Umleitung für Blechlawine
Ein Verkehrsstreit, der das Dorf Kaifenheim spaltet
In Kaifenheim ist das Dorf zerstritten: Eine einjährige Testphase für den Verkehr sorgt dafür.
Annika Wilhelm

Zwei Lager gibt es derzeit in Kaifenheim: Die, die eine neue Verkehrsführung innerorts befürworten, und die, die dagegen sind. Der Casus knacksus: Die neue Regelung soll den Verkehr durch das Wohngebiet leiten. Der Riss im Ort ist gewaltig.

Durch den Eifelort Kaifenheim schlängelt sich eine lange Straße. Viele nutzen die Route, um von der direkt anliegenden Autobahn zur Mosel und wieder zurückzugelangen. Das hohe Verkehrsaufkommen in der Hauptstraße belastet die dortigen Anwohner. Nun soll sich ab dem Sommer mit einer Testphase etwas ändern. Der Verkehr soll für den Zeitraum von einem Jahr umgeleitet werden. Der Knackpunkt: Das soll über eine Einbahnstraßenregelung durch ein Wohngebiet geschehen. Die Stimmung im Dorf ist zerrissen.

Die Testphase ist bereits beschlossen, im Sommer dieses Jahres soll sie starten. Der Verkehr in Richtung Mosel fließt dann durch die bisherige Ortsdurchfahrt, der Verkehr in Richtung der Autobahn wird durch das Wohngebiet führen. Die Straße wurde dafür jüngst erneuert. So wurde es in einer vergangenen Ortsgemeinderatssitzung beschlossen – „viele Ratsmitglieder sind mit Sonderinteressen behaftet“, merkt Peter Minnebeck, selbst Anwohner, an, diese durften dann natürlich nicht mitabstimmen.

In Kaifenheim ist das Dorf zerstritten: Eine einjährige Testphase für den Verkehr sorgt dafür.
Annika Wilhelm

Eine Initiative namens „Lebenswertes Kaifenheim“ hat sich inzwischen zusammengetan, 190 Unterschriften haben sie bereits gesammelt, die sich gegen eine Einbahnstraßenregelung aussprechen. Die Anwohner des Wohngebiets wollen die Einbahnstraßenregelung nicht auf sich sitzen lassen, auch nicht für eine einjährige Testphase. Sie befürchten, dass es dann dabei bleibt.

Waldemar Klünder ist ebenfalls ein Anwohner des Wohngebietes: „Ich verstehe, dass die Leute den Lärm und Verkehr leid sind, aber nicht, dass es dann zulasten der Anwohner im Wohngebiet umgeleitet wird.“ Er und zahlreiche Anwohner der betroffenen Straßen sind sich einig: Sie sind ins Wohngebiet gezogen, weil sie die Ruhe zu schätzen wissen. Dort, wo jetzt Kinder auf der Straße spielen, Senioren mit Rollator spazieren gehen, Leute zum Plauschen stehen bleiben, soll ab Sommer 2025 der Verkehr von der Mosel kommend entlangführen. „Unser soziales Miteinander wird darunter leiden, denn wenn der Verkehr hier durchrauscht, wird all das verloren gehen“, ist sich Anwohnerin Aloysia Ring sicher. Die Leute, die an der Hauptstraße wohnen, haben hingegen schon vor ihrem Einzug dort gewusst, dass es eine Landesstraße (109) sei.

Anwohner des Wohngebiets sind sich einig: Auf ihren Straßen sollte kein Durchfahrtsverkehr entstehen. Symbolisch stellen sie sich auf den alten Teil ihrer Straße, der noch nicht erneuert wurde.
Annika Wilhelm

Teilweise sei das soziale Miteinander schon jetzt schwierig: Das Vereinsleben leide darunter, teilweise bleiben Mitglieder von Proben fern, man rede nicht mehr miteinander, auch bei Kaifenheimern untereinander kracht es immer mal wieder. Armin Freund sagt: „Überall geht man sich aus dem Weg, das ist traurig.“ Ähnlich sieht es auch Klünder: „Das Bedrückendste an der Situation ist, dass das ganze Dorf gespalten wird. Die einen sagen über die anderen, dass man egoistisch wäre.“

Bettina Kaiser ist Erste Beigeordnete von Kaifenheim. Sie ist keine Anwohnerin der betroffenen Straßen, weder der Gamlener und Roeser Straße, die durch den Ortskern hindurchführen, noch des Wohngebiets, das künftig in der Testphase ebenfalls zur Hauptverkehrsader von Kaifenheim werden soll. Sie hat durchaus Verständnis dafür, dass die Anwohner des Wohngebiets keinen Durchgangsverkehr möchten, sieht aber auch die Anwohner der Gamlener und Roeser Straße. Diese wohnen dort laut ihr schon mindestens 30 bis 40 Jahre, haben teilweise ihr Elternhaus übernommen: „Ja, die haben sich damals für diese Straße entschieden, nicht aber für das Verkehrsaufkommen von heute. Und eben darum müssen wir nun etwas tun. Damals sind nicht so viele Wohnmobile dort herumgefahren.“

Neue Gefahrenstellen entstehen durch neue Verkehrsführung

Ebenjene sind ein Problem, ebenso wie Lkw-Fahrer: Die könnten allerdings mit einer Einbahnstraßenregelung zum Problem werden, ist Lothar Rink überzeugt. Er leitet als Erster Polizeihauptkommissar die Polizeiinspektion Mayen, kann nicht nachvollziehen, wieso die Polizei nicht vorab miteinbezogen wurde – bringt eine solche Umstellung des Verkehrs doch einige neue kritische Stellen. Und er zweifelt auch an, dass die 30er-Zonen nach einer Änderung behalten werden können. Kaiser sagt dazu: „Wir haben eine Stellungnahme der Polizei bezüglich der Gamlener Straße und Roeser Straße, dass die für den Verkehr in der Form nicht mehr ausgelegt ist.“ Allerdings sollen sowohl die Polizei, als auch der ÖPNV erneut zurate gezogen werden – „erst jetzt, weil das eben die normalen Vorgänge sind, die passieren, sobald ein Beschluss gefasst ist.“ All das vorher zu bearbeiten, sei nicht Sinn und Zweck der Sache.

Derzeit gibt es noch nicht überall Bürgersteige, ein weiterer Grund, weshalb sich die Anwohner des Wohngebiets an der neuen Regelung stören. Kaiser sagt: „In der Testphase können wir natürlich nicht direkt einen Bürgersteig errichten, was aber passieren soll: Der Bürgersteig soll mit Farbe angedeutet werden. Genügend Platz ist dafür auf jeden Fall da. In der Roeser Straße und Gamlener Straße ist derzeit auch kein Bürgersteig, und trotzdem führt der Verkehr dort durch.“

Bürgersteige: Fehlanzeige. Hier soll bald für ein Jahr lang der Verkehr durchfließen, wo sonst Kinder spielen und Menschen mit Rollator spazieren gehen.
Annika Wilhelm

Egal, wie, die beiden Seiten scheinen derzeit nicht zusammenzukommen, zu unterschiedlich sind die Ansichten über die Verkehrsführung. Rainer Wilhelmy aus dem Wohngebiet betont, worum es eigentlich geht: „Wir wollen nicht der Zubringer für die ganze Mosel sein. Darum fordern wir eine überörtliche Lösung. Eine, die alle entlastet, nicht nur einen, statt zu belasten.“ Als konkreten Lösungsansatz machen die Kaifenheimer den Vorschlag, eine neue Autobahnauf- und -abfahrt zu bauen, um den Verkehr an Ortschaften vorbeizulenken. Laut den Vertretern der Initiative seien die besten Voraussetzungen dafür bereits da, in Form von Autobahnparkplätzen.

Aus diesem Autobahnparkplatz würde die Initiative gerne eine Abfahrt machen.
Annika Wilhelm

Der Ersten Beigeordneten zufolge sei auch über diesen Lösungsansatz nachgedacht worden, allerdings stand nach einer Anfrage bei der Autobahn GmbH schnell fest, dass das nicht so einfach möglich ist. Die Mitglieder der Initiative fühlen sich, als würde man sie nicht anhören wollen, als würde man sich nicht trauen, die Autobahn überhaupt in Ansätze zu möglichen Änderungen miteinzubeziehen, als würde die schnellste und einfachste Lösung genommen werden, auch wenn es jetzt lange ruhig war: Die plötzliche Umsetzung überrumpelt sie, sie fühlen sich schlichtweg nicht gut mitgenommen. Bettina Kaiser sagt hingegen: „Das Thema begleitet uns schon so lange. Es war immer auf der Agenda. Dass es jetzt länger gedauert hat, bis wieder etwas passiert ist, lag einfach daran, dass man sich nach den Neuwahlen erst mal wieder einfinden muss.“ Im April wurde die Testphase dann beschlossen.

„Geteiltes Leid ist an dieser Stelle nicht halbes, sondern doppeltes Leid.“
Anwohner Waldemar Klünder

Der LBM übernimmt indes die Kosten für die Straßensanierung in der Testphase. Und die Firma, die das möglich macht, hatte entweder nach Ostern Zeit oder im September: „Da wir jetzt voranschreiten wollten, haben wir es jetzt gemacht. Das ist nur aus diesem Grund so kurzfristig geschehen. Hätte man es aufgeschoben, dann wäre es halt im September plötzlich gekommen.“

Verständnis für alle Leidtragenden ist zwar von jeder Seite da, aber auf einen gemeinsamen Nenner scheint man erst einmal nicht zu kommen. Wohngebiet-Anwohner Peer Uhlmann findet die Situation belastend – ebenso wie seine Nachbarn: „Wir wollen als Lösung, dass der Verkehr aus dem Ort rauskommt. Derzeit sind die Fronten verhärtet, aber dann können die betroffenen Straßen vielleicht wieder zusammenfinden.“ Waldemar Klünder fasst die Situation nickend zusammen: „Geteiltes Leid ist an dieser Stelle nicht halbes, sondern doppeltes Leid.“

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