Rainer Ningels „Perpel“
Roman über Sucht und Sehnsucht nach der Eifel-Kindheit
Rainer Ningel stellt bei der Dorfakademie Hambuch seinen ersten Roman vor, den Evamaria Deisen illustriert hat.
Meier Brigitte

Ein Roman über Sucht und Sehnsucht in der Eifel: Nicht, indem Rainer Ningel einen nostalgischen Liebesroman an die Eifel schreibt – er schreibt über ein ehrliches Zusammenleben im Dorf, das zumindest in der Nachkriegszeit nicht nur heile Welt ist.

Lesezeit 3 Minuten

Rainer Ningel ist erstaunt, dass das Interesse an seinem Roman so groß ist. Die Alte Probstei, wo er auf Einladung der Dorfakademie Hambuch aus seinem Buch „Perpel – Der Regenschirmverleiher“ lesen wird, füllt sich bis auf den letzten Platz. „Das ist kein lustiges Buch“, meint er das Publikum vorbereiten zu müssen, denn Ningel ist eher als Autor von Alltagsgeschichten aus der historischen Eifel bekannt. Nein, lustig ist der jetzt im Rhein-Mosel-Verlag erschienene Roman wirklich nicht. Doch das sensibel und knallhart zugleich beschriebene Schicksal eines jungen Mannes, der es lernt, sich vom Alkohol zu befreien, fesselt die Zuhörenden und rührt einige gar zu Tränen.

Darum geht es in dem Buch

Perpel wird als Peregrin in einem Hunsrückdorf geboren. Seine Eltern wollen „nur sein Bestes“. Die Mutter versteht darunter, den Jungen allzu sehr zu behüten, sein Vater, der Dorfschullehrer, möchte ihn mit Strenge zu einem lebenstüchtigen Menschen erziehen. Bei den anderen Kindern findet er keinen Anschluss, sein Vater ist ihm fremd, die meiste Zeit verbringt er in seinem Zimmer, er hat an nichts Freude. Nach dem Tod der geliebten Mutter gerät er immer tiefer in die Depression. Der Vater heiratet wieder, und die Familie zieht in die Eifel um. Zum Vater seiner Stiefmutter hat er einen guten Draht, bis dieser bald stirbt. Und wieder fühlt sich Peregrin verlassen.

Als sich der 14-Jährige dem Junggesellenverein anschließt, bemerkt er schnell, dass Bier und Schnaps ihm das Leben erträglicher machen. Und er gehört endlich dazu, denn alle Jugendlichen trinken ziemlich viel, doch Peregrin trinkt mehr. Das Verhängnis nimmt seinen Lauf: schlechte Gesellschaft, immer mehr Alkohol und andere Drogen, er wird straffällig, fliegt von der Schule, die Eltern verlieren jeden Einfluss. Dann ein Lichtblick, Peregrin macht eine Lehre beim Schirmmacher und verliebt sich in dessen Tochter, Merle liebt ihn ebenso. Er schließt erfolgreich seine Lehre ab und nimmt den Spitznamen Perpel an (Eifeler Dialekt für Schirm).

Der beschwerliche Weg aus der Sucht

Das Glück ist nicht von Dauer. Der üblen Intrige eines Kollegen, der es auf Merle und vor allem auf die Werkstatt abgesehen hat, ist Perpel nicht gewachsen. Wieder scheint die Flasche die einzige Lösung zu sein. Seine Alkoholexzesse bestätigen die Gerüchte, die der Kollege im Dorf über ihn verbreitet hat. Perpel ergreift die Flucht und landet an der Mosel bei einem alten Fährmann. Mit Reparatur und Verleih von Regenschirmen hält er sich über Wasser und bringt Schritt für Schritt mit schmerzlichen Einsichten und nach selbstzerstörerischen Rückfällen sein Leben in Ordnung. Das dauert lange und gelingt mithilfe des Fährmanns, der sich als ehemaliger Spielsüchtiger als weiser Freund erweist. Auch andere Menschen, die als Außenseiter die Schattenseiten des Lebens kennen, stehen Perpel zur Seite.

Sebastian Ningel (Klavier) und Ignaz Pauly begleiten die Lesung musikalisch.
Meier Brigitte

Der Autor gewährt tiefe Einblicke in die zerrissene Seele eines alkoholkranken Menschen. Er beschreibt bildhaft ausweglose Gedankenkarussells und Selbsthass, Albträume und euphorische Momente der vermeintlichen Erlösung. Man leidet mit, spürt die Fesseln der Sucht und nervenaufreibende Auf und Ab. Bei den vielen Gesprächen mit den Weggefährten erschließen sich Perpel Erkenntnisse, die er als „Wegkreuze“ in ein Heft schreibt. Sinnsprüche – so einfach wie klug –, etwa „Wer sich selbst bekämpft, kann nur verlieren“ geben Hilfestellung. Diese Sprüche hat Evamaria Deisen illustriert, und so bereichern liebevolle Zeichnungen das Buch.

Ningel bleibt mit dem Roman über Sucht und Sehnsucht seiner Liebe zur Eifel treu. Erfreulicherweise verfällt er nicht in schwülstige Nostalgie, sondern beschreibt ehrlich, dass das enge Zusammenleben im Dorf – zumindest noch in der Nachkriegszeit – nicht nur heile Welt ist, sondern dass Außenseiter und nicht Konforme Fallstricken und Anfeindungen gewachsen sein müssen.

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