Nicht mehr die reißende Elz, aber das Hochwasser der Mosel versperrt für normale Fahrzeuge die Zufahrt. Am Schwätz-Platz am Eingang des Tals unterhalten sich Anwohner über das, was sie selbst noch nicht sehen können. „Wir haben Glück gehabt“, sagt eine Frau mit Blick auf die Ereignisse in der Region. Und eine Mutter von drei Kindern hat gerade ein Hilfspaket für die Menschen an der Ahr bei der Feuerwehr abgegeben und schaut sich nun die Lage im eigenen Dorf an. „Wir fahren die Spenden an die Ahr, die Menschen halten doch noch zusammen“, sagt Lars Bogdanski nachdenklich, während er das Unternehmen Bressan Bau ansteuert. Aus dem Laderaum des Unimog steigen Feuerwehrleute aus und tragen mehrere Pumpen auf das Gelände, das von Schlamm und Wasser bedeckt ist. Erst kürzlich hatte das Bauunternehmen renoviert, jetzt steht kaputtes Inventar auf dem Hof und Mitarbeiter wie Feuerwehr versuchen das Wasser aus dem Gebäude zu bekommen. Die Elz hatte das Grundstück mit voller Wucht erwischt, dort gelagerte Bauteile wurden teilweise weggespült.
Am Ende der ausgebauten Straße liegt das Hotel Ringelsteiner Mühle. 60 Gäste sind noch vor Ort, einige schauen den Helfern bei den Aufräumarbeiten zu. „Gestern Nacht um 5 Uhr hat mich hier jemand gefragt, wann er denn abreisen kann“, berichtet Bogdanski und schüttelt mit dem Kopf. Viele Menschen hätten einfach kein Verständnis dafür, welche Naturgewalten hier am Werk sind. Rainer Herter, der Besitzer des Hotels, versucht, es seinen Gästen so angenehm wie möglich zu machen und gleichzeitig die Aufräumarbeiten voranzubringen. „Wir haben gerade Corona überlebt, jetzt kommt das“, sagt der Hotelier. Seit 1966 lebe er in diesem Tal, so ein Hochwasser habe er aber noch nie erlebt. Dabei hatte das Hotel noch Glück. Einige Feuerwehrleute hatten frühzeitig Sandsäcke in die Mühle geschafft und konnten so verhindern, dass Wasser in das Gebäude eindrang – abgesehen vom Keller. „Ich kann der Feuerwehr nur danken“, sagt Rainer Herter.
Dass die Elz über die Ufer treten wird, damit hatte die Feuerwehr gerechnet. Dank eines Pegels können mittlerweile die Wasserstände beobachtet werden, es gibt Prognosen. „Doch auf diese Gewalt waren wir nicht vorbereitet“, sagt Bogdanski. Innerhalb weniger Stunden stieg die Elz um zwei Meter, suchte sich neue Wege durchs Tal. Davon betroffen sind nun auch Anwohner, die noch nie von einem Hochwasser heimgesucht wurden. Schwierig für die Feuerwehr war vor allem, dass das Tal längere Zeit nicht mit Fahrzeugen erreichbar war. Bogdanski und der stellvertretende Wehrleiter der VG Cochem, René Herter, setzten Lkws ihres Forstbetriebs ein, um in das Tal vorzudringen, wurden allerdings in der Nacht vom Wasser eingeschlossen. „Der ganze Einsatz war für alle Kräfte eine sehr gefährliche Situation. Ich bin froh, dass da nichts passiert ist“, blickt Herter zurück.
Die Gewalt der Flut zeigt sich auch am Stauwehr „Haansche Mühle“, an dem bisher eine Brücke zu einem Wohnhaus führte. „Die Brücke ist weg, wir haben auch nichts mehr davon gefunden“, sagt Moselkerns stellvertretender Wehrführer. Alle Versorgungsleitungen sind ebenfalls abgerissen. Doch an diesem Freitagnachmittag müssen sich die Helfer eher Sorgen um die Reinigungsarbeiten und die Versorgung der Anwohner machen. „Hier wohnen viele ältere Menschen, da haben wir erst mal die Keller räumen müssen, um reinzukommen und leer zu pumpen“, sagt René Herter. Das Tal müsse von oben nach unten gereinigt werden, zudem sei die Straße an vielen Stellen unterspült und müsse gesichert werden. „Wir werden hier Hilfe brauchen“, sagt Peter Mayer, Bürgermeister der Gemeinde, mit Blick auf die Straßenschäden.
Das Hochwasser an der Mosel kam mitten im Sommer höher als noch Anfang Februar dieses Jahres: Sowohl in Zell als auch in Alf schwappte die braune Brühe über die Schutzwände. In Zell war es am Donnerstagabend gegen 19 Uhr so weit, in Alf „ging es so gegen 1 Uhr los“, hält Ortsbürgermeisterin Miriam Giardini-Molzahn fest. In Cochem erreichte das Wasser am Freitag um 10 Uhr seinen Scheitelpunkt (8,38 Meter), um 14 Uhr lag der Pegel schon wieder zehn Zentimeter tiefer. „Für Briedel rechnen wir in den nächsten Stunden damit, dass die Pumpen angeschaltet werden, um den Ort wieder leer zu pumpen“, sagt Markus Hensler, Wehrleiter der VG Zell, gegen 13.20 Uhr. Und er weist darauf hin, dass die Feuerwehren in den Moselgemeinen ungewöhnlich viele Fahrzeuge aus dem Wasser ziehen mussten – für eines in St. Aldegund kam die Hilfe zu spät.
Ein Sommerhochwasser wie dieses ist selbst für Moselaner „etwas Besonderes“, sagt Bernhard Himmen, Bürgermeister der Ortsgemeinde Ediger-Eller. Zwar greifen grundsätzlich übliche Routinen, es wird geräumt, Barrieren werden errichtet, wo es Sinn hat, ufernahe Straßen gesperrt. „Wir hatten diesmal allerdings einen erheblichen Aufwand mit der Feuerwehr, den Campingplatz zu räumen.“ Erst am Donnerstagabend haben wir die letzten Campingwagen auf der Bundesstraße noch einmal zwischengesichert. Die Besitzer hatten sie zunächst dorthin gestellt – hoffend, dort würden sie vom Wasser verschont. Doch es kam anders.
Ähnliche Vorkommnisse schildert Wehrleiter Markus Hensler aus der VG Zell. „Die Anwohner kennen die Mosel und bringen ihre Autos rechtzeitig in Sicherheit.“ Bei einigen Gästen war das nicht so. Circa 30 Fahrzeuge mussten von den Wehren in den Moseldörfern aus dem Fluss geholt werden. „In St. Aldegund war eins schon so tief drin, dass wir es nicht mehr sichern konnten.“ Aber sonst habe es für die freiwilligen Feuerwehrleute eher die üblichen Hochwassereinsätze gegeben. In Zell gab es am Freitagmorgen einen etwas größeren Öleinsatz an der Mittelstraße hinterm Rathaus.
Doch auch dazu sagt Stadtbürgermeister Hans-Peter Döpgen: „Es ist nichts Dramatisches. Dort ist Öl in einem Hof ausgetreten.“ Dieses sei jedoch von einer Barriere gesichert. Sonst habe es nur kleinere Undichtigkeiten im Pumpensumpf der Stadthalle gegeben. Döpgen sitzt an diesem Vormittag im Wortsinne in einem Boot mit dem Cochem-Zeller Landrat Manfred Schnur, mit VG-Bürgermeister Karl Heinz Simon und der in Zell geborenen Landesfamilienministerin Katharina Binz. Sie verschaffen sich einen Eindruck von der Lage. Schließlich hatte die Mosel am Vorabend die Hochwasserschutzwand in Zell überwunden, nachdem sie ihren Höchststand in Trier (9,34 Meter) schon um 17.45 Uhr erreicht hatte.
Gegen 1 Uhr in der Nacht zu Freitag überwand sie dann auch die Schutzwand in Alf und flutete Teile des Ortskerns. „Momentan sinkt die Mosel wieder, aber sie sinkt sehr langsam“, konstatiert Ortsbürgermeisterin Giardini-Molzahn am frühen Freitagnachmittag. Sie ist dabei, einige Hilfsangebote zu organisieren und zu koordinieren – solche für Alfler von Alflern, aber auch von außerhalb, und auch Hilfen für Menschen im Katastrophengebiet Ahrweiler. Angesichts der unfassbaren Bilder von dort sagt die Alfer Ortsbürgermeisterin: „Bei uns ist zum Glück so weit niemandem etwas passiert.“ Die Feuerwehr habe beispielsweise lediglich einigen Menschen aus einem flutumschlossenen Hotel helfen müssen.
In den Zeller Moselgemeinden wappnet man sich schon am Freitagnachmittag für die Reinigungsarbeiten. In Zell beispielsweise sollen sie zwischen 17 und 18 Uhr so richtig losgehen. Diesmal ist es besonders wichtig, früh damit zu beginnen, sagt Wehrleiter Hensler. „Die Mosel bringt nämlich noch viel mehr Dreck mit als sonst.“ Schließlich hat der heftige Regen viel Schlamm von den Hängen und aus den Seitentälern hinabgespült. Das hebt auch Bernhard Himmen, der Ortschef von Ediger-Eller hervor. Und den Schmutz dürfe man nicht mit Frischwasser beseitigen, so eine Verfügung des Kreises. Worüber sich Himmen zusätzlich Gedanken macht: In einem Seitental gab es einen „kleinen Hangrutsch“. Dessen Herr zu werden, könnte etwas aufwendiger werden. Am Ende aber trotzdem halb so schlimm, unterstreicht auch Himmen – und denkt ebenfalls an die desaströsen Bilder aus dem Raum Ahrweiler und aus weiteren Teilen von Rheinland-Pfalz.
In der Kreisstadt Cochem beginnt der Bauhof schon am Freitag um 16 Uhr mit ersten Reinigungsarbeiten, in einer Nachtschicht werden sie weitergehen und noch einmal konzertiert von Samstagmorgen 8 Uhr an, erläutert Stadtbürgermeister Walter Schmitz. „Die Mosel fällt langsamer als erwartet und erhofft.“ Das vergleichsweise heftige Sommerhochwasser und seine Folgen „ist schon sehr anstrengend für alle Beteiligten“, sagt Schmitz. Und es brachte Herausforderungen mit sich, die es im Winter eher nicht gibt, zum Beispiel beim Stegebau: „Fahrten vom Bauhof bis ins Stadtzentrum dauerten teilweise bis zu 40 Minuten.“ Das erhöhte Verkehrsaufkommen durch Touristen war ein Grund dafür, ein anderer Räum- und Rangierarbeiten am Campingplatz. Die Bundeswehr half unter anderem beim Abbau der Coronateststation, Schmitz ist dafür sehr dankbar.
Auf dem Hochwasserweg zwischen Cochem und Sehl hatte starker Regen zu einem Hangrutsch geführt, sodass dieser nicht mehr passierbar war. Einige mit Hochwasser eher unerfahrene Geschäftsinhaber in der Altstadt zur Räumung ihrer Läden zu bewegen, sei ebenfalls mitunter schwierig gewesen, erzählt Schmitz. Doch für die Touristen hat er auch ein Lob übrig, weil alle angenehm und entspannt sind. Schmitz betont: „Wir müssen froh sein, dass nichts Schlimmes passiert ist wie an der Ahr.“ Dorthin habe auch Cochem ehrenamtliche Helfer entsandt.