Ulmener Stadtrat beauftragt Koblenzer Graffitikünstler mit Verschönerung des spritzbetonlastigen Portals am Jungferweiher
Lava aus der Dose: Koblenzer Grafitti-Künstler soll Stollen in Ulmen verschönern
Ein Wasserrad, Fledermäuse, Lavaströme und Infotafeln – die Entwürfe, die Graffitikünstler Steffen Tschuck jüngst dem Ulmener Stadtrat vorgestellt hat, lassen es erahnen: Dort, wo momentan noch Spritzbeton das Bild im Maarstollen beherrscht, kann er mit Sprühfarben ein Erlebnis erschaffen. Illustration: Gestaltungsagentur Citerart/Steffen Tschuck
Steffen Tschuck/Gestaltungsagent

Graffiti? Das war doch etwas mit Sprühfarbenschmiererei an Autobahnbrücken oder Eisenbahnwaggons, oder? Nein, die Motiventwürfe, die Künstler Steffen Tschuck aus Koblenz jüngst dem Ulmener Stadtrat im Gemeindehaus am Maar präsentierte, ließen die eine oder andere Kinnlade nach unten klappen oder lösten anerkennendes Nicken aus.

Und deshalb bekommt Tschuck auch den Auftrag, das aus Sicherheitsgründen sehr spritzbetonlastige Eingangsportal des Maarstollens am Jungferweiher so spektakulär aufzuwerten, dass es auch zum ansonsten hohen Erlebniswert des einmaligen, rund 124 Meter langen Stollens passt. Aber was soll die Kunst kosten? Und wer bezahlt?

Die Ausgangslage, durchaus eine Not- respektive Zwangslage, verdeutlichten Daniela Saxler von der Verbandsgemeinde (VG) Ulmen und Thomas Kerpen, Bürgermeister der mehr als 3000 Einwohner zählenden Eifelstadt an Maar und Jungferweiher. Der Maarstollen wird momentan zur Attraktion für Natur- und Wanderfreunde sowie vom Eifelvulkanismus Faszinierte ausgebaut. Vor wenigen Wochen hat das Spezialbauunternehmen Feldhaus aus Schmallenberg im Hochsauerlandkreis die nötigen Untertagebauarbeiten für Gesamtkosten von rund 1,5 Millionen Euro zum Abschluss gebracht (die RZ berichtete).

Spritzbeton mit Kunst aufwerten

Betritt man den Stollen nun von von der Seite des Jungferweihers, fällt unangenehm ins Auge, dass das Gewölbe von geologisch wenig extraordinärem Spritzbeton überzogen ist. Ließ sich nicht anders lösen. Schließlich soll der Stollen am Ende für jedermann begehbar sein, ohne dass ein Helm oder Ähnliches vor Steinschlägen schützen muss, erläuterte Saxler. Deshalb kam die Idee auf, diesen Stollenteil mit Kunst aufzuwerten, die sich dafür (erd-)geschichtlich fundierter Motive bedient. Ansgar Wehinger, Referatsleiter Ingenieurgeologie und Erdbebendienst beim Landesamt für Geologie und Bergbau Rheinland-Pfalz, machte die Projektverantwortlichen in Ulmen auf den Koblenzer Graffitikünstler Steffen Tschuck aufmerksam.

Wir nutzen Graffiti als Gestaltungs- und Kunstform.

Graffitikünstler Steffen Tschuck

Dessen Gestaltungsagentur Citerart hat unter anderem schon verschiedene Fassaden in Koblenz mit enorm realistisch wirkender Kunst verschönert. An einem der beiden Dauner Gymnasien, dem GSG, zieren nicht zuletzt große Porträts der von den Nazis ermordeten Geschwister Sophie und Hans Scholl samt weißer Rose die Außenwand der Sporthalle.

„Wir nutzen Graffiti als Gestaltungs- und Kunstform“, erläuterte Tschuck, der dem Ulmener Stadtrat einige Einblicke in seine und die Arbeit seiner Mitstreiter gab. Man arbeite in erster Linie realistisch, naturalistisch und figurativ, erläuterte der im Jahr 1997 geborene Kommunikations- und Grafikdesigner. Ihn hatte aus Ulmen die Bitte erreicht, ein Konzept für die mögliche Kunst im Stollen zu erarbeiten. Notwendiges Hintergrundwissen bekam er mitgeliefert.

Stollen eignet sich gut für kräftige Farben und Kontraste

Die Ideen- und Entwürfe, die er per Beamer an eine Wand im Gemeindehaus projizierte, hatten allesamt Hand und Fuß – die meisten bedienen sich kräftiger Farben und Kontraste. Wobei die schlüssige Grundidee lautet, die natürlichen Sedimentschichten, wie sie in anderen Teilen des Stollens zu sehen sind, optisch aufzugreifen und sie am Spritbetongewölbe mit Sprühfarben fortzusetzen. Tschuck: „Wir haben in dem Stollen das Glück, dass der Beton ziemlich frisch ist.“ Die Gesteins- und Erdschichten lassen sich darauf prima abbilden.

Ansonsten tauchen in Tschucks Entwürfen viele verschiedene Motive auf, die mit der Geologie und (Entstehungs-)Geschichte des Stollens in enger Verbindung stehen. Da sind zum Beispiel Lavaströme, ein stilisierter Kratersee in Augenform, Fledermäuse oder auch ein Wasserrad. Schließlich diente der Verbindungsstollen zwischen den beiden Ex-Vulkanen Maar und Weiher – nach neuesten Erkenntnissen – wohl einem mittelalterlichen Mühlenbetrieb und nützt noch heute der Wasserstandsregulierung zwischen den beiden Gewässern.

Auch die „Explosion, aus welcher ein Maar entsteht“, lasse sich mit künstlerischen Mitteln ebenfalls visualisieren, hielt Tschuck fest. Er betonte ausdrücklich, dass seine Präsentation ausschließlich erste Ideen und Entwürfe zeige. Diese seien noch verfeiner- und auch veränderbar. Außerdem könne man es – in Absprache mit einem Elektriker – zum Beispiel „durch entsprechende Lichtinstallation und Farben schaffen, dass die Lavaströme tatsächlich leuchten“, konstatierte der Künstler.

Stimmen aus dem Rat: Anspruchsvolle, überraschende Kunst

Letztlich sprachen schon die Reaktionen aus dem Rat auf die Entwürfe Bände: Klaus Kutscheid (CDU/FWG Mohr) hob hervor, Tschuck habe Kunst geschaffen, die „sehr anspruchsvoll“ aussehe, ein Erlebnis für Kinder und Ältere sei. Ulmens Stadtbürgermeister Thomas Kerpen war „überrascht, was man mit Kunst alles machen kann“.

Rolf Weber, Fraktionsvorsitzender der Wählergruppe „Bürger für Ulmen“ (BFU) fragte nach, wie lange Tschuck für seine Entwürfe gebraucht habe. Die Antwort des Künstlers – knapp eine Woche – nötigte Weber ein anerkennendes Nicken ab. Webers BFU-Kollege Frank Wallebohr wollte wissen, wie lange die Farben halten. Nach seinen Erfahrungswerten 12 bis 15 Jahre, dann fingen sie an auszubleichen, entgegnete Tschuck. An Außenfassaden, die Wind und Wetter ausgesetzt seien, hielten die Farben nur fünf bis sieben Jahre.

Kostenpunkt: Teilgestaltung vs. Vollgestaltung

Nach den Kosten für seine Arbeiten gefragt, sagte Tschuck, er habe zwei Angebote erstellt. Eine Teilgestaltung sei für 7675 Euro zu haben, eine Vollgestaltung koste 11.935 Euro. Wobei nach dem Willen von VG und Stadt alles über Spenden gegenfinanziert werden soll. Stadtchef Kerpen und VG-Bürgemeister Alfred Steimers sind zuversichtlich, dass das gelingt. Das eine oder andere Ratsmitglied war in diesem Punkt eher skeptisch. Ebenso wenig Glauben mochte SPD-Ratsmitglied Günther Wagner der Zusicherung Tschucks schenken, ein Ehrenkodex unter Sprayern biete der Stollenkunst ausreichend Schutz vor Vandalismus und Wildsprayern.

Da stelle ich die Gegenfrage: Wer steht dafür im März in einem Stollen in der Eifel und friert sich den Arsch ab?

Steffen Tschuck dazu, ob er der Stadt nicht entgegenkommen könnte: Es handle sich schließlich um eine historisch und geologisch einmalige Stätte

Wagner fragte den jungen Citerart-Inhaber auch, ob er der Stadt hinsichtlich der Kosten nicht noch entgegenkommen könne. Schließlich habe nicht jeder die Gelegenheit, eine historisch und geologische einmalige Stätte wie den Stollen mit seiner Kunst zu bereichern. Tschuck reagierte trocken: „Da stelle ich die Gegenfrage: Wer steht dafür im März in einem Stollen in der Eifel und friert sich den Arsch ab?“ Bei nur zwei Enthaltungen aus der SPD-Fraktion erteilte der Ulmener Stadtrat Tschuck schließlich einstimmig den Auftrag, den Maarstollen an besagter Stelle mit Graffitikunst aufzuwerten. Angestrebt werden soll eine Vollgestaltung, VG und Stadt werben gemeinsam um Sponsoren.

Das Kunstprojekt soll bis Ende März nächsten Jahres abgeschlossen sein, weil die mit EU- und Landesmitteln geförderte touristische Erschließung des Stollens im April mit der Eröffnung desselben ihren krönenden Abschluss finden soll. Aus der CDU/FWG Mohr-Fraktion kam die Anregung, auch Ulmener Grundschulkindern eventuell Einblick in Steffen Tschucks künstlerische Arbeit im Maarstollen zu geben. Eine Idee, die Stadtbürgermeister Kerpen gerne mitnahm.

Wer sich Eindrücke von Steffen Tschucks Graffitikunst verschaffen möchte, wird über das Internet fündig www.citerart.de.

Ulmens Maarstollen: Sponsoren für Kunst an einem einmaligen Ort gesucht

Ulmens Maarstollen verläuft unter der Bundesautobahn 48 und der alten Bahnlinie. Er verbindet das mit 11.000 Jahren jüngste „Eifel-Auge“, das 5,4 Hektar große und 37 Meter tiefe Ulmener Maar, mit dem Jungferweiher, der ebenfalls vulkanischen Ursprungs ist. Im Oktober hatte die „International Union of Geological Sciences“ (IUGS) die ersten 100 Geo-Erbestätten weltweit vorgestellt.

Drei solcher Stätten gibt es nun in Deutschland, das Ulmener Maar gehört dazu – wegen seiner großen Bedeutung für das Verständnis der Erde und ihrer Geschichte. Mit Fördergeld der EU (Europäischer Fonds für regionale Entwicklung) und des Landes Rheinland-Pfalz wird der Stollen erschlossen. Von der neuen Tourismussaison an, also ab April, soll der Durchgang zwischen den beiden vor Jahrtausenden aktiven Vulkanen für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Wer Interesse daran hat, das Kunstprojekt finanziell zu unterstützen, mit dem Graffitikünstler Steffen Tschuck die Stollengestaltung abrunden will, der wendet sich an: Daniela Saxler, VG Ulmen, Tel. 02676/409.222, E-Mail daniela.saxler@ulmen.de, oder an Stadtbürgermeister Thomas Kerpen, Tel. 02676/249, E-Mail buergermeister@stadt-ulmen.de. dad

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