Nicht von ungefähr kam Ecoliance zur jüngsten Mitgliederversammlung in die Eifel. Das verdeutlichte Dr. Thomas Griese, Staatssekretär im rheinland-pfälzischen Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten: „Wenn wir über Wasserstoff reden, dann sind wir in Kaisersesch an der richtigen Stelle.“ Denn schon seit dem Jahr 2005 befasst sich der dort gegründete gemeinnützige Verein H2BZ Netzwerk RLP mit den Themen Wasserstoff und Brennstoffzelle. Und jetzt wird rund um das VG-Rathaus – unter Einsatz von Wasserstoff – ein Feldversuch in Gang gebracht, der es in sich hat. Hier werde künftig „Innovationsarbeit geleistet“, die „mit dem Namen Kaisersesch verbunden ist“.
Für Griese ist klar, molekularer Wasserstoff (H2) werde ein ganz „maßgeblicher Baustein“ sein, „mit dem wir es ermöglichen, die Industrieproduktion auf Klimaneutralität umzustellen“. Was genau in Kaisersesch passieren soll, erläutert Jörg Heinen vom Konsortialpartner innogy: Auf Basis von „komplett grünem Wasserstoff“ – also Wasserstoff, den der besagte Elektrolyseur unter Verwendung von Ökostrom produziert – sollen hier kleine Verteilnetze (Microgrids) entstehen, die ihre Nutzer mit ausreichend Energie versorgen. Das Ganze soll funktionieren, ohne dass Kohlendioxid (CO2) den Klimawandel weiter anheizt.
Es geht aber auch darum, überschüssige Energie, die aus Wind und Sonne gewonnen wurde, zu speichern, um sie zu einem beliebigen Zeitpunkt nutzen zu können. Überschüssige Ökoenergie gebe es in Kaisersesch, gegebenenfalls kämen jedoch auch neue Windkraft- oder Fotovoltaikanlagen hinzu, hielt Heinen fest. Ein H2-Blockheizkraftwerk und eine Pipeline sind ebenfalls Teil der Pläne, die nicht nur das VG-Rathaus, sondern auch örtliche Industriebetriebe in Zukunft Wärme versorgen sollen. Doch damit nicht genug: Das Konsortium hat auch Busse und einen „Wasserstoffzug im Auge“. Diese Fahrzeuge könnten mittels grünem Wasserstoff aus Kaisersesch auf die Straße respektive Schiene gehen.
Nach bislang neun Monaten Projekterfahrung sagt innogy-Vertreter Heinen aber auch, dass etliche dringliche Entscheidungen vonseiten der Politik zu viel Zeit in Anspruch nehmen. „Wenn ich sehe, wie lange der Kreis gebraucht hat, um die Prozesse für die Anschaffung der Busse zu initiieren.“ Das dauere zu lange, nicht zuletzt angesichts der begrenzten Projektlaufzeit von fünf Jahren. Heinen: „Wenn das in allen Gewerken so läuft, dann bauen wir eine Infrastruktur ohne Kunden auf.“ Denn für das SmartQuart-Konsortium, in dem auch Unternehmen wie der Heizungsbauer Viessmann oder das Speichertechnologieunternehmen Hydrogenious vertreten sind, steht fest: „Wir wollen auch nach fünf Jahren weiter Wasserstoff in Kaisersesch produzieren“, unterstrich Heinen.
An SmartQuart sind außer Kaisersesch auch die Städte Bedburg und Essen beteiligt. Die Vision ist für alle drei Standorte gleich: Ein Quartier soll zu 100 Prozent mit klimaneutral gewonnener Energie versorgt werden – dafür werden verschiedene, in großen Teile innovative technologische Ansätze gewählt. Kaisersesch ist dabei der Wasserstoffstandort. Das Gesamtinvestitionsvolumen des vom Bund geförderten Projekts beläuft sich auf 60 Millionen Euro. Davon entfällt ein Volumen von 17 Millionen Euro auf Kaisersesch, so Heinen.
Weil die Quartiere ausgewählt wurden, die beispielhaft sind für Deutschland – „von niedrig verdichteten ländlichen bis zu sehr hoch verdichteten städtischen Räumen“ –, sollen die Resultate, die die Reallabore der Energiewende liefern, auf andere Orte übertragbar sein. Staatssekretär Griese zufolge hat das Land Rheinland-Pfalz die entscheidende Bedeutung von grünem Wasserstoff für die Energiewende erkannt. Deshalb habe es noch vor der Sommerpause Eckpunkte für eine Wasserstoff-Strategie auf den Weg gebracht.
Per Nachtragshaushalt sollen bald 10 Millionen Euro Fördergeld für Wasserstoffaktivitäten bereitgestellt werden. Sie werden, so Griese, vornehmlich einer Kofinanzierung dienen, da der Bund ebenfalls eine Wasserstoffstrategie erdacht und Fördermittel angekündigt hat. Trotzdem sind auch aus Grieses Sicht noch nicht alle Rahmenbedingungen so, wie sie zur sinnvollen energetischen Nutzung von Wasserstoff sein sollten. SmartQuart-Fachmann Heinen betonte in Kaisersesch: „Wir können nicht beliebig lange auf jemanden warten.“ Die Revolution soll schließlich nicht vor bürokratischen Hürden haltmachen müssen.
Wer mehr über das Gesamtprojekt wissen möchte wird im Internet fündig: smartquart.energy