Bio-Winzer Markus Busch aus Pünderich hat in diesem Jahr eine Ernte von etwa 50 Prozent. Die Hälfte geht wegen des Peronosporas verloren. Er erzählt: „Die Blütephase ist die gefährliche Phase. Da setzen sich nämlich die Sporen fest und lassen sich nicht mehr retten.“ Eben dafür wünscht er sich den Wiedereinsatz von Kaliumphosphonat: „Das Mittel könnte uns sehr viel Ernte retten.“
Randolf Kauer hat seit mehr als 30 Jahren eine Professur für den Bio-Weinbau an der Hochschule Geisenheim. Ein wichtiger Punkt in der Forschung zum biologischen Weinbau ist die Bekämpfung des Falschen Mehltaus. Er erklärt: „Um sich auszubreiten, ist die Pilzkrankheit auf Feuchtigkeit und Niederschläge angewiesen.“ Davon gab es in diesem Sommer reichlich – wodurch die Weinpflanzen zum leichten Ziel wurden. In der Blütephase, die etwa Ende Juni war, wurden die Blüten selbst befallen und fielen ab. Das sorgt für hohe Ernteeinbußen. Ähnlich war es 2016, ein ebenfalls feuchtes Jahr. Das Problem entwickelte sich im Gegensatz zu 2016 in diesem Jahr jedoch weiter, erzählt Kauer: „Dieses Jahr hielt die Feuchtigkeit an, sodass auch die jungen Trauben befallen wurden.“ Die Konsequenz: Teilweise litten Winzer unter einem Ausfall bis zu 100 Prozent. Der Bio-Weinbau-Experte sagt: „In der Zeit, in der ich den Bio-Weinbau begleite, also seit 1980, habe ich so einen Infektionsdruck noch nicht erlebt.“
Zur Bekämpfung des Falschen Mehltaus wird von Bio-Winzern in der Regel Kupfer genutzt. In kleinen Mengen und in kurzen Abständen werden die Pflanzen damit behandelt. „Aber auch diese kleinen Mengen Kupfer kommen an ihre Grenzen“, sagt Kauer, und das, obwohl die Kupfermenge für den ökologischen Weinbau in diesem Jahr schon von den üblichen drei auf vier Kilogramm erhöht wurde. „Die Not ist groß: Selbst mit vier Kilogramm kann es regional kritisch werden.“ Die meisten Winzer mussten dieses Jahr nämlich häufiger in die Weinberge fahren.
Kauer betont: „Einige Winzer haben auch ihren Bio-Status verloren, weil sie zum generellen Erhalt ihrer Pflanzen zu anderen Mitteln gegriffen haben.“ Generell ist im ökologischen Weinbau gewünscht, dass die Kupfereinsatzmenge runtergeschraubt wird. Als Lösung gäbe es ein Mittel, das helfen würde: Kaliumphosphonat. Petra Neuber, Geschäftsführerin des Bio-Weinbau-Verbands Ecovin, erklärt: „Kaliumphosphonat löst Resistenzmechanismen in der Rebe aus und stärkt so natürlich die Widerstandskraft. Die Rebe wird dadurch gegen Pilzkrankheiten abgehärtet. Besonders gegen Peronospora ist es hilfreich.“
Früher war es Bestandteil eines Mittels, das als Pflanzenstärkungsmittel für den ökologischen Weinbau genehmigt war. Im Oktober 2013 wurde Kaliumphosphonat jedoch als Pflanzenschutzmittel eingestuft – für den ökologische Winzer fatal, denn damit ist es nicht mehr für den Bioweinbau zugelassen.
Um eine Wiederzulassung zu ermöglichen, versucht Ecovin in Zusammenarbeit mit anderen Bioverbänden, dem Deutschen Weinbauverband und dem Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft, etwas auf politischer Ebene zu erreichen. Mit den betreffenden Ministerien stehen sie in Kontakt. Neuber betont: „Die Bundesregierung hat sich auf europäischer Ebene auch schon für die Wiederzulassung eingesetzt.“ Auch Randolf Kauer betont: „Auf politischer Ebene wird schon dafür gekämpft – auch in Brüssel.“ Der Einsatz von Kaliumphosphonat im Bio-Weinbau ist nämlich ein insgesamt europäisches Problem, denn die Zulassung und Nicht-Zulassung von Pflanzenschutzmitteln im ökologischen Weinbau regelt die EU-Öko-Verordnung. Kauer sagt: „Die Bio-Weinbau treibenden Länder in den südlichen Zonen der EU haben unsere Probleme nicht, weil es dort trockener und wärmer ist. Dieses Jahr hat es sie aber auch erwischt.“ Das bestätigt auch Petra Neuber, die mit Ecovin den Kontakt zu europäischen Nachbarländern sucht. Von Peronospora sind nämlich 2021 wirklich nicht nur deutsche Winzer betroffen. Auch französische Winzer, beispielsweise in der Champagne, und auch der Weinbau in Portugal oder im nördlichen Italien leiden in diesem Jahr stark unter der Pilzkrankheit.
Christina Andrae, eine Bio-Winzerin aus Ernst, hat in ihrem Weinberg ebenfalls einen Peronospora-Befall. Sie wünscht sich, dass Kaliumphosphonat wieder zugelassen wird: „In warmen Ländern wie Italien oder Spanien brauchen die Winzer das auch nicht, die haben keine so feuchte Witterung. Wir in Deutschland hingegen bräuchten unbedingt so ein Pflanzenstärkungsmittel.“ Zwar nutzt Andrae bereits Rebsorten, die nicht so anfällig für Peronospora sind, aber dennoch hat sie durch die dauerhafte Feuchtigkeit diese Jahr Ernteeinbußen von 30 bis 40 Prozent. „Das ist einfach eine Situation, bei der man zwar dazulernt, aber eben auch erkennt, wo ,bio' seine Grenzen hat“, so Andrae.
Petra Neuber betont: „Wir können nicht nachvollziehen, warum es keine Zulassung bekommt, weil es bei Anwendung bis zur abgehenden Blüte praktisch keinerlei Rückstände in den erntereifen Trauben gibt und der Stoff für Mensch und Umwelt als unbedenklich gilt. Wir vermuten, dass die großen südeuropäischen Weinbauländer durch das bei ihnen herrschende andere Klima keinen Bedarf sehen.“
Ebenso hofft Randolf Kauer darauf, dass das feuchte Jahr 2021 – auch wenn viele Winzer darunter leiden – zumindest dabei hilft, dass sich auch andere Länder für die Zulassung von Kaliumphosphonat einsetzen. Er ist sich aber sicher, dass die Diskussion wieder ins Rollen kommt, unter anderem auch, weil in Frankreich und Italien bisher noch sechs Kilogramm Kupfer genutzt werden konnten – auch das wurde aktuell auf vier Kilogramm reduziert. „Auch meine Meinung ist, dass es sehr wichtig wäre, wenn das Mittel wieder zum Einsatz kommen dürfte – zumindest bis zum Ende der Blüte, denn genau dann ist es wichtig, die Blüte zu schützen, um die Produktion zu schützen.“ Das wünschen sich auch die Bio-Winzer im Kreis Cochem-Zell, um zukünftig weniger Probleme in so feuchten Jahren wie 2021 zu haben.