"Ich will es nicht hören" - Wurden vor der Tat Drogen konsumiert? - Prozesse um Gewalttat am alten Alfer Schwimmbad
Prozess um schweren Raub im Moseldorf Alf: Messerstecheropfer lehnt Entschuldigung ab
Am ehemaligen Alfer Freibad hat sich in der Nacht zum 15. September 2023 die Gewalttat ereignet, über die nun das Landgericht in Koblenz verhandelt. Nach der Tat war die Polizei mit der Spurensicherung befasst. Foto: Annika Wilhelm
Annika Wilhelm

Koblenz/Alf. Mit den Darstellungen des Tathergangs aus Sicht von Opfer und Angeklagtem nahm der Prozess gegen einen 27-jährigen Mann aus dem Kreis Cochem-Zell vor dem Koblenzer Landgericht seinen Fortgang. Unbestritten ist, dass er im Moseldorf Alf in der Nacht zum 15. September 2023 auf das Opfer siebenmal mit einem Messer eingestochen hat. Der 21-jährige, der als Nebenkläger auftritt, leidet heute noch an körperlichen wie seelischen Schäden.

„Ich will es nicht hören“, unterbrach der 21-Jährige den Entschuldigungsversuch des Angeklagten. „Das macht es nicht ungeschehen.“ Er hatte zuvor von seinen posttraumatischen Zuständen berichtet, von Albträumen und einer diffusen Angst vor weiteren Angriffen aus dem Freundeskreis. Denn der Angeklagte und das Opfer kannten sich, waren vertraut, sprachen oft und intensiv miteinander. Keine Spur von Feindschaft oder Aggression. Über viele Details des Tatabends herrschte denn auch Einvernehmen, die Unterschiede wurden an diesem Prozesstag aber deutlich, wenn es um den eigentlichen Messerangriff ging.

Nachdem das spätere Opfer mit einem anderen Freund in der Nähe des früheren Alfer Schwimmbades an der Bushaltestelle, die oft als Treffpunkt diente, im Auto saß und auf dem Handy spielte, trat der 27-Jährige dazu. Um unter vier Augen sprechen zu können, bat er den Freund, sich zu verabschieden. Wegen der herrschenden Kälte fuhr ihn der 21-Jährige nach Hause und kehrte wieder an die Bushaltestelle zurück, um mit dem Angeklagten zu sprechen.

Angriff kam der Aussage nach wie aus heiterem Himmel

Nach seiner Darstellung habe sich das Gespräch völlig normal weiter entwickelt. Gegen 0.30 Uhr habe er nach Hause fahren wollen und sich daher schon angeschnallt. Während der Angeklagte sich außerhalb des Wagens aufhielt, habe dieser plötzlich durch das auf der Fahrerseite offene Fenster auf ihn eingestochen unter dem wiederholten Ruf: „Du verreckst heute!“ Er habe sich noch abschnallen, die Türe öffnen und den Angreifer wegschieben können. Dabei habe er den Namen des 27-Jährigen gerufen und gefragt: „Was machst du da? Wir sind doch Freunde.“

Wegen des Blutverlusts sei er dann zusammengesackt. Der 27-Jährige habe versucht, über das Handy des Niedergestochenen Hilfe zu holen. Der Angreifer habe dann das Messer in seine Hand geschoben, wohl um seine Fingerspuren dort zu hinterlassen.

Der Anwalt des Angeklagten verlas dessen Sichtweise: Danach kenne der 27-Jährige das Opfer schon lange, auch von gemeinsamem Drogenkonsum her. Er habe vor der Tatnacht gehört, dass der 21-Jährige schlecht über ihn geredet habe, und wollte ihn zur Rede stellen. Man habe dann schließlich zu zweit im Auto gesessen und „Spice” geraucht. Das sei beiden nicht gut bekommen.

Dem Angeklagten zufolge eskalierte ein Streit

Er wies in diesem Zusammenhang auf seine ADHS-Problematik hin. Er habe dann sein Messer herausgeholt, um damit herumzuspielen. Es sei zu einem massiven Streit gekommen, in dessen Verlauf das Opfer aussteigen und ihn angreifen wollte. Daraufhin habe er einige Male zugestochen. Da das Opfer die PIN von seinem Handy nicht geben wollte oder konnte, wurde schließlich über Sprachbefehl der Notruf ausgelöst.

Ihm täte das Ganze sehr leid, er habe völlig neben sich gestanden. Er habe mittlerweile 2000 Euro gespart, die er als Schmerzensgeld anbiete. Der Anwalt fügte hinzu, dass der 27-jährige in der Untersuchungshaft die Drogenberatung besuche.

Richter: Bisheriges Gutachten weist keine bewusstseinsverändernden Stoffe nach

Richter Thomas Metzger stellte fest, dass laut bisheriger Gutachten bei keinem der Beteiligten Spuren von bewusstseinsverändernden Stoffen nachgewiesen werden konnte. Auch Alkoholeinfluss sei nicht nachweisbar. Man werde aber nochmals nachprüfen, ob die Analysen auch synthetische Cannabinoide einbezogen hätten. Gutachterlich zu prüfen sei außerdem die Frage nach einer möglicherweise beeinträchtigten Schuldfähigkeit.

In seiner Zeugenaussage bestätigte der erste Begleiter des Opfers weitgehend den Ablauf des Abends bis zu seinem Abschied. Er habe sich nichts dabei gedacht, die beiden hätten öfter mal unter vier Augen miteinander sprechen wollen. Die Stimmungslage sei für ihn nicht auffällig gewesen. Der Prozess wird fortgesetzt.

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