Mehr Teilhabe, mehr Mitsprache, mehr Lebensfreude – die grundsätzlichen Leitlinien ihrer Arbeit haben Einrichtungsleiter Michael Krämer und Prof. Dr. Erhard Fischer, Schriftführer des Vereins Lebenshilfe Cochem-Zell, gegenüber unserer Zeitung skizziert. Dabei wurde deutlich: Nach dem Führungswechsel im November 2020 gab es eine Menge aufzuarbeiten.
Was man sagen muss, ist, dass wir nach vorne schauen, nicht nach hinten.
Einrichtungsleiter Michael Krämer
Was sich verändert hat, schilderten Leistungsnehmerinnen der Einrichtung der Lebenshilfe bei einer Mitgliederversammlung Mitte Oktober dieses Jahres selbst. „Uns geht es heute besser – wir dürfen über unser Leben selbst entscheiden“, in Sätze wie diese hätten Beate Kölzer und Susanne Ahlbrand, Leistungsnehmerin aus der Wohngruppe in Brauheck, ihr neues Lebensgefühl gekleidet. So geben es Lebenshilfe-Vorstandsmitglied Fischer und Einrichtungsleiter Krämer wieder. Krämer fügt hinzu: „Was man sagen muss, ist, dass wir nach vorne schauen, nicht nach hinten.“
2020 gab es einen Heimleiter-Wechsel
Um die Tragweite der Veränderungen zu begreifen, ist ein kurzer Rückblick jedoch unerlässlich: Im November 2020 hatte das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung den damaligen Heimleiter mit sofortiger Wirkung abgesetzt. Gründe waren ein nicht angemessener Umgang mit einem größeren Corona-Ausbruch und „vielfältige Mängel im Betrieb der Einrichtung“ (die RZ berichtete). Wesentliche Anforderungen an den Betrieb einer solchen Einrichtung seien vom damaligen Leiter, der zugleich jahrzehntelang Vorsitzender der Lebenshilfe-Kreisvereinigung gewesen war, „zunehmend nicht mehr erfüllt“ gewesen, hatte es seinerzeit aus dem LSJV geheißen.
Als kommissarische Leiterin hatte das für die Heimaufsicht zuständige Amt Christine Seebohm aus Koblenz eingesetzt. Sie hatte damals gegenüber der RZ gesagt, in der Faider Einrichtung sei zuvor ein „veralteter, patriarchischer Führungsstil gepflegt worden“. In der Rückschau hält Michael Krämer, seit August dieses Jahres alleiniger Einrichtungsleiter, fest, dass es Christine Seebohm war, die die entscheidenden Prozesse für einen zeitgemäßen Weiterbetrieb der Einrichtung angestoßen hat. Dass gelte insbesondere für Strukturen der Selbstvertretung der Bewohnerinnen und Bewohner, aber auch für bauliche Modernisierungen oder ein sachgerechtes Brandschutzkonzept.
Eigenständig leben und ausprobieren
Die Faider Wohnstätte „Beim Weißen Stein“ und die dazugehörige Wohngruppe in Brauheck bieten 38 Plätze für erwachsene Menschen mit geistiger und/oder körperlicher Beeinträchtigung. 24 Plätze befinden sich in Faid, 14 in Brauheck, erläutert Michael Krämer. Hinzu kommt ein Kurzzeitplatz in Faid. Außerdem ist der Verein Lebenshilfe Cochem-Zell Träger der integrativen Kindertagesstätte Regenbogen in Dohr.
Wegen umfangreicher Sanierungsarbeiten in der Dohrer Kita hat die Lebenshilfe einen Teil einer ehemaligen Gaststätte in Faid, deren Eigentümerin sie ist, vorübergehend zur Kita umgerüstet. In der Faider Wohnstätte hat sich baulich allerdings auch etwas getan. Beispielsweise ist in einem früheren Leerstand ein Trainingswohnheim entstanden, in dem Bewohnerinnen und Bewohner eine möglichst eigenständige Lebensführung im Alltag ausprobieren können.
„Inklusion“ und „Dezentralisierung“ lauten wichtige Schlagworte. Individuell auf die Leistungsnehmerinnen und Leistungsnehmer zugeschnittene Teilhabepläne gehen regelmäßig ans LSJV. Der 54 Jahre alte Einrichtungsleiter Krämer, dem die kommissarische Heimleiterin Seebohm noch für ein Jahr zur Seite gestellt war, hebt die Grundsätze hervor, die für den Umgang mit den Menschen mit Beeinträchtigung gelten: „Ich versuche, dich zu befähigen, dass du das allein kannst.“ Auf die Anleitung und Begleitung kommt es an.
Das Ziel lautet aber immer mehr Selbstbestimmung, mehr Lebensqualität.
Erhard Fischer
Bei Bewohnerinnen oder Bewohnern, die ein hohes Maß an Fremd- oder Eigengefährdung mitbrächten oder zum Beispiel körperlich massiv beeinträchtigt seien und einen großen Pflegebedarf hätten, habe der Grad der möglichen Eigenständigkeit in der Regel Grenzen, erläutert Erhard Fischer. Der in Dohr lebende Sonderschullehrer und Diplom-Pädagoge hatte bis 2018 an der Uni Würzburg eine Professur für Geistigbehindertenpädagogik inne. „Das Ziel lautet aber immer mehr Selbstbestimmung, mehr Lebensqualität.“
In der Faider Wohnstätte ist seit dem Leitungswechsel beispielsweise auch eine „interne Bank“ mit festen Schalterzeiten installiert worden. Dort wird das persönliche Geld verwaltet, das den Bewohnerinnen und Bewohnern zusteht. Circa 150 Euro im Monat. Darüber, wie sie es verwenden, entscheiden sie selbst. Beispielsweise erfreut sich der Kaffeeautomat im Foyer großer Beliebtheit.
Der Vorstand des Vereins Lebenshilfe Cochem-Zell
Der Vorstand des Vereins Lebenshilfe Cochem-Zell setzt sich seit den jüngsten Wahlen wie folgt zusammen: Georg Kohl (Neuwied-Engers), Vorstandsvorsitzender; Sören Wilbrandt (Koblenz), Zweiter Vorsitzender; Ingrid Cyba (Cochem), Schatzmeisterin/Kassenwartin; Dr. Erhard Fischer (Dohr), Schriftführer; Stephanie Balthasar-Schäfer (Dohr), Beisitzerin. dad