St. Aldegund
Mit der Familie zusammen sein

Gerhard (76) und Luisa (21) Schommers aus St. Aldegund sprechen beide Platt. Bei den Jugendlichen ist das nicht mehr angesagt, wie der Großvater der jungen Frau weiß. Er freut sich, dass sie diese Tradition pflegt.

Kevin Rühle

St. Aldegund. Wie ihr Großvater Gerhard Schommers (76) spricht auch die 21-jährige Luisa Schommers Aldegunder Platt. Das ist heutzutage selten, wie ihr Opa, der Vorsitzende der Mundartinitiative Cochem-Zell, nur allzu gut weiß. Im RZ-Interview hatten Opa und Enkelin, die auch unter einem Dach leben, nun Gelegenheit, sich über Weihnachten zu unterhalten. Luisa Schommers ist eine begeisterte Gardetänzerin und -trainerin, und absolviert zurzeit ein Berufspraktikum als Erzieherin in der Kita in Ernst. Das Gespräch allerdings wurde zunächst auf Hochdeutsch geführt, aufgeschrieben und dann von Gerhard Schommers in seine Muttersprache, Aldegunder Platt, übersetzt. Für alle, das nicht auf Anhieb verstehen, hier noch einmal das Original-Interview.

Lesezeit 5 Minuten

Was sind Ihre Erinnerungen an Ihr erstes Weihnachten?

Gerhard Schommers: Da kann ich Ihnen folgende Geschichte erzählen. Es war 1943. Die Männer waren im Krieg, meine Mutter und meine Tante, die nicht in unserem Haus lebte, war immer da. und ich war ihr Liebling. Sie hatten mir ein Kuscheltier gemacht – aus Wollresten. Ein Zwischending aus Puppe und Teddy. Mein Onkel hatte mir aus Holzresten einen Leiterwagen gebaut. Kurz vor Weihnachten war beides weg. Das hat das Christkind geholt, sagte man mir. Ich habe alles abgesucht, ohne Erfolg. Doch im Schlafzimmer der Eltern lag beides im Schrank. Das Kuscheltier war frisch gewaschen und geflickt, der Holzwagen rot angestrichen. Ich bin damit in die Küche marschiert, dann ist allen die Kinnlade heruntergefallen.

Luisa Schommers: Mensch Opa, das weißt du noch. Jetzt muss ich erst mal meine Mutter fragen (lacht und verschwindet kurz). Es war 1997. Meine einige Jahre ältere Cousine hatte eine Puppe geschenkt bekommen. Ich spielte zwar lieber mit Autos, aber diese Puppe fand ich einfach toll. die wollte ich auch haben. Das fand meine Cousine nicht gut. Ihre „Poppa“ sollte ich nicht haben. Ich habe dann nicht mehr mit meiner Cousine gespielt. Heute ist das zum Glück längst kein Thema mehr (lacht).

Und können Sie beide sich an das erste gemeinsame Weihnachten erinnern?

Luisa Schommers: Oh, ja. Ich habe von meinem Opa mal ein riesiges Holzbarbiehaus bekommen. Das war super. Und eine große Ladung Ü-Eier, die gab es immer, als wir klein waren.

Gerhard Schommers: Da fällt mir verdammt wenig ein (lacht). An ein besonderes Ereignis erinnere ich mich nicht. Die Familie wohnt mit im Haus. Heiligabend sind wir oben, am ersten Feiertag unten bei uns. Eine große Portion Roastbeef mit viel Zwiebeln, Klößen und Kappes wird es geben. Traditionell gibt es das.

Luisa Schommers: Ach so, und die Geschenke der Großeltern packen wir erst immer am ersten Feiertag aus, wenn dann die ganze Familie versammelt ist.

Gerhard Schommers: Ja, nicht zu viel auf einmal, immer schön der Reihe nach.

Was bedeutet Weihnachten für Sie?

Luisa Schommers: Bei meiner Arbeit mit den Kindern hat das einen ganz anderen Stellenwert. Hier wird das Thema von A bis Z erarbeitet. Und die Vorfreude der Kinder ist ansteckend.

Gehen Sie auch in die Kirche?

Luisa Schommers: Also, ich entscheide immer eher spontan, ob ich beim Kochen helfe oder in die Kirche gehe. Als wir noch Kinder waren, gehörte das aber auf jeden Fall dazu.

Gerhard Schommers: Das muss jeder selbst entscheiden. Für meine Frau und mich gehört ein Gottesdienstbesuch an Heiligabend oder dem ersten Feiertag aber ganz klar dazu.

Und die Adventszeit, bereiten Sie sich auf das Fest vor?

Gerhard Schommers: Wir nehmen auf jeden Fall an den Aktivitäten im Ort teil, wie etwa dem Adventskalender. Da gehen alle gemeinsam hin, singen, trinken Glühwein. Das ist immer sehr stimmungsvoll. Dieses Jahr hatten wir einen Adventsmarkt, das ist immer im Wechsel. Ich erinnere mich an einen schönen Brauch, den es leider nicht mehr gibt. Das Versteigern der Weihnachtsbäume. Der Förster und der Gemeindearbeiter haben Bäume geschlagen, lassen sie es mal 200 bis 250 gewesen sein, sie auf einen Wagen geladen und zum Boa gebracht. Der Ausscheller, das war der Gemeindearbeiter, hat den Termin im Ort bekannt gemacht. Und dann strömten die Leute zum Boa, dem Brunnen. 70 bis 80 Leute, dicht gedrängt. Manche sogar, obwohl sie gar keinen Baum brauchten. Dann ging es los. Erstes Gebot: 1 Mark. Wer bietet mehr. So ging es dann, bis einer den Zuschlag bekam. Wenn es über 5 Mark ging, war bei den meisten Schluss. Und einen Baum für 10 Mark haben sich nur die Allerwenigsten leisten können. Das war in der 50er- und 60er-Jahren. Und wenn die Versteigerung dem Ende zuging, wurden die Bäume immer schäbiger. Aber auch die gingen weg, denn ohne Baum wollte keiner heimgehen.

Was ist für Sie das schönste am Fest?

Luisa Schommers: Ganz eindeutig, mit der Familie zusammen zu sein. Ich genieße es, dass wir hier alle unter einem Dach wohnen. Und Weihnachten ist mit Mama, Papa, meinem Bruder, Oma, Opa und meiner anderen Oma, die auch im Ort wohnt, einfach schön. Das kann ich mir gar nicht anders vorstellen. Am späteren Abend allerdings ist dann noch Zeit für Freunde. Dann feiere ich mit ein paar Jugendlichen in St. Aldegund.

Gerhard Schommers: Ja, die Familie, alle beieinander zu haben. Wobei am ersten Feiertag noch Besuche der Kinder beim Rest der Familie anstehen. Meine Frau und ich, wir erledigen das nach Weihnachten. Wir sind ja Rentner und haben Zeit. Und am zweiten Feiertag ist Relaxen angesagt. Erholung von allem (lacht).

Und der Konsumrausch? Wie halten Sie das?

Gerhard Schommers: Dass da Geschenke zum Umtauschen gekauft werden, das haben wir schon lange abgeschafft. Die Kinder und Enkel bekommen eine Kleinigkeit, damit man etwas zum Überreichen in der Hand hat. Ansonsten gibt es ein Kuvert, wo etwas mit Zahlen drauf drin ist. Das können alle gut gebrauchen.

Luisa Schommers: Wir schenken uns gerne etwas. Es ist schön zu sehen, wie sich der Beschenkte freut. Und ich freue mich auch, selbst wenn ich weiß, was drin ist. Klar, überlegt man da auch, was sinnvoll ist. Aber es gibt auch immer kleine Überraschungen, von denen man nichts geahnt hat.

Was war früher besser?

Gerhard Schommers: Ich glaube, in den vergangenen 30 Jahren hat sich nichts Wesentliches verändert. Als ich Kind war, gab es – außer der geflickten Stoffpuppe und dem frisch angemalten Leiterwagen – ein paar Äpfel und Nüsse und vielleicht ein paar Socken aus Wolle von einem Pullover, dessen Maschen aufgezogen wurden.

Luisa Schommers: Mit den Kindern aus der Kita war ich bei der Burgweihnacht in Cochem. Das war ein tolles Erlebnis, weil es so echt war. Und da ging es dann eben auch um die Wünsche der Kinder. Ich denke mal, die sind schon im Gegensatz zu meiner Kindheit deutlich anders. Bei mir musste es immer praktisch sein: Schulranzen, kleiner Fernseher. Es gab keinen überteuren Firlefanz. Die Reizüberflutung ist heute schon ein Problem für die Kinder. Da sind Eltern gefordert, ein gesundes Maß zu finden.

Was wünschen Sie sich zum Fest, das man nicht mit Geld kaufen kann?

Luisa Schommers: Mein Standardspruch in Freundebüchern war immer: Ich wünsche mir, dass alle gesund bleiben und dass wir zusammenhalten. Ich hoffe, dass wir in unserem Zweigenerationenhaus noch ein paar lustige Weihnachten feiern können.

Gerhard Schommers: Was man sich in meinem Alter wünscht: dass man noch ein paar Jahre hat. Und oben und unten dicht bleibt (lacht). Nee, im Ernst. Körperlich und geistig fit bleiben möchte ich, damit ich noch lange meinen Hobbys nachgehen kann.

Die Fragen stellte Petra Mix

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