Als Selbstständige hat Ergotherapeutin Anna Skala aus Kaifenheim keinen Anspruch auf Mutterschutz
Eiflerin hat keinen Anspruch auf Mutterschutz: Wenn der Kinderwunsch die Existenz bedroht
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Als Ergotherapeutin bringt Anna Skala einer jungen Patientin bei, wie man Schuhe bindet. Doch auch körperlich anstrengendere Aufgaben gehören zum Berufsbild. Foto: Johanna Stöber
Johanna Stöber

Als Anna Skala aus Kaifenheim mit 26 Jahren schwanger wird, scheint das Glück für die junge Ergotherapeutin perfekt – sie ahnt nicht, dass die Schwangerschaft sie an den Rand des Ruins treiben wird.

Als Anna Skala vor drei Jahren schwanger wird, scheint das Glück für die damals 26-jährige Kaifenheimerin perfekt. Sowohl in privater als auch in beruflicher Hinsicht. Rund fünf Jahre zuvor hat die Ergotherapeutin sich mit einer eigenen Praxis in Cochem selbstständig gemacht.

„Ich wollte im Beruf gefestigt sein, bevor ich Mutter werde. Der Zeitpunkt schien mir gut geeignet“, sagt Skala. Dass die Schwangerschaft sie fast an den Rand des Ruins treiben würde, ahnte die werdende Mutter damals nicht.

Rechtliche Situation der Selbstständigen

„Über die finanzielle Situation habe ich, ehrlich gesagt, gar nicht nachgedacht“, gesteht sie. In der Annahme, dass für Selbstständige die gleichen Rechten gelten wie für Angestellte, war Anna Skala davon ausgegangen, dass ihr Einkommen während der Schwangerschaft durch Mutterschutz- und Elterngeld gesetzlich geregelt sei.

Doch dem ist nicht so. Denn anders als angestellte Kolleginnen hat Anna Skala als Selbstständige keinen Anspruch auf Mutterschaftsgeld. Elterngeld hätte sie nur dann beantragen können, wenn sie ihre Praxis komplett geschlossen hätte.

Keine Arbeit, kein Verdienst

Dass Skala, wegen der körperlichen Belastung im Beruf, als Schwangere außerdem unter das gesetzliche Beschäftigungsverbot fallen würde, war ihr auch nicht klar. „Zuerst dachte ich noch, ich könnte weiterarbeiten, da ich ja keinen Chef hatte, der es mir verbieten konnte“, sagt sie. Doch als ihr Gynäkologe das Wohl des ungeborenen Kindes durch die körperliche Arbeit gefährdet sah, hörte Anna Skala sofort auf zu arbeiten. Im Klartext bedeutete das für die werdende Mutter: keine Arbeit, kein Verdienst.

Zuerst dachte ich noch, ich könnte weiterarbeiten, da ich ja keinen Chef hatte, der es mir verbieten konnte.

Anna Skala, Ergotherapeutin und Mutter

Während schwangere Angestellte bei betrieblichem Arbeitsverbot Lohnfortzahlungen in voller Höhe beziehen, müssen Selbstständige sehen, wie sie finanziell über die Runden kommen.

Hinzu kommt, dass die laufenden Kosten für die Praxisräume weiterhin getragen werden müssen. „Ich hatte zu der Zeit zwei Angestellte, von denen eine allerdings auch zeitgleich mit mir schwanger wurde. Und eine allein konnte nicht genug verdienen, um die Unkosten zu decken“, sagt Skala.

Die Zeit, in der die werdende Mutter sich eigentlich auf ihr Kind freuen sollte, war für Anna Skala getrübt von Existenzängsten.

Erst gestillt, dann Patienten behandelt

Kurz nach der Geburt stand sie deshalb schon wieder in ihrer Praxis. „Zwischen zwei Stillzeiten habe ich dann meine Patienten behandelt“, erinnert sie sich. Ihr Partner, der in einem Angestelltenverhältnis arbeitet, konnte in Elternzeit gehen und sich um die gemeinsame Tochter kümmern, während die Mutter arbeitete.

Der Kinderwunsch des Paares ist eigentlich noch nicht abgeschlossen. „Doch unter den Bedingungen kann ich mir ein zweites Kind gar nicht leisten. Es ist doch ungerecht, dass hier Selbstständige gegenüber Angestellten benachteiligt werden“, beklagt Skala.

Im Internet wird die Ergotherapeutin auf eine Petition aufmerksam. Der selbstständigen Tischlerin Johanna Röh aus Niedersachsen ging es genauso wie ihr. Röh hat, um bundesweit auf die Problematik aufmerksam zu machen, eine Petition gestartet, die auch Anna Skala unterstützt.

Dank der mehr als 100 000 Unterstützer wird nun im Bundestag über das Thema beraten. „Ich hoffe, dass durch die bundesweite Aufmerksamkeit in den Medien jetzt endlich etwas passiert“, sagt Skala. Der 29-Jährigen erschließt sich nämlich nicht, warum ihr Wunsch nach einer Familie ein unternehmerisches Risiko sein soll.

Der Verband für Ergotherapeuten (DVE) hat auch keine Lösung parat. Benedikt Barton, stellvertretender Geschäftsstellenleiter, kennt das Problem zwar, doch „obwohl unser Beruf mehr als 90 Prozent weiblich besetzt ist, hatten wir noch keine Anfrage in dieser Richtung“, sagt er. Der Verband rät Therapeuten, die sich selbstständig machen möchten, private Vorsorge zu treffen beziehungsweise Rücklagen zu bilden. Und zwar nicht nur für den Fall von Schwangerschaften.

Keine zufriedenstellende Lösung

In erster Linie obliegen dem DVE allerdings die Preisverhandlungen mit den Kassen. „Wenn wir da höhere Preise für therapeutische Behandlungen rausholen können, können auch eher finanzielle Rücklagen gebildet werden“, sagt Barton. Das Gesetz sieht in Bezug auf Selbstständige in der Schwangerschaft keine zufriedenstellende Lösung vor. Im Leitfaden zum Mutterschutz, den das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend herausgibt, ist nachzulesen, dass das Mutterschutzgesetz grundsätzlich nicht für Selbstständige gilt.

Anna Skala hofft nun, dass Röhs Petition erfolgreich ist und das Gesetz zur Gleichbehandlung von angestellten und selbstständigen werdenden Müttern angepasst wird. Nicht zuletzt auch wegen ihrer eigenen Familienplanung.

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