„Lange haben wir auf die Ergebnisse gewartet und ihnen auch mit gemischten Gefühlen entgegengesehen“, mit diesen Worten begrüßt die rheinland-pfälzische Kulturministerin Katharina Binz die Gäste in der Galerie Steib in Cochem. Es geht um die Vorstellung der Biografie des Malers Josef Steib, vor allem in der Zeit des Nationalsozialismus. Damals lebte Steib zwar noch in Berlin, an die Mosel kam er erst nach dem Krieg. Doch in der Kreisstadt hat man sowohl einen Platz nach ihm benannt als auch eine Gedenktafel am Enderttor angebracht.
Den Lebenslauf des Künstlers in einen Kontext zur Naziherrschaft zu bringen, war das Ziel einer Studie, die im Auftrag der Landeszentrale für politische Bildung und der Kulturstiftung Rheinland-Pfalz in Zusammenarbeit mit den Historikern Beatrix Bouvier und Dieter Marcos erstellt wurde.
„Die Studie zeigt Möglichkeiten, wie mit dem ambivalenten Nachlass umgegangen werden kann.“
Katharina Binz, Kulturministerin RLP
Auch Diodora Sommer, die den Nachlass des Malers im Jahr 2018 übernommen hat, legte großen Wert auf eine fundierte Aufarbeitung. Insgesamt sieben Jahre hat es gedauert – was unter anderem auch der Coronapandemie geschuldet war – bis die Studie nun endlich abgeschlossen werden konnte. In Band 16 der Reihe Gedenkarbeit in Rheinland-Pfalz sind die Forschungsergebnisse auf 210 Seiten öffentlich nachzulesen. Die Broschüre ist über die Landeszentrale für politische Bildung oder die Stiftung Rheinland-Pfalz Kultur erhältlich.

Bei der Vorstellung der Publikation in der Galerie Steib an der Cochemer Moselpromenade erklärt Binz als Vorsitzende des Kuratoriums der Stiftung die Hintergründe der Arbeit. „Der Blick galt nicht dem künstlerischen Schaffen des Malers, sondern vielmehr seiner Stellung in der damaligen Gesellschaft“, sagt sie. Beatrix Bouvier, Historikern und Co-Autorin der Publikation, wird später sagen: „Es sollte ein Kontext hergestellt werden, der verständlich macht, was die Malerbiografie uns sagen kann.“
Ambivalenz ist ein Begriff, der an diesem Nachmittag sehr häufig fällt. Eine konkrete Anleitung, wie nun mit dem Nachlass Steibs umzugehen ist, gab es allerdings keine. Die Erkenntnisse über Leben und Werk sind zum einen in der Kontextualisierung, zum anderen in der wissenschaftlichen Aufarbeitung schriftlich festgehalten. „Es war uns besonders wichtig, die Arbeit publik zu machen“, betont auch Katharina Propanda, Geschäftsführerin der Kulturstiftung. Der Lebenslauf Steibs habe jetzt dank der Studie an Plastizität gewonnen im Vergleich mit anderen Zeitgenossen, sagt sie.
„Die Aufarbeitung ist ein wichtiger Baustein zur Transparenz. Es ist spannend, auch wenn das, was wir gehört haben, nichts Neues ist.“
Wolfgang Lambertz, Bürgermeister der VG Cochem
Steibs Mitgliedschaft in SA bleibt zwar ohne Belege, doch im Rahmen eines Entnazifizierungsverfahrens wird Steib als sogenannter Mitläufer eingestuft. Er hat sich nicht durch individuelle Verbrechen schuldig gemacht, doch als Künstler habe er vom Regime profitiert, sagt Bouvier. „Er verdiente durch den Verkauf seiner Bilder besser als andere in dieser Zeit“, fügt sie an und stellt auch die Frage nach Handlungsspielräumen und möglichen Folgen für das künstlerische Werk.
Darstellung und Motive Steibs haben sich vor, während und nach der Nazidiktatur nicht verändert. Seine Bilder waren unverfänglich, entsprachen dem Geschmack der Allgemeinheit.
Ob man den Maler nun verdammen oder freisprechen sollte, bleibt jedem selbst überlassen, sobald man sich mit der Publikation auseinandergesetzt hat. „Man kann diskutieren und kritisch sein, aber jetzt kann man es wenigstens einordnen“, erklärt Propanda und fügt an. „Nur mit der Einordnung können wir aus der Geschichte lernen.“
Wie die Stadt Cochem mit den Erkenntnissen umgeht, wird sich zeigen. „Die Publikation wird demnächst im Stadtrat vorgestellt, dann können die Räte darüber sprechen,“ sagt Stadtbürgermeister Walter Schmitz.