Existenzbedrohend ist derzeit die Lage im Steillagenweinbau an der Mosel. „Die Winzer leben in einer außerordentlich belastenden Situation“, sagt Norbert Müller, Leiter des Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum (DLR) in Bernkastel-Kues. Besonders die Debatte um Spritzmittel setze den Winzern zu, auch weil die Deutsche Umwelthilfe (DUH) vor Gericht ein Verbot der Hubschrauberspritzung durchfechten will. Jetzt klart sich der düstere Horizont für die Erzeuger auf: Eine neue Drohnen-Generation aus China verheißt Perspektiven im Wingert – allerdings gibt es einige Bittertropfen im Freudenkelch.

1 Wieso braucht es Drohnen in der Steillage? Für DLR-Chef Müller hat die Drohnentechnologie eine „wegweisende Schlüsselrolle“. Der Weinbau brauche die Drohne als Innovation „ganz dringend“. Zumal die Hubschrauberspritzung infrage gestellt ist – erst kürzlich scheiterte ein Eilantrag der Deutschen Umwelthilfe auf Unterlassung vor Gericht. Im DLR Mosel, das als Steillagenzentrum auch für die Ahr und den Mittelrhein zuständig ist, wird seit drei Jahren mit Drohnenspritzung experimentiert. Eine Testflugreihe an den Terrassen im Winninger Uhlen fiel 2024 ernüchternd aus: Die Drohne T30 kam mit der Topografie nicht zurecht, zeigte sich zu wenig leistungsfähig, blieb an hohen Mauern hängen. Im DLR nahm sich ein Team um Nina Cordier der leistungsstärkeren Drohne T50 an. Jetzt spricht das DLR von „einem Quantensprung“. Das neue Fluggerät sei in puncto Genauigkeit, Leistungsfähigkeit und Applikation besser – und genüge höchsten Ansprüchen. Wie wichtig deren Einsatz ist, verdeutlicht die Antragsflut in diesem Jahr: 193 Hektar sollen an Mosel und Ahr mit der Drohne gespritzt werden – eine Steigerung gegenüber 2024 um 75 Prozent.
„Wir sind in Mainz saumäßig stolz auf Ihre Arbeit und stehen hinter Ihnen.“
Staatssekretär Andy Becht (FDP) zu den Projektverantwortlichen im Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum in Bernkastel-Kues

2 Was vermag die moderne Drohnengeneration zu leisten, und wie könnte dies Druck aus der Mosel-Apollo-Debatte nehmen? Hanna Cordier hat mit ihrem Team vom DLR die Drohne T50 in einer Zeltinger Steillage getestet. Vor gut 50 interessierten Winzerinnen und Winzern stellt sie die Ergebnisse vor. Wichtigster Vorteil gegenüber dem Vorläufer dürfte der Einsatz von vier Rotationszerstäubern an der T50 sein, mit der punktgenau und mit höchstem Spritzdruck die Pflanzenschutzmittel abgesetzt werden können. Die Flüssigkeit läuft dabei drucklos auf rotierende Scheiben, je schneller, desto feiner perlen Tropfen in den Weinberg. So könnten, wie Cordier ausführt, aus einem 40-Liter-Tank „16 bis 24 Liter pro Minute“ ausgebracht werden, doppelt so viel wie beim Vorgängermodell. Mit der neuen Generation gelinge es, dass die Drohne vor dem Einsatz in Steilstlagen aus 30 Metern Höhe über dem Weinberg ein 3-D-Modell herstellt und selbstständig Hindernisse überwindet. „Die Drohne deckt nach Erfassung immer die komplette Fläche ab, die programmiert ist“, erläutert Cordier. So erkenne sie auch Verbotszonen, halte zudem den vorgeschriebenen Mindestabstand von zwei Metern zum Nachbargrundstück ein. Tempo, Höhe und Zeilenabstände sind vorab einstellbar. Insgesamt sei das DLR, so Cordier, „sehr zufrieden mit der Qualität der Applikation“.

In Kobern-Gondorf hat am gleichen Morgen auf mehreren Hektar ein weiterer Testlauf begonnen – Erfolg versprechend, wie der Geschäftsführer der Weinbauverbände Mosel und Mittelrhein, Maximilian Hendgen, betont. 80 Hektar werden zwischen dem Calmont bei Ediger-Eller und dem Winningern Uhlen vom Mosel-Apollo beflogen – für diese Bereiche gelten im Pflanzenschutz jetzt schon schärfere Bestimmungen. DLR-Chef Müller („es wird eine unsachliche Diskussion zum Apollofalter geführt“) ist guter Dinge, dass die Drohne die langfristige Lösung bringt.
Dass in diesem Jahr alles Spitz auf Knopf läuft, erläutert Weinbaustaatssekretär Andy Becht (FDP). So habe man ein Verbot der Heli-Spritzung in einem Eilrechtsverfahren abwenden können. „Anderenfalls wäre in den betroffenen Steillagen jetzt schon zappenduster“, sagt Becht. Die Landesregierung stehe hinter den Winzern und setze sich für Ausnahmegenehmigungen ein. „Wenn die Klage vom Tisch wäre, wäre die Zukunft der Steillagenwinzer deutlich entspannter“, weiß auch Stefanie Vornhecke, die Vizepräsidentin des Weinbauverbandes Mosel.

Klage gegen Land: Töten Pestizide den Apollofalter?
Der Mosel-Apollo befindet sich im Sinkflug. Wenige Exemplare des Schmetterlings, der nur zwischen Calmont und Uhlen vorkommt, sind zuletzt gesichtet worden. Die Deutsche Umwelthilfe klagt deswegen. Ihr Argument: Verbotene Pestizide sind die Ursache.
3Worin liegen Wermutstropfen und Unwägbarkeiten? „Die Anwendungsbestimmungen sind noch nicht optimal“, betont DLR-Expertin Cordier. Zumal dem Drohneneinsatz einige Fesseln angelegt wurden: Statt der Höchstgeschwindigkeit von 13 km/h darf nur mit 9 km/h geflogen werden. Und das Julius-Kühn-Institut (JKI) hat erst vor zwei Wochen sein Einverständnis gegeben für die T50. Sie darf zunächst nur den Pflanzenschutz in Steillagen von mehr als 30 Prozent Steigung ausbringen. Zudem ist das Genehmigungsverfahren komplex. Zum Stichwort hakt Staatssekretär Becht ein. „Wir brauchen einfachere Genehmigungsverfahren, es kann nicht sein, dass sich vier Behörden gegenseitig im Weg stehen.“ Mainz werde sich für eine Vereinfachung einsetzen. Im Übrigen sei es ermutigend, dass in diesem Jahr 180 Hektar per Drohne beflogen werden, null Hektar seien dies noch vor fünf Jahren gewesen.

4 Wie komplex ist der Drohneneinsatz im Weinberg? Und wie will der DLR den Weinbaubetrieben helfen? Es müssen immer zwei Personen mit von der Partie sein, wenn die Drohne fliegt: ein Pilot mit Lizenz und Schulung sowie ein Luftraumbeobachter. Letzterer sei für das Auffüllen mit Pflanzenschutz und das Wechseln der Akkus zuständig. Zudem müsse ein Anhänger mitgeführt werden, der Frischwasser, Spritzmittel und einen mobilen Stromerzeuger enthält. An Bruttokosten hat der DLR 30.000 Euro errechnet, wobei eine 40-prozentige Förderung in Aussicht gestellt wird.
„Wir brauchen ein Mosaik an Hilfen“, betont DLR-Chef Müller, in dessen Behörde eine Flächenbörse eingerichtet wurde. „Wir wollen so geschlossene Rebareale bearbeiten lassen.“ Das DLR begleite die Winzer bei den nächsten Schritten. Es werde Beratung zu Führerschein und Pflanzenschutz geben, zudem eine Roadshow an Mosel und Ahr. Das Ziel: 1200 bis 1300 Hektar sollen an der Mosel mittelfristig per Drohne beflogen werden. Stefanie Vornhecke schätzt, dass die neue Technik unterm Strich günstiger sein wird als der Hubschrauberflug – wenn alle Rädchen optimal ineinandergreifen, sich die Winzer auch in puncto Drohne vernetzen.
„Der Steillagenweinbau wird ohne diese Technik nicht zukunftsfähig sein.“
Pascal Badziong, Erster Beigeordneter des Landkreises Mayen-Koblenz, zum Drohneneinsatz
Für Pascal Badziong, den Ersten Beigeordneten des Landkreises Mayen-Koblenz, ist der Drohneneinsatz alternativlos. „Der Steillagenweinbau wird ohne diese Technik nicht zukunftsfähig sein“, sagt er. Insofern sei der Startschuss jetzt wichtig. „Auch damit die Öffentlichkeit wahrnimmt, dass Winzer den Einklang von Natur, Umwelt und Weinbau vorantreiben wollen.“ Und Maximilian Hendgen vom Weinbauverband ergänzt: „Der Pflanzenschutz ist essenziell. Wir hoffen, durch die Drohne ein Stück weit unabhängiger zu werden und die Kulturlandschaft erhalten zu können.“ Dies erfordere die Akzeptanz vonseiten der Bürger.