„Wir standen von heute auf morgen vor riesigen Herausforderungen“, erinnert sich Barbara Schatz-Fischer. Die Leitende Kreisverwaltungsdirektorin ist in der Kreisverwaltung unter anderem zuständig für die Fachbereiche Gesundheit und Sicherheit. Und damit war sie mittendrin im Geschehen. „In der Kreisverwaltung wurde innerhalb weniger Tage ein sogenannter Corona-Stab mit ständiger Bereitschaftszeit auch an Wochenenden und in den Abendstunden eingerichtet. Im Gesundheitsamt wurde im Schichtbetrieb gearbeitet, zahlreiche Mitarbeitende aus anderen Fachbereichen abgezogen und im Gesundheitsamt eingesetzt“, erzählt sie.
Erste Tage eine Herausforderung
Die Vielzahl der Meldungen, die anfängliche Ungewissheit über die Art der Vorgehensweise, die darauf nicht ausgerichtete Personalausstattung und auch die mangelnde EDV-technische Vernetzung mit Ärzten, Laboren, Krankenhäusern, dem Robert-Koch-Institut und dem Land sorgten für Probleme gerade in diesen ersten Tagen. „Eine weitere Herausforderung war, dass direkt zu Beginn offensichtlich wurde, dass die Ärzteschaft die Vielzahl der erforderlichen und von der Bevölkerung gewünschten Corona-Tests nicht in der Kürze der Zeit gewährleisten konnte“, betont Barbara Schatz-Fischer. Daher habe der Kreis bereits am 15. März 2020 entschieden, durch den Katastrophenschutz eine Teststation im Innenhof der Kreisverwaltung aufzubauen.
„In einem gemeinsamen Gespräch des Landrates mit DRK, leitenden Notärzten, organisatorischen Leitern, dem Brand- und Katastrophenschutzinspekteur, der Technischen Einsatzleitung und den Kommunen wurde hier alles geregelt“, erzählt die Dezernentin. Vom 18. März an wurde die Teststation dann über viele Wochen betrieben.
Immer wieder Diskussionen über Maßnahmen
Ungewissheit, durchaus auch Panik bestimmte in den ersten Tagen das Bild. Mitte März meldete Cochem-Zell die höchsten Infektionszahlen bezogen auf die Einwohnerzahl im Südwesten Deutschlands. Vor der Teststation standen Autos Schlange, die Cochemer Innenstadt war ausgestorben, in den Supermärkten waren die Regale leer, Mitte April gab es den ersten Todesfall im Zusammenhang mit einer Covid-Infektion im Kreis.
Das Virus war hochansteckend und eine Impfung war im Frühjahr 2020 nicht möglich. Daher kann ich auch im Nachhinein durchaus nachvollziehen, dass durch die Politik drastische Maßnahmen zur Kontaktreduzierung und damit auch Verhinderung der Ausbreitung der Seuche verhängt wurden.
Dezernentin Barbara Schatz-Fischer
Und auch die Kreisverwaltung stand vor großen Problemen: Der hohe Personalbedarf für die Erstellung von Bescheiden, für Kontrollen, für die Nachverfolgung, für Beratung. Von Bund und Land gab es Unterstützung, aber auch die Bundeswehr sprang ein. Der Lockdown bestimmte das öffentliche Leben im Kreis. Einrichtungen wurden geschlossen, Veranstaltungen abgesagt, Gottesdienste fielen aus oder wurden online gefeiert.
Immer wieder wurde in der Folgezeit über Sinn und Notwendigkeit solcher Maßnahmen gestritten. „Im Nachhinein kann man sicher argumentieren, dass die Maßnahmen überzogen und nicht gerechtfertigt gewesen seien“, meint dazu Barbara Schatz-Fischer. Doch dies wäre eine Sicht von heute, nachdem das Virus sich abgeschwächt habe und ein Großteil der Bevölkerung geimpft sei.
Impf-Infrastruktur wird aufgebaut
„Dies ist aber objektiv gesehen nicht der richtige Ansatz. Wenn über Maßnahmen, und dies sehr kurzfristig, entschieden werden muss, kann immer nur die zu diesem Zeitpunkt bekannte Sachlage und der damalige Wissensstand in die Bewertung einfließen“, gibt die Dezernentin zu bedenken. Und fügt hinzu: „Wir erinnern uns alle noch an Bilder, gerade aus Italien, wo am 21. März 800 Corona-Tote gemeldet wurden und sich die Särge stapelten.“ Das Virus sei hochansteckend gewesen, eine Impfung habe es im Frühjahr 2020 nicht gegeben. „Daher kann ich, auch im Nachhinein, solche drastischen Maßnahmen zur Kontaktreduzierung und damit auch zur Verhinderung der Ausbreitung der Seuche nachvollziehen“, macht Schatz-Fischer deutlich.
134 Todesfälle in Zusammenhang mit Corona waren bis zum 28. Februar 2023 im Kreis zu beklagen. Hierbei handelt es sich um die Zahl der gemeldeten Sterbefälle, die Dunkelziffer könnte höher liegen.
Eine Herkulesaufgabe sei ab Dezember 2020 der Aufbau der Impf-Infrastruktur gewesen. „Hier haben uns die Kommunen sehr geholfen, in Landkern, in Bremm, aber auch durch Personal. Und viele Ehrenamtler waren dabei. Ohne sie wäre der Betrieb der Impfzentren nicht möglich gewesen“, ist die Dezernentin überzeugt. Die Pandemie war aber auch Anlass, die Digitalisierung im Gesundheitsamt voranzutreiben, sodass es heute möglich ist, Infizierte und Kontaktpersonen automatisiert per SMS auf deren Handy zu informieren. Seitens des Bundes seien zudem Gelder für Personal, Digitalisierung und die Schaffung moderner Strukturen zur Verfügung gestellt worden.
Ausmaße kaum absehbar
Es waren drei herausfordernde Jahre, meint Barbara Schatz-Fischer im Rückblick. Was hätte anders gemacht werden können? „Im Nachhinein hätte man vermutlich schon im Laufe des Monats Januar, als bekannt wurde, dass China drastische Maßnahmen ergreift und es aufgrund der Globalisierung sehr wahrscheinlich war, dass sich das Virus über China hinaus ausbreiten wird, Vorbereitungen in personeller und organisatorischer Hinsicht treffen können. Doch das Ausmaß dessen, was da auf uns zukam, war für uns und vermutlich auch für alle anderen Behörden und Gesundheitsämter nicht absehbar“, gibt die Dezernentin zu bedenken.
Außerdem habe damals auch die Vorstellungskraft gefehlt, dass Schließungsmaßnahmen, Ausgehbeschränkungen, Kontaktverbote und Reisebeschränkungen in dieser Form in Deutschland überhaupt möglich und umsetzbar seien, räumt sie ein.
Und heute? Bei den Infektionszahlen gibt es keine signifikanten Entwicklungen mehr. Zwar gab es nach Karneval nochmals eine höhere Anzahl an Infektionen, doch seit dem Wegfall der Verpflichtung zum PCR-Test seien Inzidenzen auch nicht mehr aussagekräftig, so Barbara Schatz-Fischer. Doch eine Prognose will sie auch nicht wagen. Immerhin so viel: „Nach meiner persönlichen Beobachtung haben sich die schweren Verläufe und die Todesfälle insbesondere nach den erfolgten Impfungen merklich reduziert, sodass die Hoffnung bleibt, diese Pandemie nunmehr weitestgehend überwunden zu haben.“
Corona in Cochem-Zell – Eine Chronologie
März 2020: Im Gesundheitsamt gehen Anfragen zu dem neuen Virus ein, es gibt im Einzelhandel Hamsterkäufe, am 13. März dann die ersten bestätigten Infektionsfälle. Am 14. März werden Schulen und Kitas geschlossen, Gottesdienste abgesagt, die Kommunen arbeiten Alarmpläne aus. Am 18. März wird die Teststation an der Kreisverwaltung in Cochem eröffnet, wo in den ersten Tagen 220 Proben entnommen werden. Kaifenheim wird ein erster Hotspot bei den Infektionen, nachdem fünf Einwohner in Ischgl in Österreich im Urlaub waren und das Virus mitgebracht hatten.
April 2020: Im Kreis wird kein Sperrmüll mehr abgeholt, das Osterfest wird online gefeiert. Am 16. April gibt es den ersten Todesfall, ein 78-Jähriger stirbt im Verbundkrankenhaus Bernkastel-Wittlich. Ab Ende April öffnen die meisten Geschäfte im Einzelhandel wieder, ab dem 27. April beginnt auch wieder der Schulunterricht. Mehr als ein Drittel aller Unternehmen im Kreis meldet aufgrund der Pandemie Kurzarbeit an.
Mai 2020: Ab dem 15. Mai werden die Kirchen mit Einschränkungen wieder geöffnet. Die Technische Einsatzleitung Cochem-Zell beendet ihren Einsatz an der Teststation. Es war der bisher längste Einsatz ihrer Geschichte mit 132 ehrenamtlichen Kräften.
Oktober 2020: Waren im Sommer 2020 die Infektionszahlen deutlich zurückgegangen, gibt es erneuteinen Anstieg. Ab 21. Oktober gelten wieder Einschränkungen im öffentlichen Leben. In der Cochemer Innenstadt müssen ebenso wie in allen Schulen Masken getragen werden. Ende Oktober schließt die Tourismus- und Kulturbranche.
November 2020: Der Zugang zu Krankenhäusern wird beschränkt, verschiedene Jugend- und Senioreneinrichtungen werden geschlossen, es gibt das zweite Todesopfer im Zusammenhang mit der Pandemie.
Dezember 2020: In Landkern startet das Impfzentrum in der Eifelgoldhalle.
Januar 2021: Die Erstimpfungen in Alten- und Pflegeheimen im Kreis sind abgeschlossen, 4,5 Prozent der Cochem-Zeller sind erstmals geimpft.
Februar 2021: Aufgrund der vielen Neuinfektionen in Einrichtungen und einem Krankenhaus schränkt der Kreis Cochem-Zell die Besucherregelungen in Alten- und Pflegeheimen sowie Einrichtungen der Eingliederungshilfe weiter ein und erlässt besondere Regelungen für Besucher. Ende Februar wird die Präsenzpflicht an Grundschulen und der Primarstufe der Förderschulen aufgehoben.
März 2021: Die Verbandsgemeinden richten örtliche Testzentren ein. Der Einzelhandel öffnet wieder.
April 2021: Der Kreis gedenkt in einer Feier in Cochem den Opfern der Pandemie. Die Teststellen werden immer mehr ausgebaut.
Mai 2021: Cochem-Zell hat landesweit die niedrigste Inzidenz.
September 2021: Das Impfzentrum in Landkern wird geschlossen. Hier wurden mehr als 20 000 Erstimpfungen durchgeführt. Zweitimpfungen fanden hier mehr als 20 000 Mal statt.
November 2021: Die Infektionszahlen steigen erneut an. Veranstaltungen werden wieder abgesagt. Auch die Nachfrage nach Impfungen und Testungen steigt wieder.
Dezember 2021: Im Kreis gibt es erstmals Proteste gegen die Corona-Schutzmaßnahmen.
Januar 2022: Eine neue Corona-Welle im Kreis. In Bremm wird eine neue Impfstelle eröffnet. Mittlerweile sind 86 Prozent der Cochem-Zeller vollständig geimpft.
April 2022: Zahlreiche Beschränkungen fallen weg.
Mai 2022: Die Impfstelle in Bremm wird geschlossen.
November 2022: Der Kreis Cochem-Zell stellt die Meldung der täglichen Fallzahlen ein. Im Dezember schließt die Impfstelle in Cochem. dj