Ärger über Abfälle im Weinbau
Plastik im Weinberg: Müll einfach liegen gelassen?
Plastikfäden und Pheromon-Kapseln finden sich immer wieder in Weinbergen, wie dieses extreme Beispiel zeigt – laut Nabu eine Lage bei Graach, die im Winter fotografiert wurde.
TV/Nabu

Die einen sprechen von Ausnahmefällen, andere von einem anhaltenden Problem im Weinbau: Plastikteile in Moselwingerten. Wo kommen sie her – und was ist hier erlaubt?

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Blaue Plastikfäden, braune Pheromon-Ampullen, Klammern oder zerrissene Jungrebenhüllen: In manchen Weinbergen an der Mosel sammele sich reichlich Plastikmüll, der nach der Arbeit einfach liegengelassen und teils untergemulcht werde, beklagt der Naturschutzbund (Nabu) Bernkastel-Wittlich. So sammele er sich im Boden an. Dies sei nicht nur ein Umweltproblem, auch Urlauber würden sich an diesem Bild stören, was am guten Image der Tourismusregion kratze.

Nabu: „Der ganze Weinberg war blau, alles voller Plastikfäden.“

Als ein Beispiel führen die Naturschützer einen Weinberg bei Graach auf, den sie im Winter fotografiert haben: „Der ganze Weinberg war blau, alles voller Plastikfäden“, sagt ein Mitglied des Nabu-Vorstands. Namentlich möchte die Frau nicht genannt werden, weil sie Anfeindungen fürchtet. Sie wisse um die Brisanz des Themas.

Genutzt wird dieses Material, um die Reben an den Stock zu binden. Früher seien die Bänder aus Bast gewesen, doch diese seien teurer und unpraktischer als jene aus Plastik, berichtet ein Moselwinzer.

Die Pheromon-Ampullen wiederum dienen dazu, gezielt Schädlinge zu bekämpfen. Der Einbindige Traubenwickler und der Bekreuzte Traubenwickler würden dank der Duftstoffe in den Ampullen verwirrt, sodass die Männchen die Weibchen nicht mehr finden. Aufgehängt werden sie im Frühjahr an den Reben, fallen im Laufe der Zeit aber meist ab. Dies sei eine sehr biologische Schädlingsbekämpfungsmethode, die keinem anderen Insekt schade, erklärt Thomas Kaufmann, Vorsitzender der Winzer im Bauern- und Winzerverband Bernkastel-Wittlich.

Eigentlich sollen die Winzer sie im Winter wieder einsammeln, berichtet er. Und die meisten hielten sich auch daran. Grundsätzlich seien sie bemüht, wenn möglich immer Naturmaterial im Wingert einzusetzen. Niemand würde dort absichtlich Müll hinterlassen. Zudem werde stets nach neuen Lösungen gesucht.

Über die Kritik ärgert er sich, denn seinem Berufsstand werde es ohnehin immer schwerer gemacht, was mehr und mehr Arbeit für weniger Geld bedeute. „Die Winzer müssen schauen, dass sie über die Runden kommen.“

Vorsitzender der Winzer in Bernkastel-Wittlich weist die Kritik zurück

„In unseren Weinbergen muss man wirklich suchen gehen, um dort etwas zu finden“, sagt der Kröver Winzer. Gerade in den modernen Drahtanlagen seien solche Arbeitsmittel gar nicht mehr nötig. „Früher war das vielleicht mal ein Problem“, sagt er, und heute höchstens noch in manchen alten Einzelpfahl-Anlagen. Zudem würden die Vögel die Bindefäden sogar für den Nestbau benutzen.

Die Klammern, die hier und da zu sehen seien, seien aus Hartplastik, das sehr lange Zeit am Stock überdauere. „Der gewissenhafte Winzer nutzt Material, das ewig hält.“ Was man immer wieder erneuern müsse, sei ohnehin zu aufwendig.

Furcht: Mikroplastik reichert sich in Böden an der Mosel an

Volksfreund-Recherchen zeigen allerdings, dass es hier durchaus schwarze Schafe gibt. Vor allem manche Saisonarbeitskräfte aus dem Ausland hätten oft ein weniger ausgeprägtes Verhältnis zum Umweltschutz, ist häufiger zu hören. Dabei, so der Nabu, müssten die Winzer ihre Mitarbeiter für das Müllproblem sensibilisieren. Ansonsten zerstörten sie ihre eigene Lebensgrundlage, reicherten sich doch Unmengen von Mikroplastik im Boden an – eine Bürde für die folgenden Generationen.

Wie aber sehen die offiziellen Regelungen aus? „Gebrauchsmaterialien (neu wie alt), insbesondere solche aus Kunststoff wie Bast, Pheromon-Ampullen oder Plastikklammern, dürfen nach ihrem Einsatz nicht im Weinberg verbleiben, sondern müssen ordnungsgemäß entsorgt werden“, erklärt Norbert Müller, Leiter des Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum (DLR) in Bernkastel-Kues. „Das DLR Mosel nimmt die Problematik des unsachgemäßen Verbleibs solcher Materialien im Weinberg sehr ernst. Wir setzen uns aktiv dafür ein, Winzer über umweltgerechte Praktiken zu informieren und zu schulen.“ Viele Winzer kämen dieser Verantwortung bereits nach.

Klagen über Teerspritzen, Draht und Trester am Wegesrand

Der Nabu beklagt derweil weitere Abfälle wie alte Reben, aufgewickelten Alt-Draht und gar Teerspritzen, die am Wegesrand liegen. Diese müssen fachgerecht entsorgt werden, erklärt Kaufmann. Auch Berge von Trester (abgepresste Trauben) sehe man laut den Naturschützern immer wieder auf und an den Weinbergen.

Dieses Material wird als Dünger genutzt. Kaufmann erklärt, es beinhalte viele Spurenelemente, die vor allem schlecht wachsenden Junganlagen dienlich seien. „Jeder praktisch denkende Winzer bringt den Trester gleich aus.“

Das schreibt die rheinland-pfälzische Düngeverordnung auch so vor – fünf Tage bleibt dafür nach dem Abpressen der Trauben Zeit. Allerdings darf nur so viel Trester in den Weinberg zurückgebracht werden, wie auf der Fläche entstanden ist. Das kann ein Problem für jene Winzer mit sich bringen, die Trauben zukaufen, sodass deren Weinbergsflächen nicht ausreichen.

Obergrenzen für die Mengen des ausgebrachten Düngemittels sollen verhindern, dass bei Regen Nährstoffe ausgeschwemmt werden und zu viele davon in die Gewässer gelangen. Das könnte zu einem Überwachstum von Pflanzen wie Algen führen.

Winzer: Hundekot-Tüten sind viel größeres Problem für die Natur

Kaufmann ärgert sich derweil vielmehr über die Hundekot-Tüten aus Plastik, die Spaziergänger in den Weinbergen hinterlassen. „Da würde man die Hinterlassenschaften besser so vergraben.“ Überhaupt sind Abfälle wie Bier- und Weinflaschen, Verpackungen und Zigaretten von Wanderern und Radfahrern ein großes Problem, beklagen Winzer.

Wichtig sei, dass nicht auf den Berufsstand allgemein geschimpft werde. Klagen wie die des Nabu fielen gerne auf alle zurück, dabei seien viele Winzer wirklich sehr um den Schutz der Natur bemüht, auf der ihre Arbeit fußt.

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