Deutlich weniger Menschen im Publikum - Kabarettistin Inka Meyer im Interview
Kabarettistin Inka Meyer im Interview: Kultur leidet noch immer unter Corona-Auswirkungen
Die Kabarettistin Inka Meyer bedauert, dass die Pandemie nachhaltig der Kultur geschadet hat. Foto: Simon Büttner
Simon Büttner

Kulturveranstaltungen haben es seit der Pandemie schwer – erst durften sie nicht stattfinden, dann mit Beschränkungen, und jetzt fehlen die Zuschauer. So sieht es zumindest die Kabarettistin Inka Meyer, die am kommenden Wochenende einen Auftritt im Zell-Merl hat. Im Interview hat sie uns eine Einschätzung von der Seite einer Künstlerin gegeben.

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Frau Meyer, was sind Ihre Erfahrungen mit der Entwicklung des Publikum, haben die Zahlen wirklich deutlich abgenommen? Was, denken Sie, sind die Gründe dafür?

Ja, der Zuschauerraum gestaltet sich derzeit oft recht übersichtlich. Gründe kommen hier viele zusammen: Die Welt vor der Haustüre scheint zu taumeln, viele Menschen haben die Pandemie noch im Kopf, sodass es schwerfällt, die heimische Höhle zu verlassen. Und natürlich sitzt das Geld nicht mehr so locker wegen Teuerungen allenthalben. Aber ich merke auch: Das Publikum, das am Abend dann kommt, ist hoch motiviert und hungert nach Kultur. Es sind wunderschöne Abende. Bei meinem jüngsten Auftritt in Frankfurt stand ein Paar aus der ersten Reihe nach meiner Show lange da und hielt sich einfach nur im Arm. Die Frau meinte im Rausgehen dann zu mir: „Ihr Programm ist sehr ehrlich, das hat uns sehr gefallen!“ Diese Zuschauerreaktion hat mich tief bewegt. Oft hört man auch hinterher: „Das hatten wir wieder mal nötig!“ Oder: „Endlich wieder Kabarett und zusammen lachen!“ Ich hoffe, diese Begeisterung wird weitergetragen, sodass es langsam wieder aufwärtsgeht.

Warum sind Veranstaltungen aus dem Kulturbereich wie Ihre weiterhin wichtig?

Kultur ist eine wichtige Auseinandersetzung mit der Welt. Und im Fall von Kabarett kann diese Kunstform den Menschen – trotz aller Sorgen – Lebensfreude vermitteln. Denn besonders im Kabarett thematisieren wir zwar die Probleme der Gegenwart, aber eben mit den Mitteln des Humors. Das erleichtert das Herz, schafft Klarheit für das Dickicht im Kopf und gibt Kraft für die Aufgaben, die vor uns liegen. Der Krisentaumel, in dem wir uns gerade befinden und gefühlt feststecken, hat meinen Beruf also schwerer gemacht, aber eben auch bedeutsamer. Nicht umsonst gestalte ich mit meinem Kabarettkollegen Philipp Weber alle paar Wochen eine kleine Podcast-Folge auf YouTube: Wir wollen den Menschen mit Höhepunkten aus unserem Touralltag neuen Mut geben und zeigen, wie herrlich und aber auch irrwitzig unser Leben sein kann.

Was wünschen Sie sich vonseiten der Politik und anderen Stellen zur Unterstützung der Kultur?

Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist schon immer ein bedeutender Arbeitsmarkt gewesen. Als eine der umsatzstärksten Branchen erzielten wir im Jahr 2019 insgesamt 174 Milliarden Euro. Damit lagen wir sogar vor der chemischen Industrie, den Energieversorgern und Finanzdienstleistern. Und deshalb möchten wir von der Politik auch wahrgenommen werden und fordern nur dieselbe staatliche Unterstützung, die anderen Wirtschaftszweigen in ökonomisch schweren Zeiten auch zugutekommt. Dass sich dies in der aktuellen Situation herausfordernd gestaltet, ist uns vollkommen klar. Doch wenn der Staat an allen Fronten kämpft, wäre es wünschenswert, dass die Städte und Kommunen einspringen würden, um ihre Theater und Kulturvereine zu unterstützen, sei es mit Zuschüssen für neue Theatersitze, eine Lüftungsanlage oder den Ausbau der Digitalisierung, zum Beispiel die Einrichtung von Online-Ticketsystemen, die eben auch Geld kosten. Es gäbe da viele Möglichkeiten. Hier muss der Dialog zwischen Gemeinde und Theater verstärkt werden, damit die Kultur nicht in Vergessenheit gerät. Denn: Das Publikum wird wiederkommen. Diese Durststrecke gilt es zu überbrücken. Kultur ist ein essenzielles Bedürfnis des Menschen. Deshalb: Jede verkaufte Eintrittskarte ist nicht nur ein persönliches Vergnügen, sondern auch ein entscheidender Beitrag zur Erhaltung der Kultur.

Inka Meyer tritt am Samstag, 3. Dezember, um 20.30 Uhr in der Alten Schule in Zell-Merl auf. Karten gibt es vorab für 12 Euro zu kaufen im Reisebüro Ritz, Schloßstraße 5 in Zell, Tel. 06542/5044. An der Abendkasse kosten die Tickets 14 Euro.

Wie haben Sie als Kabarettistin diese bewegte Zeit erlebt, und wie würden Sie sie beurteilen?

Als die allergrößte Herausforderung, der ich mich bis dato beruflich stellen musste. Immer wieder in der Pandemie habe ich mir eine Delfintherapie oder Alpakatour gewünscht. Das ständige und oft mehrfache Verschieben von Auftritten hat viel Arbeit bereitet. Daneben blieb mir aber auch etwas Zeit für die Kreativität: für das Schreiben am Bühnenprogramm, zwei Buchprojekte und ein kleines Fotoprojekt. Und um Joseph Beuys hier aufzugreifen: Wie er ernähre ich mich durch Kraftverschwendung. Mir wird nie langweilig. Wenn ich mich wirklich mal ausruhen muss, weil vielleicht der Körper eine Pause fordert, dann kann ich mir nur aktiv klarmachen: „Inka, du bist jetzt hoch motiviert, mal nichts zu tun!“ Und heute möchte ich vor allem nach vorne schauen, was bedeutet: Ich freue mich auf jeden einzelnen Auftritt, den ich wieder spielen darf, und unterhalte meine Gäste so leidenschaftlich, dass alle danach sagen müssen: „Ohne Kabarett will ich mir diese Welt nicht mehr vorstellen.“

Worum geht es bei Ihrem Auftritt in Zell-Merl?

So viel will ich schon mal versprechen: Jede und jeder wird sich in dieser Show angesprochen fühlen. Denn es dreht sich bei mir um das Leben in allen seinen Ausprägungen und Kapriolen. Mit viel Witz und Ironie beleuchte ich das Familien- und Liebesleben, genauso wie das Berufsleben. Es ist eine satirische Tour d‘Horizon durch die Tücken des Lebens. In „Zurück in die Zugluft“ reisen meine Zuschauer nicht durch die Galaxis, sondern die Erkenntnis. Auf dem Boden der Tatsachen angekommen, sind sie dann richtig durchgeschüttelt vom besten Antrieb, den man sich vorstellen kann: dem gemeinsamen Lachen.

Das Interview führte Annika Wilhelm

Gesunkene Besucherzahlen: Auch Zeller Verein ist betroffen

Dass sich Kulturveranstaltungen derzeit schwertun, sieht nicht nur die Kabarettistin Inka Meyer. Auch Stefan Schlaadt vom Verein zur Förderung von Kunst und Kultur Seitwärts-Aufwärts aus Zell kennt das Problem: Seit Beginn der Saison hatte der Verein zwei Veranstaltungen, und bei diesen beobachtete er eine deutliche Entwicklung: „Unsere Veranstaltungen waren über 15 Jahre komplett ausverkauft, und bei den derzeitigen Veranstaltungen kommen wir gerade einmal auf die Hälfte.“

Woran das liegt? Die dreijährige Pause sei sicherlich Grund dafür, so Schlaadt, die Macht der Gewohnheit, ebenso, dass die Veranstaltungen in einem kleinen, engen Raum stattfinden würden, könnte mitspielen. Noch sind die Preise für die Veranstaltungen in der Alten Schule so wie vor der Pandemie, jedoch muss auch der Verein Seitwärts-Aufwärts künftig Preisanpassungen vornehmen: „Wir sind gezwungen zu erhöhen, alleine wegen des Künstlerdrucks“, so Schlaadt – denn der Verein bekomme keinen Zuwachs, durch welchen das Programm erweitert werden könnte, sodass öfter auf Beiträge von außen zurückgegriffen werden müsse. wih

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