Ksenia Stähle-Müller stellt neue Publikation zum ehemaligen "KZ-Außenlager Kochem" vor - Veranstaltung stößt auf großes Interesse
Neue Forschungsarbeit zum KZ-Außenlager Kochem-Bruttig-Treis vorgestellt: Das NS-Unrecht dem Vergessen entreißen
Sie stellten in Cochem die neue Publikation zum KZ-Außenlager Cochem vor (von links): Uwe Bader und Kerstin Hetzel-Illing von der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz, die Historikerin Ksenia Stähle-Müller, der Schriftsteller Ernst Heimes und Landrat Manfred Schnur. Foto: Dieter Junker
Dieter Junker

Cochem. Es gehört sicher zu den dunkelsten Kapiteln der Geschichte der Moselregion, das „KZ-Außenlager Kochem“, wo von März bis Oktober 1944 bis zu 1600 KZ-Häftlinge unter menschenunwürdigen Bedingungen in einer in einem Eisenbahntunnel angelegten unterirdischen Rüstungsfabrik arbeiten mussten. Lange wurde es verschwiegen, mittlerweile gibt es konkrete Überlegungen zu einer umfassenden Gedenkarbeit, nun bietet eine neue Veröffentlichung der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz einen umfassenden Überblick zur Geschichte dieses Lagers. In Cochem wurde die neue Ausgabe der „Blätter zum Land“ der Öffentlichkeit vorgestellt.

„In diesen Tagen erinnern wir an die Befreiung von Auschwitz vor 75 Jahren. Doch es gab nicht nur die schrecklichen Vernichtungslager, es gab auch mehr als 1100 Außenlager der KZs überall in Deutschland, deren Geschichte noch lange nicht aufgearbeitet ist“, meinte Ksenia Stähle-Müller M.A. bei der Präsentation in der Kreisverwaltung in Cochem. Die Historikerin, die an der Universität Trier arbeitet, hat diese neue Ausgabe der „Blätter zum Land“ verfasst. Dazu habe auch das Außenlager Kochem-Bruttig-Treis gehört. „Dessen Geschichte ist komplex und in mehreren Punkten immer noch wenig untersucht“, betonte sie. Ihrer Forschungsarbeit ist es zu verdanken, dass dennoch vieles nun ans Licht kommt, aber auch das ganze Ausmaß der Verbrechen zeigt, die hier geschahen. Nur gut acht Monate bestand das Außenlager, die Namen von 2409 Häftlingen sind identifiziert, im Juni 1944 gab es mit 1643 Häftlingen die meisten KZ-Insassen in den beiden Lagern in Bruttig und Treis an den jeweiligen Tunneleingängen. Bekannt sind 37 Fluchtversuche, wobei auch die örtliche Bevölkerung immer wieder bereitwillig half, die Geflüchteten wieder zu finden, wie die Historikerin auch deutlich machte. 13 Hinrichtungen sind bekannt, es waren Häftlinge, die zu fliehen versuchten, 98 Häftlinge sind insgesamt nach derzeitigem Forschungsstand in diesem Außenlager verstorben. Trockene Zahlen, hinter denen sich schreckliche Schicksale von Menschen verbergen. „In der Nachkriegszeit wurde nicht mehr darüber geredet. Eine umfassende juristische Aufarbeitung fand kaum statt, eine Entschädigung der Opfer erfolgte erst Jahrzehnte später, wobei viele der Opfer dies nicht mehr erlebten“, gab Ksenia Stähle-Müller zu bedenken.

Umso wichtiger sei es, dass es nun eine Gedenkarbeit gebe sowie Veröffentlichungen, die dieses NS-Unrecht der Vergessenheit entreißen würden. „Es ist wichtig, dass es in der Region Erinnerungsorte für die Opfer dieses KZ-Außenlagers geben wird, wir haben es in der Hand, dass die Erinnerung und auch die Mahnung greifbar und erfahrbar wird“, machte die Historikerin deutlich.

Worte, die der gebürtige Conder Ernst Heimes sicher gerne hörte. Er war es, der sich vor fast 30 Jahren erstmals auf die Spurensuche nach diesem KZ-Außenlager machte und mit seinem damaligen Buch für Aufsehen sorgte und auch eine Mauer des Schweigens durchbrach. Mittlerweile hat er ein weiteres Buch geschrieben, in dem er eindringlich von seinen Nachermittlungen erzählt und dabei Opfer, Zeitzeugen, aber auch Täter in den Blick nimmt. In Cochem las er aus seinem Buch „Bevor das Vergessen beginnt“ und berichtete von Gesprächen mit Menschen, die das Schrecken im KZ-Außenlager, aber auch im Umfeld hautnah erlebten. Bedrückend seine Schilderung, wie in Ermittlungsverfahren oder vor Gericht Täter versuchten, ihre Handlungen zu verharmlosen oder zu leugnen. Und eindrücklich dann auch die Gespräche mit einem Enkel eines der drei Lagerkommandanten.

„Man hätte eine Stecknadel fallen hören, so still war es bei diesen Schilderungen“, meinte sichtlich betroffen Landrat Manfred Schnur. Diese Geschehnisse dürften nicht in Vergessenheit geraten, mahnte er. Es dürfe keinen Schlussstrich unter die Vergangenheit geben, machte der Landrat deutlich. „Die Erinnerung an dieses NS-Unrecht müsse sichtbar sein am Ort des Geschehens, aber auch in der Gesellschaft, es muss schriftlich festgehalten werden und es muss auch in den Schulen einen Platz haben“, forderte Schnur.

Darum sei er auch froh, dass so viele Interessierte zu dieser Veranstaltung gekommen seien, meinte er mit Blick auf den voll besetzten Sitzungssaal in der Kreisverwaltung. „Sie alle können mithelfen, dass nicht vergessen wird, was geschehen ist. Und wir werden sicher noch öfter zu Veranstaltungen zum ehemaligen KZ-Außenlager einladen“, kündigte Landrat Manfred Schnur an.

Von unserem Mitarbeiter Dieter Junker

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