Türzieher spielte einst im kirchlichen Asylrecht eine besondere Rolle
Historie: „Gnadenring“ für Verfolgte an der Tür des Kardener Doms
Die uralte Portaltür aus Zirbelkieferholz mit einem Gnadenring, der ein Kreuz mit Blätterrosetten zeigt. Hier wurde das Giebelkreuz bei der Kirchweihe mit einem Weihekreuz berührt. Foto: Karl Josef Zimmerman
Karl Josef Zimmermann

Treis-Karden. Tag um Tag, Jahr um Jahr reisen viele Menschen als Touristen oder Feriengäste ins romantische Moselland, und somit wird auch von vielen Bürgern die Doppelgemeinde Treis-Karden, mit ihren historischen Baudenkmälern besucht. Zu ihnen gehört an herausgehobener Stelle die mehr als 830 Jahre alte romanische, die frühere Stiftskirche St. Castor zu Karden. Von der einheimischen Bevölkerung wird sie liebevoll „Kardener Dom“ genannt. Sie gilt als die bedeutendste Kirche an der Mosel zwischen Trier und Koblenz und weist durch ihre große historische Bedeutung auch reichhaltige Besucherzahlen auf.

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Der Zugang zum Gotteshaus, der mit einigen Besonderheiten ausgestattet ist, findet durch das südliche romanische Außenportal statt. So präsentiert sich die rustikale, stark ausgewaschene Kirchentür, schützend wie ein robustes Burgtor, in der trierischen roten Farbe. Bereits in der Antike war die Farbe rot ein Statussymbol der Macht und der (Blut-) Gerichtsbarkeit. Und so waren einst an roten Kirchentoren oft Gerichtsstätten angesiedelt.

Mit mehr als 30 grob geschaffenen horizontalen Eisenbändern, deren Enden gespalten und zu einer Linienform ausgeschnitten sind, besteht die Portaltür vom „Dom“ aus einem Jahrhunderte alten Zirbelkieferholz, welches in den Alpen und Karpaten wächst und 1000 Jahre alt wird. Beim Bau des seitlichen Langhauses, das 1260 zur Fertigstellung kam, wurde an derselben Stelle das Außenportal der vorausgegangen baufälligen Paulinuskirche für die neu erbaute Castorkirche wiederverwendet. So erhebt sich ein kleiner Giebel über dem wiederverwendeten Portal der Kirche von 1121, welches mit einem Birnstab – die Nase auf dem Wulst nur leicht angedeutet – und mit nur einer tiefen Kehle ausgestattet ist, im Gegensatz zum Portal auf der Kreuzgangseite mit seiner dreifachen Birnstabrahmung.

Aus statischen Gründen wird auf zwei stabilen, glatt geschaffenen Pfosten aus Basaltgestein ein schwerer Giebelsturz getragen. In ihm hat ein Steinmetz ein Kreuz mit Blätterrosetten eingemeißelt, auf dem einst bei der Kirchweihe das Weihekreuz aufgelegt wurde.

Wie der Kunsthistoriker Dr. Ernst Wackenroder in der Baubeschreibung erwähnt, sei das Kreuz mit der Blätterrosette anstelle einer figürlichen Darstellung Christi getreten. Ferner wird dem Balkenkreuz im Türsturz eine gewisse Parallele zu einer Silbermünze aus der Prägezeit 822/23 – 840 n. Chr., die Kaiser Ludwig der Fromme, ein Sohn Karl des Großen, auf einer seiner Münzen aufprägen ließ, nachgesagt. Weiter findet der aufmerksame Betrachter an der uralten Kirchentür auch noch ein Schlüsselschild, dessen Schlüsselloch für einen mächtigen Schlüssel mit einem Bartmaß von 80 Millimetern ausweist. Zudem zeigt sich am rechten Türflügel ein eiserner Türzieher.

Dennoch spielte im kirchlichen Asylrecht der Türzieher an kirchlichen Portalen eine bedeutende rechtliche Rolle. Aus diesem Grund wurden seit 1059 die Schutzzonen um die Kirchenportale auf einen bestimmten Radius erweitert. Wie nach Ausführung von Beate Höfling über das Kirchenasyl: „ ...sich festmachen an der Kirche“ in einem kleinen Band „Licht der Welt“ zu entnehmen ist, hatten die Türzieher eine gesicherte rechtsgerichtliche Funktion, die am Kirchenportal gewährt wurde. „Das Anfassen des Türrings war ein entscheidender Rechtsakt.“ So gab es auch den verbreiteten Brauch, dass der Türzieher zum „Gnadenring“ wurde. Erreichte ein Verfolgter diesen „Gnadenring“ an der Tür eines Gotteshauses, und er konnte diesen berühren oder sich festmachen, dann durfte der Zufluchtsuchende von keiner weltlichen Obrigkeit mehr verhaftet werden. Der Verfolgte hatte zumindest einen zeitlichen Gewinn und die Hoffnung, einen fairen Prozess zu bekommen. Ob sich ein solcher Vorgang jemals an dem Portal der Stiftskirche ereignete, ist aber unbekannt.

Von unserem Mitarbeiter Karl-Josef Zimmermann

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