Ein großer Greifvogel hat kürzlich einen Kater in den Cochemer Schutzmarken attackiert. Vor rund einem Monat wurde Monika von Landenberg, Rechtsanwältin aus Cochem, von ihrem aufgeregten Nachbarn angerufen. Der hatte beobachtet, dass ein riesiger Greifvogel es auf Nikita, den sibirischen Waldkater der von Landenbergs, abgesehen hatte. „Ein Adler greift euren Kater an“, sagte der Nachbar am Telefon zu der Haustierbesitzerin. Die Anwältin machte sich umgehend auf den Weg nach Hause, doch als sie dort ankam, war der Vogel bereits weg. Kater Nikita hatte sich unverletzt unter ein parkendes Auto retten können.
Auch einer weiteren Anwohnerin war der riesige Vogel in Cochem aufgefallen. Fotos hatte jedoch keiner der Augenzeugen machen können. Da es Monika von Landenberg dann aber doch seltsam vorkam, dass ein Adler in Cochem unterwegs sein sollte, kontaktierte sie den nahegelegen Klottener Tierpark, der auch eine Falknerei mit verschiedenen Greifvögeln betreibt. „Es ist ja schon häufiger vorgekommen, dass sich mal einer der Greifvögel in der näheren Umgebung verirrt hat“, weiß von Landenberg. Doch von den Parkbetreibern bekommt sie die Antwort, dass wegen des windigen Wetters an dem besagten Tag gar keine Flugschauen stattgefunden hätten und somit keiner der Greifvögel unterwegs gewesen sei.

Da es Nikita gut ging und der Kater mit dem Schrecken davon gekommen war, geriet der Vorfall wieder in Vergessenheit. Bis Monika von Landenberg am vergangenen Samstag in der Ausgabe unserer Zeitung die Meldung von Bartgeier Vinzenz las, der 2024 in den bayerischen Alpen ausgewildert worden war und derzeit auf Deutschlandtour sei. Das mit dem satellitengestützten Navigationssystem GPS ausgestattete Tier habe an die bayerische Vogelstation auch Signale aus dem nördlichen Rheinland-Pfalz, genauer aus der Nähe von Koblenz, gesendet. „Da war mir klar, es muss Vinzenz gewesen sein, der unseren Kater angegriffen hat“, sagt Monika von Landenberg.
Bis Anfang des 20. Jahrhunderts gehörten Bartgeier zum alltäglichen Bild in den bayerischen Alpen. Doch da man sie verdächtigte, Vieh, Wild und sogar Kinder zu verschleppen, wurden sie nach und nach ausgerottet, so ist es auf der Internetseite des Landesbunds für Vogel- und Naturschutz (LBV) nachzulesen. Seit einigen Jahren versucht der Naturschutzbund nun die Greifvögel, die mit einer Spannweite von fast drei Metern zu den größten flugfähigen Vögeln der Welt zählen, wieder anzusiedeln.

Auf Nachfrage unserer Zeitung gibt Markus Erlwein, Pressesprecher des LBV im fränkischen Hippoltstein allerdings Entwarnung. „Da Bartgeier Knochenfresser sind und keine lebenden Tiere jagen oder fangen, kann Vinzenz das mit dem Kater nicht gewesen sein“, teilt er auf Anfrage schriftlich mit. Vinzenz ist zwar nachweislich über das nördliche Rheinland-Pfalz geflogen, doch das GPS-System ermöglicht es den Vogelschützern, die genaue Route zu verfolgen. Der aufgezeichneten Flugroute nach hat der Vogel von Mainz fliegend Koblenz sozusagen links liegen lassen und sich auf den Weg übers Ruhrgebiet bis zur Nordseeküste gemacht.
„Vinzenz hatte sich am Wochenende bis an die Nordsee verirrt, ist jetzt aber noch etwas erschöpft in einer Auffangstation bei Oldenburg und wird für den Rücktransport in die Alpen vorbereitet.“
LBV-Pressesprecher Markus Erlwein
Über die ungewöhnliche Deutschlandreise von Vinzenz hat der LBV eine Pressemitteilung herausgegeben sowie die Flugroute des Greifvogels veröffentlicht. Erlwein teilt mit: „Vinzenz hatte sich am Wochenende bis an die Nordsee verirrt, ist jetzt aber noch etwas erschöpft in einer Auffangstation bei Oldenburg und wird für den Rücktransport in die Alpen vorbereitet.“
Haustierbesitzer in Cochem und Umgebung müssen sich also keine Sorgen machen, dass ihre Tiere aus der Luft angegriffen werden. Zumindest nicht von Vinzenz, dem reiselustigen Bartgeier.