Bullay
Familienbande reichen über den großen Teich

Franz Scheidt und seine Verlobte Maria wanderten 1883 nach Amerika aus.

Angela Kauer

Bullay - Andreas Scheidt aus Bullay ist 81 Jahre alt. Seit 58 Jahren ist er mit seiner Frau Wilhelmine (82) verheiratet. Die beiden haben wahrhaftig schon viel erlebt. Aber so etwas noch nicht: An einem Sommertag dieses Jahres stehen plötzlich zwei Frauen vor ihrer Haustür und erklären dem verdutzten Ehepaar: „Wir sind mit euch verwandt!“

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Bullay – Andreas Scheidt aus Bullay ist 81 Jahre alt. Seit 58 Jahren ist er mit seiner Frau Wilhelmine (82) verheiratet. Die beiden haben wahrhaftig schon viel erlebt. Aber so etwas noch nicht: An einem Sommertag dieses Jahres stehen plötzlich zwei Frauen vor ihrer Haustür und erklären dem verdutzten Ehepaar: „Wir sind mit euch verwandt!“

Allerdings sagen sie das nicht auf Deutsch, sondern auf Englisch. Andreas Scheid muss noch immer schmunzeln, wenn er rückblickend erzählt: „Wir haben uns mit Händen und Füßen verständigt.“ Nach und nach kommt so folgende Geschichte ans Licht: Die Fremden an der Tür heißen Marjory Scheidt-Payne und Jackie Scheidt-Portman. Die Schwestern aus den USA befinden sich auf der Suche nach den eigenen Wurzeln: Der Urgroßvater der beiden, Franz Scheidt, wanderte 1883 von der Mosel nach Amerika aus.

Die Scheidts aus den USA haben also deutsche Ahnen, die sie in Bullay vermuten.
Die Scheidts dort wiederum wissen wohl von einem Zweig der Familie, der Ende des 19. Jahrhunderts sein Glück jenseits des Atlantiks suchte. „Bis dahin dachten wir allerdings, dass nur die Schwester meines Großvaters Jakob, Gertrude, mit ihrem Mann nach Amerika gegangen war“, sagt Andreas Scheidt.

Den Namen seines Großonkels Franz hat er noch nie gehört. Der detektivische Spürsinn des 81-Jährigen ist geweckt: In längst vergessenen Kisten sucht Andreas Scheidt nach alten Unterlagen – und findet die Geburts- und Sterbeurkunden seines Urgroßvaters Nikolaus Scheidt und einige Stamm- und Familienbücher. Seine beiden plötzlich aufgetauchten Cousinen schickt er derweil nach Trier. Alte Kirchenbücher, vermutet der frischgebackene Ahnenforscher, könnten helfen, die Familiengeschichte zu entwirren. Die neuen Verwandten verabreden sich für das darauf folgende Wochenende in Bullay und tragen ihre Erkenntnisse zusammen. Ein Ergebnis: Franz Scheidt scheint den Kontakt zu seiner Familie nach Deutschland komplett abgebrochen zu haben. Gemeinsam mit Andreas und Wilhelmines Söhnen besuchen außerdem alle das Gasthaus, das ihr Urahn Nikolaus geführt hat und das Familiengrab der Scheidts auf dem Bullayer Friedhof. Viele Päckchen, Briefe und E-Mails sind seit diesem ersten Familientreffen zwischen Deutschland und den USA hin- und hergeschickt worden. Sogar familiäre Ähnlichkeiten haben beide Seiten festgestellt: „Lieber Andreas“, schreibt Marjory in einem ihrer Briefe, „du lachst wie mein Vater.“

Nur ein großes Geheimnis gilt es noch zu lüften: Wieso wollte Großonkel Franz mit der Familie in Deutschland offenbar nichts mehr zu tun haben? „Da muss irgendwas vorgefallen sein“, glaubt Andreas Scheidt. Er will der Geschichte auf den Grund gehen. Und einer Sache kann er sich dabei sicher sein: Bei seiner Spurensuche hat er Hilfe – drüben, in Amerika. Angela Kauer

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