Im Gebäude an der St.-Castor-Straße geht eine 180-jährige Geschichte zu Ende - Betreiberfamilie führt Filiale in Treis fort
Nach 180 Jahren: Wieso die Castor-Apotheke Karden schließt
Brigitte Waldner-Hanke und ihr Mann Hubert Hanke gehen Ende des Jahres einen für Karden bedauerlichen Schritt: Sie schließen die St.-Castor-Apotheke für immer. Dabei war in dem Gebäude an der St.-Castor-Straße seit 1842 ununterbrochen eine Apotheke zu finden. Die Gründe für die Schließung erläuterte das Paar der RZ im Gespräch. Foto: David Ditzer
David Ditzer

Mit Ablauf dieses Jahres geht im Treis-Kardener Ortsteil Karden eine 180 Jahre währende Geschichte zu Ende: Dann nämlich wird in einem historisch bedeutsamen Gebäude an der St.-Castor-Straße keine Apotheke mehr zu finden sein. „Warum wir hier schließen? Es ist ein Zusammentreffen verschiedener Gründe“, hält Brigitte Waldner-Hanke fest. Über diese Gründe hat die 63-Jährige, die mit ihrem Mann Hubert Hanke auch die St.-Johannes-Apotheke im Ortsteil Treis betreibt, mit der RZ gesprochen.

Brigitte Waldner-Hanke und ihr Mann Hubert Hanke gehen Ende des Jahres einen für Karden bedauerlichen Schritt: Sie schließen die St.-Castor-Apotheke für immer. Dabei war in dem Gebäude an der St.-Castor-Straße seit 1842 ununterbrochen eine Apotheke zu finden. Die Gründe für die Schließung erläuterte das Paar der RZ im Gespräch. Foto: David Ditzer
David Ditzer

Bei aller Wehmut, die mit dem Aus für die Apotheke in Karden verbunden ist, hebt sie jedoch hervor: In der neu gebauten Filiale in Treis geht es weiter. „Und alle Mitarbeiter werden auch weiterhin beschäftigt.“

1842. Dieses Jahr, in dem in Köln der Grundstein für den Weiterbau des Doms gelegt wurde, muss an dieser Stelle genannt werden. Schließlich befindet sich seit dieser Zeit eine Apotheke in dem jahrhundertalten Gebäude an der St.-Castor-Straße in Karden. Vorbei. „Wenn ich hier noch Miete hätte zahlen müssen, dann hätte ich schon vor fünf Jahren sagen müssen: ,Das war's.'“, konstatiert Brigitte Waldner-Hanke. „Es frustriert einfach, wenn Sie Ihre ganze Arbeitskraft einsetzen und sehen, dass am Ende nichts übrig bleibt.“ Ihr Mann Hubert, 69 Jahre alt, fügt hinzu: „Irgendwann muss man einen Strich ziehen und sagen, es geht einfach nicht mehr.“

Leichtfertig zieht Familie Hanke diesen Schlussstrich nicht. Ein Grund dafür, dass sie ihn gerade jetzt zieht, ist die Tatsache, dass eine Arztpraxis gegenüber ihre Kassenzulassung zurückgegeben hat. Das reduziert den Publikumsverkehr per se noch einmal. Ausschlaggebend war dieser Negativimpuls nicht für die Entscheidung der Hankes, die St.-Castor-Apotheke aufzugeben. Aber: „Man sieht, wie fragil das System ist“, sagt Waldner-Hanke mit Blick auf die medizinische Versorgung – insbesondere im ländlichen Raum. „Es basiert nun einmal auf mehreren Säulen.“ Und genau die brechen ausgerechnet in der eher strukturschwachen Region mit einer im Schnitt älteren Bevölkerung zunehmend weg.

Ärzte fehlen im Kreis Cochem-Zell

Der Kassenärztlichen Vereinigung zufolge besteht im Kreis Cochem-Zell ein hoher „altersbedingter Nachbesetzungsbedarf“ bis zum Jahr 2026. Geht man von einem Abgangsalter von 61 Jahren aus, braucht es in diesem Zeitraum 27 neue Hausärzte im Kreis. Auch andere Fachärzte fehlen. „In den letzten zehn bis 15 Jahren ist von der Politik vieles verschlafen worden“, hält Waldner-Hanke fest.

In die Geschichte zurückgeschaut: Das Foto zeigt das Gebäude der Apotheke in Karden um das Jahr 1902. Foto: Archiv Hanke
Archiv Hanke

Dass die geburtenstarken Jahrgänge der sogenannten Babyboomer jetzt ins Rentenalter kommen würden, wusste man schon vor 20 Jahren. Vonseiten der Behörden, der Kassen und Kammern gibt es aus Sicht von Familie Hanke immer neue Auflagen, zum Beispiel wenn es um Medikamenteinlagerung, Abrechnungssysteme oder Qualifizierungen geht – oder auch den Brandschutz. Eine Betriebserlaubnis ist immer wieder zu erneuern.

Ständig neue Auflagen und Vorschriften treffen die kleinen Apotheken auf dem Land genauso wie die großen in der Stadt. Aber die Kosten sind in Relation zum Umsatz für die kleinen deutlich höher.

Brigitte Waldner-Hanke

Waldner-Hanke räumt ein: „Ständig neue Auflagen und Vorschriften treffen die kleinen Apotheken auf dem Land genauso wie die großen in der Stadt. Aber die Kosten sind in Relation zum Umsatz für die kleinen deutlich höher.“ Während der Öffnungszeiten müsse zum Beispiel immer ein Apotheker da sein. „Das heißt, um eine Fortbildung besuchen zu können, brauche ich eine Vertretung“, sagt die Moselanerin. Die Kosten für eine solche Vertretung lägen mit Fahrgeld und allem Drum und Dran sicher bei 80 Euro pro Stunde. Auf circa 70 Wochenarbeitsstunden bringe sie es inklusive Büroarbeit, Finanzmittel und Margen würden gekürzt. Waldner-Hanke: „Tradition hin oder her, irgendwann muss man sich überlegen, ob man seine Arbeitskraft nicht woanders sinnvoller einsetzt.“

„Woanders“: Apotheke in Treis

In diesem Falle ist „woanders“ gar nicht so weit weg, sondern auf der anderen Moselseite, in Treis. Doch Familie Hanke hat dort auch nicht von ungefähr neu gebaut, sondern um der St.-Johannes-Apotheke die Chance auf längerfristige Zukunft zu geben. Auflagen zu Barrierefreiheit, Parkplätzen und Brandschutz wollten erfüllt werden, um die Apotheke auch für Nachfolger attraktiv zu halten. Philipp, der Sohn der Hankes, ist ebenfalls Apotheker und hat Betriebswirtschaftslehre studiert.

Das Dokument zeigt die auf den 25. Oktober 1842 datierte Erlaubnis für den damaligen Apotheker, seine Apotheke von Treis nach Karden zu verlegen. Foto: Archiv Hanke
Archiv Hanke

Wollte man das jahrhundertealte Gebäude der St.-Castor-Apotheke für einen Nachfolger als Apotheke erhalten, müsste dieser Nachfolger „einen sechsstelligen Betrag investieren“, ist sich Waldner-Hanke sicher. „Das würde keiner machen.“ Einen Bestandsschutz gebe es bei Weitergabe nämlich nicht. Dass sich das Haus, das bis zur Säkularisierung Anfang des 19. Jahrhunderts als Vikarie zum Kardener Herrenstift gehörte, in Besitz von Hubert Hankes Familie befindet, ist ein wesentlicher Grund dafür, dass darin überhaupt noch bis zum Jahresende eine Apotheke betrieben wird. Hubert Hankes Mutter hatte den Betrieb am 12. Juni 1947 von ihrem ersten Mann übernommen. So hatte einst die Apothekengeschichte der Hankes in dem Moselort begonnen.

Versandapotheken müssen keine Notdienste leisten, bieten aber auch keine individuell hergestellten Medikamente an.

Hubert Hanke

Dass sie zumindest in Karden bald endet, hängt auch mit Konkurrenz durch Versandapotheken zusammen, die traditionellen Präsenzapotheken zu schaffen macht. „Versandapotheken müssen keine Notdienste leisten, bieten aber auch keine individuell hergestellten Medikamente an“, moniert Hubert Hanke. In welchem Land diese Steuern zahlten, stehe noch einmal auf einem ganz anderen Blatt. „Was uns stört, ist, dass massiv mit zweierlei Maß gemessen wird.“

Unterschiede zwischen Stadt und Land

Selbstverständlich überlege es sich ein junger Apotheker zweimal, aufs Land zu gehen, wenn das bedeute, alle neun oder künftig gar acht Tage einen Notdienst übernehmen zu müssen. Das müsse er nämlich beispielsweise als angestellter Apotheker in einer größeren städtischen Apotheke nicht leisten. An und für sich lieben die Hankes den Beruf des Apothekers. Schließlich geht es darum, Menschen zu helfen, denen es – aus welchen Gründen auch immer – gerade nicht so gut geht. Aber: „Wir gehen an der Verwaltung kaputt“, konstatiert Hubert Hanke. Ein Negativtrend, der sich trotz aller Beteuerungen seitens der Politik, den ländlichen Raum stärken zu wollen, auch schon länger in anderen Berufen zeige, zum Beispiel bei Bäckern oder Metzgern.

Die Kunden ihrer Apotheke in Karden haben die Hankes frühzeitig darüber informiert, dass dort zum Jahresende Schluss ist. Gerade für ältere Menschen, die nicht mehr so mobil seien, biete man künftig von Treis aus jedoch weiter den Service an, Medikamente bis nach Hause zu bringen. Ihre Apothekengeschichte in Treis-Karden schreibt Familie Hanke schließlich fort – nur leider eben nicht mehr in Karden.

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