Der Angeklagte macht es dem Gericht dabei leicht und legt ein Geständnis ab. Dazu ist die Beweislast erdrückend: Dem Richter und den Schöffen liegen sowohl Dutzende Chatverläufe als auch eingezogene Materialien – inklusive Marihuana – aus einer Hausdurchsuchung im Jahr 2018 vor.
„Die 112 Fälle sind die, die wir Ihnen nachweisen können. Aber das ist sicher nur die Spitze des Eisbergs“, ist der Vorsitzende Richter Sven Kaboth überzeugt. In einem Fall hatte der Angeklagte sogar 300 Gramm Marihuana in einem Rucksack im Garten. „Das ist schon eine Hausnummer“, betont Kaboth. Erhalten habe der Angeklagte die Drogen von einem Mann aus Mayen – und diese dann im Kreis Cochem-Zell weiterverkauft.
Seit 2015 hat der Eifler nach Angaben seines Verteidigers mit dem Konsum von Betäubungsmitteln zu tun. „Bedauerlicherweise ist das immer mehr und immer schlimmer geworden“, sagt der Verteidiger. Als nach dem Schulabschluss 2017 während einer Ausbildung noch Mobbing hinzu kam, sei die Drogenproblematik aufgrund von Schlaflosigkeit und Depressionen seitens seines Mandanten „massiv“ geworden, so der Anwalt. Die Ausbildung brach der 18-Jährige daher 2018 ab. Seit 2016 habe der Angeklagte bereits an Freunde und Bekannte weiterverkauft.
Nun befinde er sich auf dem Weg der Besserung, sei seit gut einem Monat weg von den Drogen. Der Angeklagte bestätigt die Ausführungen seines Verteidigers. Es tue ihm leid, seine Familie enttäuscht und viele Menschen durch seinen Drogenhandel geschädigt zu haben. Er habe nun einen Praktikumsvertrag in der Tasche, eine feste Freundin, eventuell einen Therapieplatz in einer Spezialklinik. „Ich will mein Leben ändern. Ich will so selbst nicht mehr sein“, kündigt der 18-Jährige an.
Jugendgerichtshelfer Thomas Mauer sieht in dem Angeklagten einen jungen Mann, der sich ändern möchte. „Ich kenne ihn nun seit drei Jahren. Gut ist sicherlich, dass da nun etwas in Bewegung gekommen ist“, erklärt Thomas Mauer. Der junge Eifler habe eine gute Familie, die ihn unterstützt, so Mauer. „Bei seinen vorigen Vergehen hat er die Auflagen komplett erfüllt“, betont der Jugendgerichtshelfer weiter. Hintergrund: Der 18-Jährige war bereits wegen diverser Vergehen aufgefallen und verwarnt worden. Was den aktuellen Fall angeht, ist der Angeklagte nach Mauers Meinung für sein Verhalten voll verantwortlich, war allerdings zum Tatzeitpunkt minderjährig. „Hier und heute muss ein deutliches Signal her“, meint der Jugendgerichtshelfer.
Und dieses Signal gibt das Jugendschöffengericht mit seinem Urteil auch: Der junge Mann wird wegen des gewerbsmäßigen Handels von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 112 Fällen zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die Strafe ist zur Bewährung ausgesetzt. Mit der Bewährung sind einige Auflagen verbunden: Der Eifler muss binnen acht Wochen in einer Spezialklinik mit einer Drogentherapie beginnen und diese durchhalten. Dazu muss er ein drogenfreies Leben führen und sechs Drogenscreenings pro Jahr über sich ergehen lassen. Außerdem muss er nach der Drogentherapie am Programm „Rein in die Eigenständigkeit“ („ride“) teilnehmen. Hinzu kommen 150 Stunden gemeinnützige Arbeit, die sich bei einer Ausbildung auch in eine Geldauflage umwandeln lassen.
„Sie waren einer der großen Fische im Kreis. Wir wollen Ihnen aber keine Steine in den Weg legen“, begründet Sven Kaboth das Urteil. Die Sozialprognose sei in seinem Fall zwar schlecht, meint der Richter. „Es ist Ihre allerletzte Chance. So wie Sie da sitzen, haben Sie eigentlich keine Bewährung verdient. Sie können sich glücklich schätzen, dass Herr Mauer sich für Sie eingesetzt hat“, schärft Kaboth dem Angeklagten ein. Das Urteil ist rechtskräftig.