Wittlich. Ein gefiedertes Drama hat sich im Wittlicher Tierreich abgespielt: 70 Jahre soll es her sein, dass Weißstörche in Wittlich Nestbau und Brutpflege betrieben haben. In diesem Frühjahr hatte in Bombogen nach so langer Zeit wieder ein Storchenpaar mit der Balz begonnen, den Schnäbeln geklappert und sogar einen Horst gebaut. Doch das Liebesglück der geschützten Tierart währte nur kurz – angeblich wurde es von einer aggressiven und invasiven Vogelart beendet.
Weißstörche bauen in Wittlich in der Eifel einen Horst
Schon in den vergangenen Jahren hatten die Zugvögel, wie Augenzeugen berichten, auf ihrer Wanderung immer mal wieder für eine Nacht einen kurzen Zwischenstopp in Wittlich-Bombogen eingelegt. „Schon der Vorbesitzer unseres Bauernhofs hatte Masten mit Korb und einen Plastikstorch aufgestellt, um die Tiere zum Landen und Brüten einzuladen“, sagt Bäuerin Magdalena Zelder vom Berlingerhof. Doch bislang schlugen die Weißstörche diese Einladung für einen längeren Aufenthalt in Bombogen stets aus und hoben nach einer Nacht wieder ab.
In diesem Jahr war es anders: Ein Storchenpaar richtete sich im Korb oben auf dem Mast ein Nest ein, sagt Zelder, und wurde seitdem von ihrer Familie jeden Tag beobachtet. „Die haben geklappert und gebalzt und ihr Nest mit Ästen und Futter aus dem Silo gebaut“, sagt Zelder. Sogar Eier seien im Nest gesehen worden, sagt die Bäuerin.
Knapp vier Wochen sei es jetzt her, dass die Störche dort mit Nestbau und Brutpflege begonnen hätten. „Wir haben uns so gefreut, haben das aber nicht an die große Glocke gehängt, damit die Tiere nicht gestört werden und ihre Ruhe haben.“ Doch mittlerweile ist die Familie vom Berlingerhof nicht mehr erfreut, sondern traurig. „Es ist super ärgerlich“, sagt Magdalena Zelder zum Schicksal, das das Wittlicher Storchenpaar vor wenigen Tagen ereilte.
Was war passiert? Vorige Woche Donnerstag sei den Störchen ihr Horst von Nilgänsen streitig gemacht worden, sagt die Bäuerin. „Die Nilgänse sind da hochgeflogen und haben die Störche vertrieben. Obwohl sie kleiner sind, haben sie die Störche verjagt. Wir haben es mit eigenen Augen gesehen. Ich bin geschockt und habe fast geheult.“
Nilgänse vertreiben Weißstörche aus ihrem Nest in der Eifel
Jetzt säßen die Nilgänse oben im Storchennest und es sehe ganz so aus, als wollten sie dort brüten, sagt Zelder. „Die machen es so ähnlich wie der Kuckuck und sagen sich: ‚Da hat sich schon ein anderer die Arbeit und Mühe gemacht, das Nest kommt uns gerade gelegen.‘ Der Kuckuck legt aber nur sein Ei ins Nest und haut wieder ab.“
Die Nilgänse seien eine Plage, sagt Zelder. „Was die hier mit unserer heimischen Tierwelt anstellen, ist ziemlich ärgerlich. Wir hatten uns so gefreut, aber die Nilgänse haben uns einen Strich durch die Rechnung gemacht.“ Auch in der Landwirtschaft würden die Nilgänse Schaden anrichten: „Die fressen die Saat und frisches Grün wie junges Getreide. Mit den Problemen schlagen wir uns schon lange rum.“
Es sei ihr wirklich wichtig zu betonen, sagt Zelder, dass die Jäger wirklich bemüht seien, Nilgänse zu jagen. Nur jetzt in der Brutzeit sei das nicht erlaubt. „Aber leider werden die Jäger dabei oft von Radfahrern und Spaziergängern beschimpft. Da heißt es dann: ‚Die lieben, süßen Gänse.‘ Aber invasive Arten wie die Nilgans richten hier in der heimischen Tier- und Pflanzenwelt einen Riesenschaden an und verdrängen unsere Arten. Das ist kein Spaß. Wir sind richtig traurig. Es wäre so schön gewesen, wenn wir im Wittlicher Tal noch mal ein Storchenpaar gehabt hätten.“ Die Bürger sollten verstehen, dass es gute Gründe dazu gebe, die Nilgänse kritisch zu sehen und zu bejagen. „Natürlich sind das auch schöne Tiere, aber das mit den Störchen ist schon echt blöd.“
Ornithologe spricht über Störche in der Eifel
Forstwirtschaftsmeister Martin Becker vom Forstrevier Wittlich hat das seltene Naturschauspiel als Ornithologe und somit durch die Brille eines Wissenschaftlers beobachtet. „Für die Region war das schon sehr bedeutend.“
Das letzte Brutpaar sei in Wittlich Ende der 1960er-Jahre dokumentiert worden – und das auch in Bombogen. Was zieht die Störche ausgerechnet in diesen Stadtteil? Becker: „Die Talweitung ist dort am größten, und früher waren dort Feuchtgebiete. Heute dürften die Mäuse, die durch die Silage von Bauernhöfen angezogen werden, den Tieren als Futter dienen. Wahrscheinlich haben sie sich deshalb für Bombogen entschieden.“
Becker vermutet, dass es sich bei den Tieren um ein junges, unerfahrenes Storchenpaar ohne eigenes Revier gehandelt habe. „Die haben sich gedacht: Die Bedingungen sind gut. Hier versuchen wir eine Brut.“ Naturschutzgebiete in der Umgebung würden die Bedingungen für Störche zusätzlich verbessern, sagt Becker.
Störche besorgen sich Baumaterial auf der ART-Grüngutsammelstelle
„Ich habe gesehen, dass die ein Nest gebaut haben und dabei Äste von der Grüngutsammelstelle verwendet haben.“ Es sei unklar, ob sich im Nest bereits Eier befunden hätten, als es zum Streit mit den Nilgänsen gekommen sei. „So lange kein Storch für Tage tief auf der Brut sitzt, sind das nur Mutmaßungen. Es kann aber angenommen werden, dass es bald zur Brut gekommen wäre. Es wäre echt schade gewesen, wenn die schon Eier gehabt hätten.“
Nilgänse hätten an dem Standort auf dem Mast aber auch schon gesessen, sagt Becker. „Vielleicht haben die ihren Standort verteidigt, hatten bereits eine gestörte Brut ohne Erfolg und haben sich das Nest geschnappt, um es noch mal zu versuchen.“
Für die heimische Vogelwelt seien Nilgänse nicht gut und „fast wie ein Eingriff zu werten“. Die Vögel seien „super aggressiv“, sagt der Ornithologe, aber gerade deshalb so erfolgreich. „Die Nilgans passt hier ins Ökosystem nicht rein und richtet große Schäden an.“ Und so endete der mutmaßlich erste Versuch des Weißstorches, nach 70 Jahren in Wittlich noch mal eine Brut aufzuziehen, in einem Drama.