies alles für das kollektive Gedächtnis der Menschen im 21. Jahrhundert zu bewahren, hat sich Matthias Schnitzler zur zeitraubenden, ehrenamtlichen Aufgabe gemacht. Seit mehr als 20 Jahren hält der 75-Jährige die Augen auf, um etwas, das Zeitgeschichte darstellt, zu sammeln – und zu überführen. Inzwischen zählt das Heimatmuseum, das im Prison im Herzen der Stadt liegt, gut 2000 Ausstellungsgegenstände aus der Eifel- und Moselregion. Eigentlich ein Grund, zufrieden zu sein. Aber Matthias Schnitzler drückt an zwei Stellen der Schuh.
„Mir sind alle Gegenstände im Museum lieb und teuer.“
Matthias Schnitzler, Leiter des Heimatmuseums Kaisersesch
Wie hat sich das Museum seit 2003 entwickelt? Als ihn der damalige Stadtbürgermeister Werner Lutz im Jahr 2003 mit der Aufgabe betraut hat, im ersten Stock des früheren Gefängnisses das seit zwei Jahren bestehende Museum zu betreuen und mit Alltagsgegenständen aus vergangener Zeit einzurichten, holte sich Matthias Schnitzler erst mal Expertise. Irmgard Zimmer, die Kulturbeauftragte der Kreisverwaltung, traf sich monatlich mit ihm und gab Ratschläge, was in ein Heimatmuseum gehört. Es fing bei ihm an mit zwei Sauerkrauttöpfen aus Steinguss, die früher im Keller von Schnitzlers Großeltern standen. „Ich wollte sie nicht hin und her räumen, denn dann wären sie zu Bruch gegangen“, entsinnt sich Schnitzler. In Töpfen gärte einstmals Weißkohl, bis er als Sauerkraut genießbar war.

Ein Jahr trug man sich mit Vorbereitungen, ehe das Museum im September 2004 erstmals seine schwere Pforte öffnete. Schnitzler weiß noch genau, wer als Erster hereintrat. „Mit einem Protokollbuch des Kaisersescher Männergesangvereins, wohl 1947 gegründet und unter der Leitung von Josef Knauf, betrat Frau Lauer das Museum.“ Wie zum Beweis zieht Schnitzler das voluminöse Buch hervor. In der Anfangszeit füllte sich das Museum rasch, dazu trugen auch die 7920 Besucher (bis Ende 2024) bei, die Mundpropaganda betreiben. Jeden ersten Sonntag im Monat ist die Türe zum Nulltarif offen, dazu reichen helfende Hände Kaffee und Kuchen.
Skurrile Storys bekam der Museumsleiter immer zu hören, eine der skurrilsten ist diese: Zwei Nonnen brachten den jahrzehntealten Reisekoffer eines Künstlers mit, der ursprünglich gespickt war mit Aufklebern aus vielen Ländern. Weil die Nonnen darin Bibeln transportieren sollten, die sie in Klöster brachten, waren die Aufkleber unschicklich und „eher peinlich“, wie Schnitzler es formuliert. Bis auf einen – er zeigt den US-Bundesstaat Virginia – wurden alle entfernt. Der Koffer nimmt jetzt einen zentralen Platz im großen Ausstellungsraum, er ist einer von zwei Räumen im ersten Stock, ein.

Was treibt Museumsleiter Schnitzler um? Alle Eingänge werden mit Schnitzlers Kamera dokumentiert, der Gegenstand landet zudem auf Archivkarten. Das ist aber nicht der Weisheit letzter Schluss. Weil der Eingang überbordend ist, kommt er „kaum hinterher“. „Ich bräuchte jemanden, der im Museum mitmacht, der mich unterstützt.“ Konkret ist da zum einen die Inventarisierung. Die könnte leichter über einen Computer mit Programm laufen, da erkennt Schnitzler einen Weg zur Arbeitsteilung. Finanziell könnte der Förderverein womöglich einspringen. „Wer allgemeines Interesse an Geschichte hat, darf sich angesprochen fühlen.“
Hilfreich wäre auch, jemand zu finden, der mit der Pflege und Aufbewahrung von Kleidung umgehen kann – so sind im Prison zum Beispiel alte Uniformen zu sehen. Schnitzler selbst ist relativ oft im Prison, auch weil er ausmessen muss, was noch in die Ausstellung rein kann. Denn dahinter verbirgt sich das zweite Problem: Ausstellung und das Lager (im Speicher) sind vollgelaufen, es fehlt Raum. Einen kleinen, wertvollen Teil hat Schnitzler in die Alte Schule ausgelagert: den alten Herd, eine Kommode sowie Mobiliar aus dem früheren Haus Bonn sowie Tische und Stühle aus dem Gasthaus Wagener (2018 abgerissen). Solche Räume wie in der Alten Schule könnte Schnitzler zur „Expansion“ gut gebrauchen. „Vielleicht kann man ein Gebäude in Kaisersesch angehen, um alles das, was interessant ist, dem Bürger zugänglich zu machen.“ Aus diesem Hintergrund sei auch der Förderverein gegründet worden.

Was sind einige Glanzlichter in der Ausstellung? Vor zwölf Jahren gelang Matthias Schnitzler ein Coup. Als der Turm der benachbarten St.-Pankratius-Kirche abgerissen wurde, sollten die beiden Stahlgussglocken verlustig gehen. Schnitzler ließ die beiden Glocken kaufen, eine ziert jetzt den alten Friedhof an der Pankratiusstraße, die andere das Prison. Möglich machten dies Führungen in den alten Kirchturm und der Verkauf von Schieferplatten und Krawatten – das erbrachte rund 2000 Euro. Sein „ideelles Highlight“ nennt der Geschichtsinteressierte, der auch als Nachtwächter regelmäßig Historie in der Stadt mit dem schiefen Turm verbreitet, eine Puppenküche aus Holz. Die wurde von einer Frau aus Wittlich angeliefert, deren Vater Anfang der 50er-Jahre das Kleinod selbst baute. „Das ist etwas Besonderes, es wird immer wieder bewundert, auch von jüngeren Frauen“, hat Schnitzler bemerkt.

Aus dem Moseldorf Bremm stammt ein Kaffeeröster. Der wurde früher in eine Vertiefung eines gusseisernen Herdes eingebracht, um Gerstenkörner zu rösten. Heraus kam der berüchtigte Muckefuck. Mit einem Hutformer wurde die Größe eines Filzhutes an die Kopfgröße angepasst. Und von einem Kupferschmied aus Cochem stammen große Kessel. In einer großen Vitrine befinden sich besagte Zuckertässchen, in einem putzigen Set mit anderem Porzellan. Und etwas verschämt in der Ecke hängt die Jacke eines Insassen eines US-Bombers aus dem Zweiten Weltkrieg. Jede Menge Material also, anderes bleibt (noch) dem Auge des interessierten Betrachters verborgen. Schnitzler stellt strahlend fest: „Mir sind alle Gegenstände hier lieb und teuer.“
Das Prison öffnet jeden ersten Sonntag im Monat („Café hinter Gittern“, 14 bis 17 Uhr) sowie an den Märkten, an der Escher Kirmes und zu städtischen Festen.