Cochem-Zell – Hunsrücker gegen Moselaner, Moselaner gegen Eifler, Dorf X gegen Dorf Y, jeder gegen jeden: Wer durch den Kreis Cochem-Zell fährt, hat manchmal den Eindruck, dessen Bewohner könnten einander nicht leiden. Die Menschen am Fluss haben lieber zehn Mal im Jahr Hochwasser, als dass sie einmal im Hunsrück oder in der Eifel schlafen. Manche beten gar: „Gott schütze uns vor Sturm und Wind und alles, watt vom Hunsrück kimmt.“ Dafür schicken Eifeler und Hunsrücker alles, was sie nicht gebrauchen können, an die Mosel. Und für das Adjektiv „mies“ haben sich die Höhenbewohner eine besondere Steigerung einfallen lassen: mies, mieser, Misseller. Aber wo liegen die Ursprünge dieser (Vor-)Urteile? Der 16. November ist der Tag der Toleranz ist für unsere Zeitung ein Anlass, der Sache auf den Grund zu gehen.
Was in unserer Zeit zum Schmunzeln anregt, hat tatsächlich ernsthafte Hintergründe, vermutet etwa unser Leser Josef Buchholz aus Liesenich: Früher habe es wirklich Spannungen zwischen Eifelern, Hunsrückern und Moselanern gegeben, und wie so oft im Leben ging es dabei ums Geld: „Ein Teil der Spannungen beruhte darauf, dass die wirtschaftliche Seite an der Mosel eine bessere war und dies von einzelnen Personen in Abwertung des Hunsrücks wie auch der Eifel gezeigt wurde.“
Jürgen Wirtz von der Mundartinitiative im Kreis Cochem-Zell kann das bestätigen: „An der Mosel gab und gibt es den Weinbau. Die Moselaner haben sich deshalb als etwas Besseres gefühlt und das auch ganz gern gezeigt.“ So kommt es, dass die Cochemer „Schmandelecker“ noch heute den Ruf haben, dem Umland die Butter vom Brot – oder in ihrem speziellen Fall den Schmand von der Milch – zu nehmen. Und wenn vom „Nääwer Wend“ (Neefer Wind) die Rede ist, dann deshalb, weil die Neefer früher mit dem Wein gutes Geld verdienten und sich zur Kirmes derart herausputzten, dass alle um sie herum nur neidisch werden konnten. Doch auch die Moselaner unter sich sind einander nicht immer grün: Die Sankt Aldegunder zum Beispiel spotten, das schönste an Neef sei der Blick auf Sankt Aldegund. Eine ähnlich liebevolle Zuneigung pflegen auch die Treis-Kardener untereinander. Auch hier, weiß Wirtz, spielen historische Hintergründe eine Rolle: Treis war schon im Mittelalter für seinen Holzreichtum bekannt – und hatte deshalb immer wieder Rechtsstreitigkeiten mit dem Stift Karden. „Heute können zum Glück alle darüber lachen“, sagt Wirtz. Die Mitglieder seines Vereins sammeln übrigens Spitznamen, Neckereien und liebevolle Beleidigungen dieser Art – und das in trauter Eintracht: „Bei uns harmonieren Misseler, Ääfeler und Hunsricker prima miteinander“, versichert Wirtz. Und das ist ja fast schon ein Beitrag zur Völkerverständigung. Angela Kauer
Nur Neckerei oder nicht? Auf wkw mitdiskutieren
In der Gruppe „Rhein-Zeitung Cochem Zell“ im Internet-Netzwerk „wer-kennt-wen“ (wkw) hat die RZ eine Diskussion zum Thema „lokale (Vor-)Urteile, Spitznamen und liebevolle Beleidigungen“ gestartet. Unter www.wer-kennt-wen.de/club/twm9aeqz können Interessierte mitdiskutieren. Einzige Voraussetzung: Sie müssen Mitglied bei wkw sein. Wer das nicht ist, kann auch der Redaktion direkt schreiben. Die E-Mail-Adresse lautet cochem@rhein-zeitung.net.